Neue Entlassungswelle steht bevor Mit Personalabbau will IBM Turnaround schaffen

09.07.1993

FRAMINGHAM (IDG) - Der Anfang 1993 von der IBM angekuendigte Stellenabbau um 25 000 Beschaeftigte wurde von Branchenkennern unisono als nicht ausreichend eingestuft. Allerdings duerfte die jetzt von Analysten kolportierte Reduktion um bis zu 70 000 Jobs bis zum Ende dieses Jahres viele ueberraschen. Big Blue nimmt keine Stellung zu den Geruechten, entschieden sei noch nichts, hiess es aus Armonk.

"Ende 1993 werden 70 000 Leute weniger bei der IBM arbeiten", prognostiziert beispielsweise Sam Albert, ein Analyst aus Scarsdale, New York. Auch Robert Puffer, Analyst bei der Gartner Group, geht von einem nachhaltigen personellen Aderlass bei Big Blue aus: "Die Zahlen, die wir gehoert haben, reichen bis zu 72 000 Mitarbeiter." Fuer die IBM-Kunden bedeute das, dass sich die Vertriebs- Support- und Marketing-Abteilungen eventuell erst 1995 stabilisieren werden, fuegte der Analyst hinzu.

Das "Wall Street Journal" berichtete dagegen, dass die Armonker noch in diesem Jahr 50 000 Stellen streichen wollen. Die dabei entstehenden Kosten werde die IBM durch eine Sonderabschreibung in Hoehe von zwei Milliarden Dollar auffangen. Findet ein Personalabbau in dieser Groessenordnung statt, sinkt die Zahl der insgesamt Beschaeftigten auf 250 000. Noch 1985 standen 405 000 Angestellte und Arbeiter auf der Lohnliste von Big Blue. Nachhaltige

Veraenderungen sind auch in der Line of Business Personal Systems (siehe Bericht auf Seite 5) und in der englischen Dependance des Rechnerherstellers (siehe Seite 6) geplant.

Obwohl die Prognosen der Analysten von seiten der IBM nicht offiziell kommentiert werden, erklaerten Sprecher des Rechnerherstellers: "Wir wissen seit mehreren Monaten, dass mehr Beschaeftigte gehen muessen als die urspruenglich angegebenen 25 000. Wir wissen aber nicht, wie viele mehr." Einige der Betroffenen - vor allem in Hudson Valley, New York - wurden zwar entlassen, die meisten der heutigen Ex-IBMer beugten sich allerdings dem Druck, und nahmen die Programme zum freiwilligen Ausstieg an. Sie kehrten Big Blue den Ruecken, nachdem sie eine satte Abfindung in der Tasche hatten.

Die grosszuegigen Programme, die die Armonker pro ausscheidenden Mitarbeiter rund 100 000 Dollar gekostet haben sollen, liefen allerdings zum 30. Juni dieses Jahres aus. Wie viele Mitarbeiter bisher freiwillig die IBM verlassen haben, stehe noch nicht fest, erklaerten die Sprecher des Konzerns weiter.

Gerstner sucht Rat

bei Industrieanalysten

Eine andere Quelle innerhalb des Unternehmens erklaerte gegenueber der CW-Schwesterzeitschrift "Computerworld", dass der neue Chairman Louis Gerstner sich durchaus dafuer entscheiden koenne, mehr als

25 000 Leute an die Luft zu setzen. Er und sein Team seien zur Zeit dabei, die verschiedenen Lines of business daraufhin abzuklopfen. Definitive Entscheidungen seien allerdings noch nicht getroffen.

Zur Zeit sucht Gerstner offenbar den Rat von Industrieanalysten und Beratern. In typischerweise halbstuendigen Meetings frage er diese Ratgeber nach den Schwaechen und Staerken der IBM. Die Antworten halte er in Notizen fest, berichten Insider. "Verstaendlicherweise lernt er noch", meinte einer der geladenen Experten, der, wie die anderen Berater auch, gebeten wurde, nichts ueber die Treffen verlauten zu lassen. "Er macht den Job erst seit drei Monaten, deshalb waere es verfrueht, bereits jetzt mit Entscheidungen zu rechnen", erklaerte der Mann.

Einige Beobachter erwarten jedoch, dass Gerstner Teile seiner Strategie innerhalb der naechsten sechs Monate veroeffentlichen lassen wird. "Die bisherigen Aktionen geben uns einige Hinweise auf das, was er moeglicherweise denkt", sagte Bob Djurdjevic, langjaehriger IBM-Analyst und President von Annex Research, als Gerstner die Ernennung von Jerome York zum Chief Financial Officer der Armonker bekanntgab. Der neue Mann war vorher Finanzdirektor beim Automobilhersteller Chrysler und habe Erfahrungen beim "Abspecken von Unternehmen", fuegte Djurdjevic hinzu.