IDC kommentiert Web-Strategie

Neue Chance fuer Microsoft mit AOL-Allianz und OLE-Konzept

22.03.1996

"Active X scheint ein Etikettierungsversuch zu sein, der darauf abzielt, den Proprietaetsstempel, den OLE traegt, loszuwerden", so die These der IDC-Analysten David Card, Ted Julien und Michael Sullivan-Trainor. "Ausserdem soll die Massnahme offenbar Skeptiker davon ueberzeugen, dass Microsoft Web-Technologie und Java ernst nimmt." Active X gilt als Pendant zu Netscapes Plug-in-Architektur. Dabei wird OLE jedoch lediglich um einige neue Web-orientierte Interfaces aufgeruestet, mit denen etwa ab Mitte dieses Jahres zu rechnen ist (siehe auch Seite 21: "Mit Active X greift ..."). Neu ist etwa das Programmier-Interface "Sweeper" fuer Browser und die MS-Client-Betriebssysteme.

Die Zusammenarbeit mit America Online, die unter anderem die Integration eines AOL-Icons in Windows 95 vorsieht und Microsofts "Internet Explorer" zum Primaersystem der AOL-Kundschaft macht, ist laut IDC fuer beide Seiten ein lohnendes Geschaeft. Allerdings staunen die Analysten, dass Microsoft bereits nach so kurzer Zeit entschlossen zu sein scheint, den eigenen Online-Dienst Microsoft Network zu Grabe zu tragen. Dieser radikale Sinneswandel lasse sich wohl nur mit gestiegenem Web-Fieber erklaeren.

Die erste Herausforderung, die auf Microsoft wartet, ist mit Explorer 3.0 zu bestehen, dem Aequivalent zum "Netscape Navigator". Es ist der erste MS-Browser, der nicht auf der Technik der Spyglass Inc. basiert. Die Hauptfunktionen des Produkts sind in OLE-Komponenten gegossen und bilden einen OLE-Container. Damit ist es moeglich, WebFunktionen als Add-ons in Windows-95- und Windows- NT- Workstations zu integrieren.

<H4>Kartellwaechter reagieren auf den AOL-Deal</H4>

Bereits Ende des Jahres will Microsoft den Browser in das Desktop- Betriebssystem Windows 95 integriert haben. Das allerdings koennte den Widerspruch der obersten US-amerikanischen Kartellbehoerde, des Justice Department, hervorrufen. Die Justizbehoerde sah bereits Gefahr im Verzug als der AOL-Icon angekuendigt wurde.

Laut Microsoft dient es nur dem Interesse der Anwender, wenn der Zugang zum World Wide Web vereinfacht wird. Der Anwender muesse das Gefuehl haben, er arbeite auf einem lokalen System. "Das stimmt natuerlich", so IDC. Doch sei das nicht die primaere Motivation fuer Microsoft. Der Softwaregigant wolle seine Dominanz im Desktop- Geschaeft absichern und versuche nun, den Gegner Netscape auf den zweiten Rang zu verweisen.

Zu den weiteren Highlights der neuen Internet-Strategie von Microsoft zaehlen laut IDC die "Active Control Wrappers", ein Lizenzierungsabkommen mit Sun sowie Sicherungsmechanismen im Internet. Die Active Control Wrappers sollen sowohl OLE- und Java- Komponenten als auch Netscape-Plug-ins aufnehmen koennen. Die Ankuendigung eines Java-Toolsets mit dem Codenamen "Jakarta" wurde erneuert. Laut IDC wird Microsoft dabei allerdings das Gewicht weniger auf Java als auf die eigenen Sprachen legen. Die Abwicklung von Geschaeften im Netz soll durch die Moeglichkeit von digitalen Unterschriften sicherer werden. Vorreiter bei der Zusammenarbeit mit Microsoft ist hier die Verisign Inc.

Obwohl die IDC-Analysten den schnellen und in Teilen durchaus ueberzeugenden Wechsel in der Internet-Strategie von Microsoft bewundern, bemaengeln sie, dass es auf der Professional Developers Conference kaum Ankuendigungen zu Techniken fuer die verteilte Verarbeitung in Unternehmen gab.