Schneller produzieren und liefern allein reicht nicht

Neue Konzepte für Mobilität im Verkehr

03.11.2000
Von VON Helga

Im vergangenen Jahr rollten 5,7 Millionen Autos und Nutzfahrzeuge vom Band deutscher Hersteller; die Auslastung ihrer Produktionskapazität liegt bei 93 Prozent. Und das, obwohl der Inlandsmarkt für Neuwagen so gut wie gesättigt ist und weltweit mehr Kraftfahrzeuge hergestellt werden, als abzusetzen sind. Doch die Ausfuhr deutscher Automobile boomt: Ein Plus von drei Prozent meldete der VDA in seiner Halbjahresbilanz vom Juli 2000. Die Statistiker streiten sich, ob in der Bundesrepublik jeder siebte, jeder zehnte oder jeder 23. Arbeitsplatz direkt und indirekt von der Autoindustrie abhängt. Dass der Wirtschaftszweig ökonomisch und gesellschaftlich eine große Rolle spielt, bezweifelt allerdings niemand.

VDA-Präsident Bernd Gottschalk ist zuversichtlich, dass sich daran in Zukunft nicht viel ändert: "Die Automobilindustrie ist und bleibt eine Schlüsselindustrie auch im Zeitalter der New Economy." Allerdings erfülle sich diese Vorhersage nur, wenn die "alte" Fertigungsbranche neue Wege gehe, meint Gottschalk. Er setzt dabei auf die entschlossene Nutzung der Informationstechnologie. "Die IuK-Techniken ermöglichen neue Dienstleistungen rund um das Automobil - vom Leasing bis hin zu Telematikdiensten. E-Commerce wird sowohl im Beschaffungswesen wie im Vertrieb immer stärker als Zeit und Kosten sparende Technologie genutzt. Wichtige Impulse gehen von der Anwendung der elektronischen Marktplätze aus."

Mit dieser Einschätzung der Zukunft seiner Branche steht der oberste Lobbyist der Fahrzeugbauer nicht allein da. Auch der Tarifpartner der Autohersteller, die IG Metall, setzt auf Innovationen im Verkehrssektor. "Schon heute ist erkennbar, dass immer mehr Automobilanbieter versuchen, ihre Kundschaft an die Marke zu binden, indem sie komplette Mobilitätsangebote machen", schreibt Elke Eller-Braatz in einem Thesenpapier der Gewerkschaft. Das hat laut IG Metall zur Folge, dass die klassischen Arbeitsplätze in Produktion und Montage an Bedeutung verlieren, dafür aber neue Beschäftigungschancen in Forschung und Entwicklung, bei Finanzdienstleistungen, Service und Marketing rund ums Auto entstehen.

Verband wagt keine Jobprognose

Eine autokritische Studie mit dem Titel "Hauptgewinn Zukunft. Neue Arbeitsplätze durch umweltverträglichen Verkehr" hat das Öko-Institut gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland erstellt. Neue umweltfreundliche Beschäftigungsmöglichkeiten könnten den Forschern zufolge unter anderem in den Bereichen Mobilitätsdienstleistungen, Telematik für den öffentlichen Verkehr und Software zur Organisation von Carsharing entstehen.

Nun ist von "Autokanzler" Gerhard Schröder alles andere als ein Umsteuern der Verkehrspolitik im Sinn des Öko-Instituts zu erwarten. Schröder will der Industrie möglichst wenig ordnungspolitische Hemmnisse in den Weg legen. Dennoch lässt sich der VDA auf keine Prognosen ein, wie viele Jobs in der Branche erhalten bleiben und wie viele neu entstehen werden. Beispielsweise in den Bereichen digitale Übertragungstechnik für Verkehrsinformationen, Sensorik für die Verkehrsdatenerfassung oder Satellitenortung für die Navigation.