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Neue Hoffnung für Yahoo und Co.

02.04.2001
Durch die Dotcom-Krise und die allgemeine Konjunkturabschwächung muss auch die Online-Werbebranche erstmals herbe Einbußen verzeichnen. Angesichts der steigenden Web-Nutzung in Europa herrscht dennoch Optimismus.

CW-Bericht von Sabine Prehl

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Durch die Dotcom-Krise und die allgemeine Konjunkturabschwächung muss auch die Online-Werbebranche erstmals herbe Einbußen verzeichnen. Angesichts der steigenden Web-Nutzung in Europa herrscht dennoch Optimismus. Große Hoffnungen setzt die Werbewirtschaft vor allem in neue Bannerformate und die Verzahnung von Online- und Offline-Kampagnen.

In den USA sind die Einnahmen durch Internet-Reklame bereits seit Sommer letzten Jahres rückläufig. Nach Angaben von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) und dem Internet Advertising Bureau (IAB) sanken die Umsätze im dritten Quartal 2000 von 2,12 auf 1,97 Milliarden Dollar. Die Werbewirtschaft zieht ihre Konsequenzen: So hat der US-Vermarkter Doubleclick im Dezember acht bis zehn Prozent seiner Belegschaft abgebaut. Vergangene Woche hat das Unternehmen erneute Stellenstreichungen angekündigt.

Rückläufige Werbeeinnahmen

Zum Jahresende fielen die Zuwachsraten auch hierzulande deutlich geringer aus als erwartet: Laut Forrester Research lag der deutsche Gesamtetat für Internet-Werbung im Dezember bei 12,6 Millionen Euro und damit 0,2 Millionen Euro niedriger als im Vormonat. Doubleclick Deutschland verzeichnete eigenen Angaben zufolge im ersten Quartal seines Geschäftsjahres einen Umsatzrückgang von 20 bis 30 Prozent. Vergangene Woche musste auch der Nürnberger Online-Vermarkter Ad Pepper seine Umsatzprognose deutlich nach unten korrigieren.

Die nachlassende Werbelust ist vor allem auf die Krise der New Economy zurückzuführen. Nach den Worten von Rainer Arenz, Geschäftsführer der BIK Umfrageforschung GmbH, haben aber auch die finanzkräftigeren Werbekunden - Verlagshäuser, Banken und IT-Unternehmen - ihre Etats gekürzt. Zudem sind die Preise für Banner, Popups und anderen Werbeformen in den vergangenen Quartalen immer weiter gesunken, was die Umsätze der Werbewirtschaft zusätzlich schmälert.

Hinzu kommt, dass nicht nur die Online-Vermarkter, sondern die gesamte Werbebranche unter Einbußen leidet. Werbung gehört zu den Bereichen, in denen als erstes der Rotstift angesetzt wird, wenn die Gewinne nicht mehr so sprudeln. Nach Angaben von AC Nielsen schrumpfte der deutsche Gesamtmarkt im Februar dieses Jahres um 8,8 Prozent. 2,7 Milliarden Mark Bruttoumsatz erzielten alle Medien zusammen mit Werbung. Das sind 240 Millionen weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Fachzeitschriften und Hörfunk verbuchen schon seit geraumer Zeit einen kontinuierlichen Rückgang an Werbeeinnahmen. Jetzt hat auch die deutsche TV-Industrie ihre Prognosen nach unten korrigiert: Jüngsten Angaben der RTL Group zufolge wird der Markt in diesem Jahr nur noch um zwei bis drei Prozent wachsen - ursprünglich war die Mediengruppe von einer sechsprozentigen Steigerung ausgegangen. Auch Analysten wie Thomas Deit von Merrill Lynch sagen der gesamten Werbewirtschaft deutlich geringere Wachstumsraten als im Boomjahr 2000 voraus. Hauptgrund ist seiner Ansicht nach die abnehmende Werbung für Internet-Anbieter und Technologiefirmen sowie deren vielfach auf Eis gelegten Börsengänge. Die Ernüchterung in diesem Bereich mache auch vor den klassischen Medien nicht halt. "Und den noch kleinen Online-Werbemarkt trifft diese Entwicklung natürlich unmittelbar", so Arndt Groth, Geschäftsführer von Doubleclick Deutschland.

Betroffen sind vor allem Dotcom-Firmen

Herbe Einbußen verzeichnen vor allem Dotcom-Companies. Laut Merrill Lynch leiden die reinen Internet-Anbieter unter einem Rückgang der Online-Werbeeinnahmen von bis zu 40 Prozent. Der Herausgeber des Web-Lexikons "Encyclopedia Britannica" zum Beispiel, der sich ausschließlich über Sponsoring und Werbung finanziert, hatte bereits im November letzten Jahres 20 Prozent seiner Belegschaft entlassen. Jetzt wurde eine erneute Kündigungswelle beschlossen: Bis Juni müssen 31 Prozent der Mitarbeiter gehen. Letzte Rettung verspricht ein neues Geschäftsmodell, nach dem künftig nicht mehr alle Inhalte auf der Site wie bisher kostenlos nutzbar sind.

Auch das einstige Vorzeigeunternehmen Yahoo, das rund 90 Prozent seines Umsatz aus Online-Werbeerlösen generiert, ist nach der zweiten Gewinnwarnung und dem Rücktritt von Firmenchef Tim Koogle auf der Suche nach neuen Einnahmequellen.

Banner sind nicht effektiv genug

Wegen der Abhängigkeit von den Werbeausgaben der Dotcom-Firmen, die inzwischen reihenweise ihre Etats zusammenstreichen, versucht Yahoo bereits seit geraumer Zeit, Werbekunden zu gewinnen, die nicht aus dem Web-Umfeld kommen. Und in den USA berechnet die Internet-Company seit Herbst vergangenen Jahres Gebühren für die Teilnahme an Online-Auktionen. Die einseitige Ausrichtung auf Werbeeinnahmen hat in den Boomzeiten des Internet funktioniert - heute jedoch sind fundierte Business-Strategien gefragt, um im Markt bestehen zu können. "Es ist zu bezweifeln, dass das Geschäftsmodell mit Online-Werbung auf Dauer trägt", so Rüdiger Spies, Analyst bei Meta Group.

Neben wirtschaftlichen Gründen machen Experten aber auch den Mangel an Effektivität der Netzwerbung für die Zurückhaltung der Werbetreibenden verantwortlich. Die kleinen Banner, bei denen sich die Werbebotschaft erst beim Anklicken erschließt, versprechen kaum noch den gewünschten Erfolg, denn die Motivation, die Botschaft zu enthüllen, hat in den letzten Jahren stark nachgelassen: Laut IAB wurden klassische Banner im vergangenen Jahr nur noch zu 0,25 Prozent angeklickt - 1996 waren es acht Prozent. Noch zum Jahresende bestand Online-Werbung zu 80 Prozent aus Standardbannern, aber nur 37 Prozent der Page-Impressions, der wichtigsten Maßeinheit der Werbewirtschaft, wurden tatsächlich über Banner erzielt. Den Rest generierten Sonderwerbeformen - etwa Popups, Intersticials (Unterbrecherwerbung) oder so genannte Sticky Ads, die beim Scrollen auf der Site automatisch mitwandern.

Optimismus in Europa

Laut Elisabeth Minnemann vom niederländischen Marktforschungsinstitut Pro Active International ist die nachlassende Beachtung von Bannern vor allem darauf zurückzuführen, dass die beworbenen Sites nicht halten, was sie versprechen. "Wenn der Surfer enttäuscht wird, sinkt seine grundsätzliche Bereitschaft, Banner anzuklicken", so die Werbeforscherin. Zudem seien viele Sites zu überfrachtet - ein Banner müsse sich die Aufmerksamkeit mit vielen anderen Werbeflächen teilen. Vor allem Web-erfahrene Surfer ließen sich von den bunten Bildchen kaum noch beeindrucken. Inzwischen hat die Branche reagiert: Nach Angaben von Ralf Scharnhorst, Director Media bei dem Internet-Beratungsunternehmen Sinner Schrader und Vorsitzender des Arbeitskreises Media beim Deutschen Multimedia-Verein (dmmv), entfallen in diesem Jahr nur noch 40 Prozent des Online-Werbevolumens auf Standardbanner.

Von Krisenstimmung ist in der europäischen Werbeszene dennoch nichts zu spüren. Die Branche beruft sich bei ihrem Optimismus auf Prognosen - etwa von Forrester Research, nach denen die europäischen Ausgaben für Werbung im Internet in diesem Jahr auf 1,16 Milliarden Euro ansteigen und sich damit gegenüber 2000 immerhin fast verdoppeln werden. Bis zum Jahr 2005 soll der Markt auf sechs Milliarden Euro wachsen, was einem Anteil am Gesamtwerbevolumen von fünf Prozent entspräche. Treibende Kräfte seien dabei vor allem Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Österreich sowie die Benelux- und die skandinavischen Länder. "Wir erwarten eine vergleichsweise ruhige erste Jahreshälfte, danach werden die Aufwendungen für Online-Werbung jedoch anziehen", so Forrester-Analyst Mark Cohen.

Laut Cohen ist die Zahl der Online-Werbekunden bereits im November und Dezember 2000 angestiegen - nicht zuletzt wegen der gefallenen Preise für Werbeflächen im Netz. Allerdings hätten die neuen Werbekunden, die noch keine Erfahrung mit dem Internet haben, relativ wenig Anzeigen im Netz geschaltet und daher nur geringfügig zum Umsatz beigetragen. Angesichts der weiter zunehmenden Internet-Nutzung und der steigenden Zahl von Websites - jedes Jahr werden zwei Millionen neue Domains in Europa registriert - geht Cohen jedoch davon aus, dass die Ausgaben auf absehbare Zeit wieder steigen werden. Vor allem die traditionellen Kunden - Anbieter, die bislang hauptsächlich in klassischen Medien wie Print und Rundfunk Anzeigen schalten - würden in diesem Jahr verstärkt in Internet-Werbung investieren und der Branche "massive Zuwächse" bescheren.

Neue Werbeformen sollen Umsätze ankurbeln

Auch die Experten der Investmentbank Merrill Lynch gehen davon aus, dass sich die Werbewirtschaft im Sommer von den Rückschlägen erholen wird. Zwar rechnen die Analysten nur noch mit einem Umsatzanstieg von 25 Prozent für das laufende Jahr - im vergangenen Jahr hatte Merrill Lynch Wachstumsraten von 45 Prozent vorausgesagt. Dennoch entwickle sich der Markt deutlich besser als in den USA, da er weniger stark von den Werbeinvestitionen der reinen Dotcom-Firmen abhängig sei. Erfolg verspricht man sich unter anderem von plattformübergreifenden Kampagnen, bei denen die Wirkung durch die parallele Schaltung von Anzeigen und Spots in unterschiedlichen Medien verstärkt werden soll.

Große Hoffnungen setzt die Branche aber vor allem in die Einführung neuer Werbeformate: Die sieben vom IAB vorgeschlagenen Bannertypen - etwa das "Wide-Skyscraper"-Banner mit 160 x 600 Pixel im Hochformat oder das überdimensionale Rectangle-Banner - sollen die Umsätze wieder ankurbeln, da sie zu zwei- bis dreimal höheren Preisen vermarktet werden können als herkömmliche Banner. Die neuen Formate bieten zudem deutlich mehr Fläche für die Vermittlung von Werbebotschaften als die bisherigen Standards. Während sich auf den kleinen Bannern nicht mehr als ein Anreiz unterbringen lässt, der den Surfer zum Enthüllen der Werbebotschaft per Mausklick animieren soll, kann auf den neuen Formaten die ganze "Geschichte" erzählt werden, frohlocken die Werber.

Interaktivität und Markenbindung

Zudem lassen sich die neuen Werbeflächen besser mit interaktiven Elementen und Animationstechniken wie Flash und Video aufpeppen. Auf diese Weise können Kampagnen schnell auf verschiedenen Werbeträgern gestartet werden - ein Faktor, der angesichts der wachsenden Zahl Web-fähiger Endgeräte wie Mobiltelefone oder Settop-Boxen an Bedeutung gewinnt. Die Analysten von Forrester halten interaktive Funktionen für unabdingbar, um einen Dialog mit dem Verbraucher im Rahmen einer zielgruppengenauen Ansprache zu führen. Auch Marktforscherin Minnemann hält das interaktive Potenzial der neuen Formate für erfolgsentscheidend, da den Surfern selbstbestimmtes Handeln besonders wichtig sei: "Die Interaktivität macht das Internet ja gerade interessant."

Ein weiterer Vorteil der neuen Werbeformen ist nach Ansicht von Fachleuten ihre Fähigkeit, zur Markenbildung beizutragen - ein Aspekt, der in der Online-Werbung wegen der fehlenden gestalterischen Mittel bislang zu kurz kam. Das so genannte Branding gilt angesichts der Informationsflut im Netz mittlerweile jedoch als Schlüssel zur Kundengewinnung und -bindung. "Die herkömmlichen Formate reichen nicht aus, um eine Marke aufzubauen", meint Doubleclick-Chef Arndt Groth. Banner seien bislang nur als Direkt-Marketing-Instrument eingesetzt worden und zielten ausschließlich darauf ab, Response zu generieren. Die Bedürfnisse der großen Markenartikler seien dabei außer Acht gelassen worden. "Im Gegensatz zu Rundfunk und Print konnte das Internet ihren Wünschen nicht gerecht werden", so Groth. Die neuen Web-Anzeigenformate seien dagegen in der Lage, an die Erfolge der klassischen Werbung anzuknüpfen, da sie mehr Raum für Kreativität und Emotionalität böten.

Mehr Ähnlichkeit mit klassischer Werbung

"Dadurch, dass Radio und Fernsehen zunehmend online übertragen werden, wird der User die einzelnen Medien in einigen Jahren kaum noch unterscheiden können", meint auch der Media-Experte Scharnhorst. Bevor Online-Werbung die klassische Reklame ersetze, müsse sie ihr aber noch ähnlicher werden.

Anbieter wie AOL, Sun oder Oracle haben bereits angekündigt, die großflächigen Werbefenster in ihre Sites zu integrieren. Ob die neuen Standards jedoch allgemein so gut ankommen, wie die Werbebranche hofft, wird sich noch zeigen. Schließlich müssen die Site-Betreiber ihr Web-Design an die umfangreichen Formate anpassen und längere Ladezeiten in Kauf nehmen. Laut Groth hängt die Akzeptanz der Werbeformen daher auch vom Anbieter ab: "Suchmaschinen, bei denen es darauf ankommt, dass die Seiten sehr schnell laden, müssen natürlich restriktiver an die Sache herangehen."