Deutschlands TOP IT-Arbeitgeber

Neue Probleme fordern neues Recruiting

30.05.2011
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

"Bewerber denken eher an Apple als an eine Bank"

Tim Weitzel lehrt an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg Wirtschaftsinformatik. Seit fast zehn Jahren erforscht der Professor Recruiting-Trends. Wie sich die Personalarbeit der Unternehmen in den vergangenen Jahren verändert hat und welche Trends sich abzeichnen, erläutert er im CW-Gespräch.

CW: Welche Recruiting-Trends und Entwicklungen sehen Sie in der IT-Branche?

Tim Weitzel, Uni Bamberg: "Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter als Botschafter der Firma wirklich ernst nehmen."
Tim Weitzel, Uni Bamberg: "Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter als Botschafter der Firma wirklich ernst nehmen."
Foto: Privat

WEITZEL: Der Fachkräftemangel ist vor allem in der IT-Branche sehr problematisch. Dort können in diesem Jahr über zwölf Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. In anderen Branchen sind es zwischen vier und fünf Prozent.

CW: Nimmt die IT-Branche beim Recruiting eine Vorreiterrolle ein?

WEITZEL: IT-Unternehmen sind Vorreiter bei der elektronischen Bewerbung. Nur noch etwa 18 Prozent der eingehenden Bewerbungen sind aus Papier.

CW: Viele Firmen nannten in Ihrer Recruiting-Studie Employer Branding als wichtigste interne Herausforderung. Was verstehen die Unternehmen darunter?

WEITZEL: Beim Employer Branding geht es darum, eine Arbeitgebermarke aufzubauen und das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber darzustellen. Firmen mit bekannten Produkten sind häufig für Bewerber gut sichtbar: Wer sich mit Raumfahrt auskennt, will zur Nasa. Daher ist ein Employer Branding vor allem auch dort wichtig, wo sich gute Kandidaten nicht von selbst bewerben. So haben alle Unternehmen eine IT-Abteilung, aber IT-Experten denken bei der Bewerbungsplanung eher an Apple als an eine Bank, obwohl Banken in der Regel viel mehr IT-Mitarbeiter haben und suchen.

CW: Welche Rolle spielt das Thema Social Media beim Employer Branding?

WEITZEL: Um auch als unbekannter Arbeitgeber gute Mitarbeiter zu finden, hoffen viele Unternehmen, auf sozialen Netzplattformen geeignete Kandidaten direkt finden und ansprechen zu können. Allerdings lernen die Firmen gerade, dass dies nicht so einfach ist wie zunächst erhofft. Social Media wird derzeit hauptsächlich für Employer Branding und nicht zur aktiven Kandidatensuche genutzt.

CW: Manche Firmen fürchten sich vor einem Kontrollverlust, wenn sie sich in sozialen Netzwerken engagieren. Haben sie denn eine Wahl?

WEITZEL: Sie können heute weniger als vor fünf Jahren direkt kontrollieren, was über ihr Unternehmen im Web geschrieben wird. Sie haben nur die Wahl, wie sie damit umgehen. Daher überlegen derzeit viele Firmen, ob sie Mitarbeitern die Nutzung sozialer Netzwerkplattformen verbieten oder erlauben oder sie sogar dazu anregen sollen. Die mehrheitliche Meinung ist, dass nur ehrliche, authentische Kommunikation funktioniert. Das ist leichter gesagt als getan, und welcher Informationskodex der richtige ist, muss jedes Unternehmen selbst bestimmen. Eine Folge ist, dass ein Unternehmen seine Mitarbeiter auch als Botschafter des Unternehmens wirklich ernst nehmen muss.