Herstellergruppen streiten um das Protokoll und den Stecker

Neue Display-Standards stiften Verwirrung

21.05.1999
Von CW-Mitarbeiter Martin Bayer MÜNCHEN (CW) - In der Computerbranche bahnt sich ein neuer Streit an. Diesmal geht es um den zukünftigen Standard, der die digitale Verbindung zwischen dem Rechner und Flachbildschirmen regeln soll. Wie das künftige Protokoll und die Stecker aussehen werden, steht im Augenblick noch in den Sternen. Leidtragende sind wieder einmal die Anwender, denen momentan keine der Lösungen zu empfehlen ist.

Wenn es nach dem Willen der meisten Grafikkarten- und Flachbildschirmhersteller geht, hat die gute alte Video-Graphic-Array- (VGA-)Schnittstelle ausgedient, zumindest bei der Ansteuerung der neuen digitalen Liquid-Chrystal- (LC-)Displays.

Das Problem des 15poligen VGA, dessen Spezifikationen IBM Anfang der 80er Jahre definiert hat und das bis heute praktisch ohne Veränderungen seinen Dienst tut, ist die Art der Signale. Denn während die herkömmlichen Röhrenmonitore auf das analoge Signal warten, das die Grafikkarte über einen Digital-Analog- (D/A-)Wandler erzeugt, brauchen die Flach-Displays ein digitales Bildsignal. Deshalb muß ein zweiter A/D-Wandler im Bildschirm aus den analogen Informationen wieder ein digitales Signal bilden.

Doch dieser umständliche Weg hat den digitalen Bildschirmen in ihrer Geburtsstunde sehr geholfen. Durch die einheitliche VGA-Schnittstelle war garantiert, daß jedes Display an jede Grafikkarte angeschlossen werden konnte. Diese Kompatibilität schuf Vertrauen und Sicherheit bei Anwendern.

Das soll jetzt anders werden. Nach zwei, drei ruhigen Jahren, in denen Übertragungen auf analogem Weg gut funktioniert haben, wollen verschiedene Organisationen alles umkrempeln. Das Motto: Eine digitale Verbindung muß her. Doch von einem einheitlichen Standard ist der Markt weit entfernt.

Zwei große Lager stehen sich gegenüber, die jeweils ein anderes Protokoll bei der digitalen Datenübermittlung zum Display favorisieren: auf der einen Seite das Low-Voltage-Differential-Signaling-(LVDS-)Protokoll, das von National Semiconductor, Texas Instruments und SGI unterstützt wird, und auf der anderen das Transition-Minimized-Differential-Signaling- (TMDS-)Protokoll, das auf dem Panel-Link-Protokoll von Silicon Image basiert und das sich Intel, Compaq und die meisten Monitor- und Grafikkartenhersteller auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Vorreiter der TDMS-Bewegung ist die Video Electronics Standards Association (Vesa). Dieser Vereinigung gehören fast alle Monitor- und Grafikkartenhersteller an.

Doch der "Plug & Display"- (P&D-)Standard, an dem die Vesa seit Anfang letzten Jahres bastelt, kommt nicht so recht voran. Bis heute gibt es keine Spezifikationen, wie dieser P&D-Standard arbeiten soll.

Die Verzögerungen schürten Unruhe. Die Folge davon: Unzufriedene und ungeduldige Hersteller kehrten der Vesa den Rücken und gründeten eigene Interessengruppen. Eine davon ist die Digital-Flat-Panel-(DFP-)Group. Ihr gehören unter anderen Unternehmen wie Compaq, Fujitsu, Elsa oder Matrox an. Große Unterschiede zur Vesa bestehen nicht. Das TMDS-Protokoll wurde beibehalten. Neu ist, daß sich die Mitglieder auf die Spezifikation eines Steckers einigen konnten. Seit Ende März gibt es den DFP-Standard, den inzwischen auch die Vesa mangels eines eigenen Ergebnisses zähneknirschend anerkennen mußte.

Das vorrangige Ziel, schnell einen Standard auf den Markt zu werfen, hat die DFP-Gruppe erreicht. "Es mußte einfach etwas passieren", meint Lutz Möhr, Geschäftsbereichsleiter bei Elsa. Einige Grafikkarten des deutschen Herstellers werden in Zukunft mit zwei Buchsen ausgestattet sein: der herkömmlichen 15poligen VGA-Schnittstelle und dem neuen 20poligen digitalen Flachbildschirmanschluß. Damit ist gewährleistet, daß Anwender auch ihren alten Röhrenmonitor an die neuen Karten anschließen können. Das ist wichtig, meint Möhr, denn Monitore sind eine längerfristige Anschaffung, und niemand wird seinen Bildschirm wegwerfen, wenn er sich eine neue Grafikkarte kauft. Die Kompatibilität muß gewahrt bleiben.

Doch Möhr warnt auch vor zu großen Erwartungen. Die Verbesserungen mit dem digitalen Anschluß seien nur minimal, meint er kritisch. Der Elsa-Manager sieht die Entwicklung sehr pragmatisch. Nach seiner Ansicht war es sinnvoll, endlich einen Standard zu verabschieden, doch die Zukunft kann wieder ganz anders aussehen.

Die Digital Display Working Group (DDWG) unter der Führung von Intel arbeitet mit dem gleichen Standard, sucht jedoch eine andere Lösung. Das Digital Visual Interface (DVI) basiert ebenfalls auf dem TMDS-Protokoll, soll aber mit einem einzigen Stecker für alle Bildschirme - digitale und analoge - auskommen. Der Monitor sucht sich dann über die entsprechende Buchse die Signale heraus, die er braucht. Dieses Ziel ist sicher erstrebenswert, meint Bernhard Bender, Abteilungsleiter bei Elsa, doch obwohl die Spezifikationen für DVI schon feststehen, wird es noch eine ganze Weile dauern, bis die ersten Produkte auf den Markt kommen. Und dann wird es erst einmal Verwirrung geben, sagt Bender voraus. Wo schließen Anwender jetzt ihren alten Röhrenmonitor an? Wo kriegt man den notwendigen Adapter her? Zum Glück bildet das TMDS-Protokoll eine gemeinsame Basis, meint der Elsa-Mann. So müssen die Adapter nur die physikalischen Unterschiede der Stecker und Buchsen überbrücken und bleiben deshalb auch erschwinglich.

Wo die ganze Entwicklung letztendlich hinführen wird, liegt für Bender noch im Nebel. Das Ganze wird noch Jahre dauern, glaubt auch sein Elsa-Kollege Möhr. "Und das nächste Jahr werden die Firmen nur mit Diskussionen verbringen", merkt er sarkastisch an.

Der Qualitätsvorteil der digitalen Verbindung ist nicht so berauschend, muß auch Bender einräumen. Bei einem guten Display, einer guten Grafikkarte und einem guten Kabel kann auch eine analoge Verbindung hochwertige Bilder liefern. Außerdem sind die heutigen A/D- und D/A-Wandler so leistungsstark, daß kaum noch Qualitätsverluste zu beobachten sind.

Das sieht Alexander Dietz, Systemingenieur bei SGI, ganz anders. Bei der Übermittlung eines analogen Signals kann es immer wieder zu Störungen kommen, so daß der Flachbildschirm nicht genau weiß, welches von zwei benachbarten Pixel er ansprechen soll. Dadurch entsteht ein teilweise verschwommenes Bild. Mit dem digitalen Signal könne man dagegen jedes Pixel direkt und eindeutig anpeilen, erklärt Dietz.

SGI favorisiert mit bei der Übermittlung der digitalen Daten LVDS ein anderes Protokoll als TMDS. Kritikpunkt am Konkurrenzprotokoll ist zum einen die Tatsache, daß dieses keinen offenen Standard darstellt. So müssen alle Hersteller, die TMDS einsetzen, Lizenzgebühren in Höhe von 25000 Dollar an Silicon Image zahlen, das mit Panel Link die Grundlage von TMDS entwickelt hat. Der zweite Kritikpunkt ist die zu geringe Auflösung, die man mit TMDS erreichen kann. Die SXGA-Auflösung mit 1280 x 1024 Bildpunkten entspricht laut Dietz nicht den Qualitätsansprüchen von SGI. Mit dem offenen Open-LDI-Standard, der auf dem LVDS-Protokoll basiert, seien Auflösungen bis QXGA (2048 x 1536) möglich.

Wenn man den neuen Ankündigungen von Silicon Image Glauben schenkt, holt das Unternehmen mit Panel Link jedoch auf. Die neuesten Chips sollen laut Hersteller Auflösungen bis UXGA (1600 x 1200) erlauben.

Wohl im Hinblick auf diese Entwicklung beobachtet man bei SGI den Markt sehr genau. Sollte sich ein anderer Standard etablieren, der den eigenen Qualitätsansprüchen genüge, werde sich wohl auch SGI umorientieren. "Wenn Elsa, Matrox und die anderen den neuen Standard unterstützen, wären wir blöd, wenn wir das Interface am Flat-Panel nicht ändern würden", meint Dietz.

Mit SGI würde die Video-Interface-Consortium-International- (Vici-)Group einen wichtigen Verbündeten verlieren. National Semiconductor, der Entwickler des Open-LDI-Standards und Fahnenträger der Vici-Gruppe, versucht zu retten, was zu retten ist. Thomas Wirschem, Applikationsingenieur bei Natsemi, verrät, daß die Produktion des neuen Chipsatzes, der alle hohen Auflösungen beherrschen soll, in den nächsten Wochen auf vollen Touren anlaufen wird. Damit könne sein Unternehmen im Gegensatz zur Konkurrenz konkrete Produkte vorweisen. Die Vorteile des Open-LDI-Standards, der mit einem 36poligen Stecker arbeitet, liegen unter anderem in den Kabeln. So könne man mit einem einfach abgeschirmten Kabel Entfernungen bis zu 20 Metern überbrücken, während bei TMDS hohe Arbeitsfrequenzen eine teure Einzelabschirmung der Kabelstränge erfordere und auch nur geringe Entfernungen zwischen Rechner und Flachbildschirm zulasse. Und der beste Beweis für die Vorteile von LVDS sei, daß über 90 Prozent aller Notebooks dieses Protokoll benutzen, um das Display anzusteuern.

Ob Vici diese Argumente zum Sieg verhelfen werden, darf bezweifelt werden. Denn meist gewinnt der, der am lautesten trommelt. Und das sind in diesem Fall die anderen von DFP und DDWG.

Die Anwender werden vorerst von der neuen digitalen Technik nicht viel haben. Bei den Preisen wird sich nach übereinstimmender Meinung nicht viel ändern. Zwar werden die Wandler überflüssig, die als Massenprodukte sowieso kaum ins Gewicht fallen, doch dafür kommen teurere Kabel und zusätzliche Buchsen an der Grafikkarte hinzu. Das einzige, was der Anwender ernten wird, sind Kopfschmerzen bei der Frage, was er sich nun eigentlich kaufen soll.

Die einzig vernünftige Antwort darauf lautet: abwarten. Die analoge Leitung zum Display funktioniert, und das gar nicht so schlecht. Und außerdem empfiehlt es sich zu warten, welcher Standard mit welchem Protokoll und welchem Stecker sich letztendlich durchsetzen wird.

Glossar

OrganisationenDDWG: Digital Display Working GroupDFP: Digital Flat PanelVESA: Video Electronics Standards AssociationVICI: Video Interface Consortium International

StandardsDFP: Digital Flat PanelDVI: Digital Visual InterfaceOpenLDI: Open LVDS Display InterfaceP&D: Plug & Display

ProtokolleLVDS: Low Voltage Differential SignalingTMDS: Transition Minimized Differential Signaling