Organisationsprogrammierer stehen noch auf Platz Eins bei den Stellenangeboten, aber:

Neue DV-Konzepte verändern die Berufsbilder

22.09.1989

"Der Organisationsprogrammierer ist auch 1989 der gefragteste EDV-Beruf", konstatiert das Münchner Control Data Institut in seiner jüngsten Auswertung von Stellenangeboten, die im ersten Quartal in der FAZ, SZ, Welt und der COMPUTERWOCHE erschienen. Tatsächlich suchen die meisten Unternehmen einen Spezialisten mit Know-how in Big Blues Betriebssystemwelten und einschlägigen Erfahrungen mit SAP-Anwendungen. Wie Exoten nehmen sich jene Rubrikanzeigen aus, in denen Strategen gefragt sind - der/ die Informationsmanager(in), EDV-Manager(in), DV-Koordinator(in)... Hinter diesen Positionsbezeichnungen verbirgt sich zumeist eine Erkenntnis, die sich zunehmend auch bei mittelgroßen Unternehmen durchsetzt: Datenverarbeitung ohne ein organisatorisches Gesamtkonzept ist auf Dauer lediglich Flickschusterei, mit der von Release zu Release die Löcher in der Informationsverarbeitung notdürftig gestopft werden.

Werner Burum, DV-Leiter bei der Bomag GmbH, Boppard

Die Bomag GmbH hat wie viele Unternehmen vergleichbarer Größenordnung die Koordination von individueller Datenverarbeitung und zentraler DV in der Vergangenheit etwas schleifen lassen. In allen Fachabteilungen wurden PCs angeschafft. Derzeit sind etwa 40 IBM- und IBM-kompatible PCs in Betrieb, die zum Teil über ein Breitbandnetz unter Novells Netware miteinander verbunden sind.

Die Mitarbeiter, die sich teilweise selbst geschult hatten, entwickelten auf diesen PCs in Eigenregie Fachabteilungslösungen. Vieles ist damit im Verantwortungsbereich der Fachabteilungen entstanden. Die anfängliche Euphorie bei den Mitarbeitern hat jedoch immer mehr der Ernüchterung Platz gemacht: Man hat einsehen müssen, daß nicht nur ein PC und Programmierkenntnisse erforderlich sind, sondern auch der Zugriff auf die Daten des Unternehmens.

Über einen Filetransfer greifen die selbstentwickelten Lösungen zwar auf Datenbestände des Hosts zurück - als Zentralrechner arbeitet bei uns eine 4381 unter MVS/ESA, die im nächsten Jahr durch eine 3090 abgelöst werden soll - aber hierzu ist die Erstellung von Host-Programmen (Siros) durch die zentrale Datenverarbeitung erforderlich.

Mit Hilfe der neugeschaffenen Funktion des Beraters/Koordinators, die unserem Bereich Informationsverarbeitung zugeordnet ist, wollen wir diese organisatorischen Probleme angehen. Der neue Mitarbeiter soll die Kommunikation zwischen den Fachabteilungen und der DV-Abteilung beleben und den Fachabteilungen als Ansprechpartner für ihre Probleme zur Verfügung stehen. Von dem neuen Mitarbeiter wird eine hohe Kommunikationsbereitschaft erwartet, denn er soll auf die Mitglieder der Fachabteilungen zugehen. Wir wollen diese Funktion auf keinen Fall als Gängelungsinstrument etablieren, sondern betrachten sie vielmehr als Dienstleistung.

Vor vielen Jahren gab es bei uns eine interne Festlegung, der zufolge Soft -und Hardware im PC-Bereich eingesetzt werden soll. Diese Festlegung ist der fortschreitenden Entwicklung nicht angepaßt worden. Nur an der damaligen Festlegung auf IBM-kompatible PCs haben wir festgehalten. Im Anwendungsbereich entschieden wir uns für "Open Access". Damit befinden wir uns derzeit meiner Meinung nach in einer Sackgasse: Es gibt nämlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Ankündigung, daß Open Access über Endbenutzerschnittstellen wie Presentation Manager oder Windows verfügen wird. Im Bereich der Bürokommunikation haben wir seit ungefähr zehn Jahren ein Textsystem installiert, das im weltweiten Unternehmensverbund arbeitet. Wir möchten dieses veraltete System dem neuesten Stand der Entwicklung anpassen - wie zum Beispiel die Integration von Grafikfunktionen.

Unsere Abteilung Informationssyteme ist in zwei Bereiche untergliedert: Zum einen haben wir den Bereich des Rechenzentrums, dem die Systemprogrammierung und die individuelle Datenverarbeitung zugeordnet sind. Der zweite Bereich ist für die Anwendungsentwicklung zuständig. Die Stelle eines Koordinators für den Bereich individuelle Datenverarbeitung einzurichten oder im Unternehmen einen Benutzerservice zu etablieren, ist meiner Meinung nach ein Trend, der sich immer stärker abzeichnet. Die Anforderungen an eine zentrale Informationsverarbeitung werden immer differenzierter.

Manfred Lahner, Mitarbeiter im Bereich Technologie und Betriebswirtschaft beim IAB,

Nürnberg

Die Leitungsfunktionen im DV-Bereich nehmen mit der Größe und Komplexität der DV-Organisation zu. Dort entstehen immer mehr Berufsbilder, bei denen die reine Fachkenntnis durch Führungskompetenz verdrängt wird. Der DV-Leiter steigt in vielen Unternehmen vom Gruppenleiter im Bereich der Datenverarbeitung in die Führungsebene auf. Für diesen Fall stellt sich die Frage, welchen Stellenwert die Systemanalyse und Programmiertätigkeit gegenüber der Organisation hat, denn trotz dieser neuen Führungsfunktion kann ein Unternehmen keinen fachfremden Mitarbeiter mit solchen Aufgaben beauftragen.

Für die DV-Führungsposition gibt es kein klassisches Ausbildungsprofil. Vom Datenverarbeitungskaufmann bis zum Informatiker kommt hier grundsätzlich jeder in Frage. Darüber hinaus gibt es viele Seiteneinsteiger, die sich als Spezialisten aus anderen Fachbereichen, wie dem Ingenieurswesen oder der Betriebswirtschaft, in die Datenverarbeitung eingearbeitet haben.

Außerdem sind zwar in jedem Fall Informatikkenntnisse erforderlich, aber nicht unbedingt ein einschlägiges Studium. Von den derzeitigen DV-Leitern haben sicherlich die wenigsten eine Informatikausbildung.

Die kamen entweder aus dem kaufmännischen Bereich und waren dann am Aufbau der DV-Abteilung beteiligt - aus diesen Erfahrungen haben sie ihr Wissen bezogen. Später sind sie dann zum DV-Leiter aufgestiegen. Damals gab es diese einschlägigen Studiengänge noch gar nicht.

Ob der herkömmliche DV/Org.-Leiter diese Aufgaben erfüllen kann, hängt im wesentlichen davon ab, wie diese neue Führungsposition definiert ist. Soll der Mitarbeiter in jeder Sachfrage kompetent sein oder soll er bei Entscheidungen mehr die Schiedsrichterfunktion übernehmen - nach dem Motto: "Ein Schiedsrichter muß nicht der beste Fußballspieler sein"? In diesem Fall muß er nur wissen, welcher seiner Mitarbeiter am besten für bestimmte Aufgaben geeignet ist. Darüber hinaus sollte er natürlich ein Grundverständnis von der Datenverarbeitung haben, um Entscheidungen fällen zu können. Im DV-Bereich spielen, wie woanders auch, vor allem die individuellen Führungsqualitäten mindestens eine ebenso große Rolle wie die Fachqualifikation.

Heute entstehen mit den neuen Technologien auch neue Berufsbezeichnungen, wie die des Informationsmanagers. Es bleibt jedoch die Frage, wieviel von den Aufgaben, die

sich mit solchen Bezeichnungen verbinden, schon längst vom herkömmlichen DV/Org.-Leiter erledigt werden. Das Klappern gehört auch hier zum Handwerk. lch glaube nicht, daß

grundsätzlich neue Berufe entstehen, sondern daß sich die Inhalte der alten Berufe ändern. Nicht mit jedem neuen Begriff ist gleich auch ein neuer Beruf verbunden - da ist Vorsicht

geboten. In unseren Statistiken tummeln sich viele neue Berufsbezeichnungen, ohne daß jemand genau wüßte, was sich hinter den Begriffen verbirgt.

Gleichzeitig befinden sich traditionelle DV-Berufe in einer Phase der Stagnation. So sinkt mit dem Angebot an Standardsoftware die höhere Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen für den Endbenutzer und mit den neuen Tools der Bedarf an Programmierern. Außerdem ist die Datenverarbeitung in zunehmendem Maße dezentralisiert und dienstleistungsorientiert. Damit hängt unter Umständen auch die DV-Arbeitslosigkeit zusammen. In den Unternehmen ist beim DV-Personal eine gewisse Sättigungstendenz zu beobachten. Jetzt hat man ein gewisses technisches Niveau erreicht und ist mit der Konsolidierung beschäftigt. Gefragt sind jedoch nach wie vor Schlüsselqualifikationen, das heißt fachübergreifendes Wissen.

Ralf Gerhardt, EDV-Projektmanager bei der Warner-Communications-Tochter Record

Service, Alsdorf

Die Stelle des Manager, für EDV-Strategie ist bei uns als Stabsstelle konzipiert, die aus der Diskussion zwischen EDV und Geschäftsleitung heraus entstand. Der neue Mitarbeiter wird dem Hauptabteilungsleiter EDV zugeteilt. Unser EDV-Manager ist wiederum direkt dem Geschäftsführer unterstellt. Diesem Hauptabteilungsleiter sind wiederum fünf sogenannte Bereichsorganisatoren für die Finanzbuchhaltung, die Personalabteilung, die

Technik, Distribution und die Produktkoordination zugeordnet. Diese Mitarbeiter sind für die Koordination zwischen Fachabteilung und EDV verantwortlich. Dazu gehört auch die Anwenderschulung.

Ich selbst arbeite in der Stabsstelle Projektplanung und bin auch für die Hardware-Planung zuständig. In dieser Position kümmere ich mich vor allem um die Belange der Anwenderbereiche, das heißt ich erfasse die Anforderungen der Fachabteilungen an die EDV und ordne ihnen Prioritäten zu. Damit werde ich mit dem neuen Mitarbeiter eng zusammenarbeiten, um die Planung zu koordinieren.

Die tägliche Routinearbeit lastet die EDV-Mitarbeiter derart aus, daß im Organisations- und Planungsbereich bis jetzt wenig getan werden konnte. Zum Beispiel benötigen wir neue Konzepte und Systeme, um bereits vorhandene Abläufe zu optimieren. Meiner Meinung nach ist hier ein Defizit vorhanden.

Der neue Mitarbeiter soll nicht nur den EDV-Manager, sondern das gesamte EDV-Management - also Abteilungs- und Bereichsleiter - in solchen strategischen Fragen beraten und Lösungsvorschläge unterbreiten. Dazu gehört auch der Kontakt zu anderen Anwendern, um von ihren Erfahrungen im Distributionsbereich zu profitieren. Auch sollte er den Kontakt zum Hersteller, in unserem Fall Wang, halten und sich dort über die neuesten Entwicklungen informieren.

Wir sind ein Schallplattenherstellungswerk mit zwei Fabriken. Als Konzernbetrieb benötigen wir einen engen Kontakt zur Zentrale mit Sitz in London. Zusätzlich haben wir das Distributionssystem für die deutschen Vertriebsgesellschaften im Haus. In Deutschland haben wir direkt die Distributioren beliefert und darüber hinaus von unserer Fabrik aus weltweit Konzerntöchter versorgt. Im Zuge des EG-Binnenmarktes haben wir damit begonnen, unsere Produkte auch europaweit direkt an die Endverbraucher zu liefern. Die Distribution ist damit bei uns zentralisiert. Unsere Informationsverarbeitung muß diesen Aufwand verarbeiten.

In unserem Rechenzentrum stehen zwei Wang-Systeme der Serie VS 7310 für die Produktion und Distribution, eine VS 100, auf der Verwaltungssysteme laufen und eine VS 65 für die Entwicklung. Auf dieses System greift auch noch unsere zweite Fabrik in Schleswig-Holstein zu, weil dort nur ein kleiner Rechner für die Entwicklung zur Verfügung steht. Auch die Vertriebsgesellschaften in Hamburg nutzen die Daten unserer zentralen Rechner.

Insgesamt haben wir etwa 60 PCs im Einsatz, die zum größten Teil an die zentralen Rechner angeschlossen sind. Wir verfügen bislang noch nicht über ein eigenes PC-Netz, einige der Geräte arbeiten auch noch im Stand-alone-Betrieb. Wir denken zum Beispiel darüber nach, ob es nicht sinnvoll ist, einen Teil der Anwendungen über ein PC-Netz laufen zu lassen. Damit stellt sich die Frage, welches Netz und welche Software hier eingesetzt werden sollten. Darüber hinaus diskutieren wir zur Zeit eine Reihe anderer Fragen, etwa die Wahl eines anderen Hardware-Herstellers, ob wir uns für Standardsoftware entscheiden oder mit der eigenen Entwicklung beginnen sollen. Diese Probleme sind grundsätzlicher Natur, aber für ihre Lösung ist im Tagesbetrieb einfach keine Zeit.

Günther Wyppler, Verwaltungsleiter bei der Krankenhausbetriebsgesellschaft

Bad Oeynhausen GmbH

Wir suchen einen qualifizierten Mitarbeiter, der unsere gesamten DV-Aktivitäten koordiniert und ein zukunftsorientiertes Konzept entwirft, um diesen Bereich den neuen Entwicklungen anzupassen. Dieser Mitarbeiter soll sowohl im EDV- als auch im Organisationsbereich kompetent sein. Auch sind Kenntnisse speziell im Gesundheitswesen und des amerikanischen DV-Marktes erwünscht. Die meisten Bewerber waren Organisationsprogrammierer, die mehr EDV-spezifisch ausgerichtet waren und meist nicht aus dem Gesundheitsbereich kamen.

Zunächst sollte der neue Mitarbeiter eine Bestandsaufnahme machen um dann mit der entsprechenden Marktkenntnis ein Gesamtkonzept zu entwerfen. Im Idealfall sollte unser Kandidat ein Doppelstudium Betriebswirtschaft und Informatik abgeschlossen haben. Der künftige Mitarbeiter wird direkt der Geschäftsführung unterstellt sein.

Wir haben uns für den Begriff Informationsmanager entschieden, weil der klassische Terminus DV/Org.-Leiter nach meinem Verständnis nicht alle Bereiche abdeckt und mehr im Bereich Rechenzentrum angesiedelt ist. Bei der ausgeschriebenen Position geht es jedoch um die Entwicklung eines zukunftsweisenden Gesamtkonzeptes, bei dem ein Schwerpunkt auf dem Sektor Kommunikation liegt.

Bislang gab es bei uns keinen übergeordneten DV-Leiter. Die Organisation der Datenverarbeitung wurde zum Teil vom Geschäftsführer mit übernommen. Auch ich habe mich in meiner Funktion als Verwaltungsleiter um die Belange der Informationsverarbeitung gekümmert. Allerdings wurden die hier anfallenden Aufgaben immer buchstäblich nebenher erledigt. Auf Dauer ist ein solches Konzept nicht tragbar.

Gerade der Gesundheitsbereich stellt spezifische Anforderungen an die Informationsverarbeitung, die sich vor allem auf die Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen beziehen. Im Mittelpunkt steht bei uns natürlich immer der Patient. Eine zentrale Datenbank müßte die Patientendaten für Zugriffsberechtigte aus den verschiedensten Bereich wie Diagnose, Labor, EKG oder aus dem Verwaltungsbereich zur Verfügung stellen. Derzeit hat jeder dieser Bereiche seine eigene Datenbank. Ein zentraler Zugriff auf die Daten ist damit nicht möglich.

Stationäre Patientenaufnahme und -abrechnung, die Finanz-, Anlagen- und die Materialbuchhaltung läuft über unser internes Rechenzentrum mit IBM-Systemen. Die Personalabrechnung wird über ein externes Rechenzentrum abgewickelt. Es gibt darüber hinaus verschiedene Subrechner. Zum Beispiel haben wir ein zentrales Schreibsystem im Einsatz und demnächst soll eine gesonderte Labor-EDV angeschafft werden. Außerdem werden in allen Bereichen IBM-kompatible PCs eingesetzt, die teils über Emulation an Hosts angeschlossen sind, teils im Stand-alone-Betrieb laufen. Es gibt also eine Vielzahl verschiedener Systeme ohne ein Gesamtkonzept.

Im Mittelpunkt eines zukünftigen Konzepts soll eine zentrale Datenbank stehen. Darüber hinaus planen wir die Installation von PC-Netzen, vor allem im Ambulanzbereich, weil hierfür bereits gute Anwendungspakete auf dem Markt sind. Diese Subnetze sollten wiederum an einen Host angeschlossen sein. Wir haben viele Ideen für das Gesamtkonzept die aber alle noch nicht ausgereift sind.