Ab jetzt nur noch Upgrade-fähige Systeme

Neue HP-9000-Server sind bereit für IA 64

23.04.1999
Von CW-Mitarbeiter Andreas Stolzenberger MÜNCHEN (CW) - Mit dem HP-9000-Server Modell N 4000 zeigt Hewlett-Packard einen Migrationsweg hin zum 64-Bit-Computing ê la Intel. Der Midrange-Server ist der erste, der bereits auf die IA-64-Architektur vorbereitet ist.

Kernstück des neuen Mittelklasse-Servers ist ein Chipsatz, der bereits das IA-64-Busprotokoll verwendet. "Im Prinzip ist die N-Klasse bereits der erste IA-64-Server", kommentiert Rudi Schmickl, Business Manager für die HP 9000 Enterprise Server für Europa, dem Mittleren Osten und Afrika, "die Maschine ist zum PA-Risc rückwärtskompatibel."

Das System wird zunächst in einer Konfiguration von einer bis maximal acht PA-Risc-CPUs für einen Preis ab 48 000 Dollar in den Handel gelangen. Der Server soll vor allem bei Internet-Service-Providern und Firmen mit Enterprise-Resource-Planning-Anwendungen zum Einsatz kommen. Für Ende des Jahres ist eine Überarbeitung der High-end-Unix-Server HP 9000, V-Klasse, angekündigt. Die neueren Modelle sollen dann ebenfalls mit dem HP-eigenen IA-64-Chipsatz und -Speicher-Controller versehen werden.

Die V- und N-Server werden zunächst auf den PA-Risc-Nachfolgeprozessor PA-8600 aufrüstbar sein, sobald dieser zur Verfügung steht. Damit sei im Jahr 2000 zu rechnen. Der Umstieg auf die IA-64-Architektur wird erst im Jahr 2001 mit dem Erscheinen des McKinley-Prozessors erfolgen. "Der Merced wird nach unserer Einschätzung nicht schneller als der zu dieser Zeit aktuelle PA-8600 sein und daher nicht für die Mittelklasse- und High-end-Unix-Server angeboten werden", sagt Clifford Loeb, Director des technischen Marketings für HP Enterprise Server und einer der Entwickler der PA-Risc-Plattformen und Chipsätze. Den Merced-Prozessor werde man bei HP nur in Einsteigermaschinen wie der HP-9000-A-Klasse und in NT-basierten Netservern verwenden.

Der Umbau eines 9000er Systems auf IA 64 ist nach Aussage von Loeb recht einfach. Die Hauptplatine des Servers wird ausgetauscht. Speicher-Controller, Speicher und I/O-Con- troller bleiben unverändert.

Die CPUs werden gewechselt, und der CPU-Buskonverter, der das Busprotokoll der PA-Risc-Prozessoren für den IA-64-Systembus übersetzt, entfällt.

Das Betriebssystem HP UX 11.0 muß neu installiert werden. "Für den Anwender wird das aber wie ein automatisierter Patch-Upgrade aussehen", verspricht Loeb. Auf beiden Plattformen arbeite HP UX im Big-Endian-Verfahren, so daß keine Datenkonvertierung vonnöten sei. Das neue Betriebssystem werde dann auch die Übersetzung der PA-Risc-Programme für IA 64 übernehmen. "PA-Risc und IA 64 sind nicht direkt binärkompatibel", bestätigt Loeb, "aber für jedes PA-Risc-Kommando gibt es ein Pendant im IA-64-Befehlssatz." HP-UX verwendet die "Dynamic Object Code Translation". Dabei werden die Instruktionen einer Anwendung nicht jedesmal Befehl für Befehl übertragen. Das System behält markante Codesequenzen im Speicher und optimiert diese, so daß sie bei einer wiederholten Ausführung schneller abgearbeitet werden können. Das Verfahren sei rein statischen Binärübersetzern wie etwa Digitals "FX 32", der x86-NT-Programme auf Alpha-Rechnern laufen läßt, überlegen und deutlich schneller.

Mit dem dynamischen Übersetzer auf der Betriebssystem-Ebene sollen alle HP-UX-Anwendungen, die mit Standard-Compilern erstellt wurden, auch auf IA-64-Systemen laufen. Probleme wird es allerdings bei Programmen geben, die mit selbstmodifizierendem Binärcode oder Assembler-Sequenzen versehen wurden. HP will den Anwendern der HP-9000-Server ein Tool zur Verfügung stellen, das prüft, ob ihre Anwendungen in diesem Kompatibilitätsmodus arbeiten können. Loeb bestätigt, daß dieser Modus nicht die volle Leistungsfähigkeit der IA 64 ausnutzt. Erst neu kompilierte Programme werden signifikante Geschwindigkeitszuwächse erreichen.

Trotz der zu erwartenden Probleme beim Umstieg auf IA 64 ist Loeb davon überzeugt, daß die langfristige Trennung von PA-Risc und die Partnerschaft mit Intel der richtige Weg sind: "Die Neuentwicklung eines Prozessors kostet rund vier Milliarden Dollar". Diese enormen Kosten könne man nur über den Massenmarkt wieder einspielen.

Intel wird eigenen Angaben zufolge keinen Hardwarehersteller bevorzugt mit IA-64-CPUs beliefern. Diese Ankündigung hatte das Gerücht geschürt, die Partnerschaft mit HP sei beendet. "Die Entwicklung der Prozessoren ist von der Vermarktung unabhängig", widerspricht Loeb und verweist darauf, daß HP-Entwickler zur Zeit zusammen mit Intel am McKinley-Prozessor arbeiten.

Hewlett-Packard befürchtet auch nicht, Vorteile, die das Unternehmen momentan durch seine proprietäre Rechnertechnik vor dem Wettbewerb hat, durch den Umstieg auf eine für alle Hersteller zugängliche Architektur zu verlieren.

"Als Co-Entwickler der IA 64 kennen wir die Architektur besser als der Mittbewerb und werden eigene Schlüsselkomponenten wie Co-Prozessoren und Chipsätze für unsere Mittelklasse- und High-end-Server fertigen können, die anderen Anbietern fehlen", sagt HP-Firmenchef Lew Platt der COMPUTERWOCHE. Platt sieht in den Marktsegmenten Midrange und High-end das größte Wachstumspotential der hauseigenen Unix-Server. Auch soll der Hauptanteil der drei Milliarden Dollar, die HP dieses Jahr für die Entwicklung verplant hat, in die Enterprise-Server-Gruppe fließen.

Eine Gartner-Group-Analyse des europäischen Server-Marktes (ohne Mainframes, aber mit PC-Servern) gibt Platt recht. Die Umsatzzahlen der beiden Marktführer IBM und Compaq sind rückläufig. "IBM verliert durch eine momentan sehr schwache RS/6000-Server-Linie", sagt Jane Doorly von der Gartner Group und fügt hinzu, daß Compaqs Einbußen vor allem auf Probleme mit der noch nicht abgeschlossenen DEC-Integration zurückzuführen seien. Stärker als HP wächst im Serversegment momentan nur Sun. Laut Gartner erzielt die McNealy-Company ihre Zuwächse jedoch überwiegend im Low-end-Bereich der Unix-Server.

Loeb als einer der Co-Entwickler von PA-Risc sieht die Zukunft der Sparc-Prozessoren pessimistisch: "Ich glaube, Sun wird früher oder später auch zu IA 64 wechseln müssen." Man werde sich nicht gegen physikalische Gesetze wehren können, die der "superskalaren Risc-Architektur" weitere Leistungszuwächse von 70 Prozent pro Jahr nicht mehr erlauben. "Der Ultrasparc III wird, sobald verfügbar, sicher ein sehr schneller Prozessor", gibt Loeb zu, "aber er hätte bereits vor 18 Monaten auf den Markt kommen sollen." Risc werde in den kommenden Jahren vollständig von der Epic-Architektur (Epic = Explicit Parallel Instruction Computing) abgelöst; was danach folgt, kann man bislang nur vermuten. "Es werden nicht die Möglichkeiten der Hardwaretechnologie sein, die über eine kommende Prozessorarchitektur entscheiden", gibt Loeb zu bedenken. "Die Compiler werden bestimmen, wie ein Prozessor der Zukunft aussehen kann. Erst wenn man in der Lage ist, einen optimierten Code für eine Architektur zu erzeugen, hat es überhaupt Sinn, sie zu bauen.

Abb.1: HP-Organisation

Hospitäler & Printer: Mit ätzendem Sarkasmus äußerte sich Sun-Chef Scott McNealy über HP und liegt damit nicht so ganz falsch. Mit dem klassischen Computergeschäft (Systeme und Services) macht die Firma nur 38 Prozent des Gesamtumsatzes. Quelle: HP-Angaben

Abb.2: Das Modell N4000

Das Modell N 4000 verwendet als erster HP-9000-Server die IA-64-Busarchitektur. Quelle: Hewlett-Packard