Wettbewerbsvorteile nicht nur fuer die Grossen

Neue Anforderungen an die Telekommunikations-Berater

02.04.1993

TK-Entscheidungen duerfen vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen nicht ad hoc getroffen werden, sondern muessen gut vorbereitet sein. Da sie weitreichende Bedeutung haben, sind sie in jedem Fall Aufgabe der Geschaeftsleitung.

Die dank der Liberalisierung erweiterten Moeglichkeiten privater Anwender, zum Beispiel im Bereich der unternehmenseigenen Telekommunikations-Netzwerke, sind ein Hauptthema des Arbeitskreises Kommunikationstechnik im BDU, in dem sich vorerst 18 Beratungs- und Softwarehaeuser zusammengeschlossen haben. Diese Firmen verfuegen ueber langjaehrige Erfahrung in der TK-Beratung beziehungsweise bei der Erstellung von TK-Software, oftmals noch ergaenzt durch spezifische Branchenkenntnisse.

Die BDU-Mitglieder beobachten seit langem, dass gerade Grossunternehmen die strategische Bedeutung des Wettbewerbsfaktors Telekommunikation erkennen und nutzen. Entsprechend dieser gewachsenen Bedeutung hat sich auch die hierarchische Einordnung der TK-Verantwortlichen in den Anwenderunternehmen gewandelt.

Waehrend frueher die Telekommunikation eine Aufgabe war, die der DV- Chef nebenbei erledigte, treffen die BDU-Berater heute verstaerkt auf TK-Ansprechpartner in der Geschaeftsfuehrungs- oder Vorstandsebene.

Auch stellen die Berater fest, dass diejenigen Unternehmen, die der Telekommunikation einen geringeren Stellenwert einraeumen, dies auch durch die hierarchische Aufhaengung der zustaendigen Stelle dokumentieren. Es liegt jedoch auf der Hand, dass es zum Beispiel fuer einen Gruppen- oder Abteilungsleiter schwierig ist, in seinem Unternehmen die notwendigen Entscheidungen und Veraenderungen herbeizufuehren, auch wenn die fachliche Qualifikation des TK- Beauftragten ueber jeden Zweifel erhaben ist. Auf jeden Fall dauern die Auswahl- und Entscheidungsprozesse relativ lange, was schon im Hinblick auf die angestrebten Wettbewerbsvorteile nachteilig genug ist.

Im Vordergrund steht der wirtschaftliche Nutzen

Die direkten Auswirkungen der Telekommunikation auf die Wettbewerbssituation eines Unternehmens bedeuten andererseits zusaetzliche Anforderungen an die TK-Berater. Sie muessen wie bisher in der Lage sein, die technischen Details zu beurteilen, diese verstaendlich darzustellen und eine schluessige Konzeption zu entwickeln. Darueber hinaus wird von ihnen aber auch verlangt, aufbauend auf der Strategie des Kundenunternehmes, technische Realisierungen zu entwerfen und die Auswirkungen bis hinein in die betriebliche Ablauforganisation zu beruecksichtigen. Anders ausgedrueckt: Der bisher eher technisch orientierte TK-Berater muss die Sprache des Managers beherrschen. Es reicht heute nicht mehr aus, technisch einwandfreie Loesungen zu praesentieren, sondern es muss vorrangig der erkennbare wirtschaftliche Nutzen fuer das Gesamtunternehmen dargestellt werden, und zwar moeglichst auf Vorstandsebene.

Als direkte Konsequenz ergibt sich, dass in Zukunft TK- und Organisationsberatung mehr und mehr zusammenwachsen. Die bisher uebliche Unterteilung wird weitgehend verschwinden. Ausserdem duerften, die Berater bei der Einfuehrung von TK-Loesungen eine groeRolle spielen. Schon heute verlangen viele Unternehmen vor der Vergabe eines groesseren Auftrags die Einschaltung eines unabhaengigen Beraters, der zunaechst die Anforderungen formuliert, ein Konzept unter Beachtung der betrieblichen Rahmenbedingungen erarbeitet und schliesslich die Ausschreibungsphase begleitet sowie deren Ergebnisse auswertet.

Dem fuer Telekommunikation verantwortlichen Entscheidungstraeger kann diese Entwicklung nur recht sein. Er wird unter Hinweis auf die strategische Bedeutung der Telekommunikation vermehrt Kompetenzen in seinem Unternehmen fordern koennen und erhalten. Auch wird er hoehere Qualitaetsansprueche an externe Berater stellen und darauf draengen, dass diese ihm nicht nur technisch sinnvolle, sondern auch langfristig vorteilhafte Loesungen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten praesentieren.

Der BDU, der schon von jeher klassische Unternehmensberater sowie TK- beziehungsweise DV-Berater unter seinem Dach vereint, hat entsprechend reagiert. Gemeinsame Aktionen dieser Gruppen nehmen bereits die in Zukunft alltaegliche Interdisziplinaritaet vorweg. Die TK-Berater im BDU sind es schon heute gewohnt, ihre Konzepte und Realisierungen nach den strategischen Erfordernissen ihrer Kunden auszurichten. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis dieser Wandel in der Wirtschaft, aber auch in den Universitaeten, die den heute zumeist technisch orientierten Nachwuchs im Bereich der Telekommunikation ausbilden, Fuss gefasst hat.

*Roland Gissler ist Referent des BDU e.V. in Bonn, zustaendig fuer den Fachverband Informationstechnik.