Neue Achse: FujituSiemens

07.07.1978

Sechs Jahre wurden verhandelt. Dann war man sich im März zumindest über dies einig: Siemens wird in der EG die Größtrechner des führenden japanischen Computerherstellers Fujitsu vertreiben. Knappe Pressemitteilungen - denn man wollte (noch) keine Schlagzeilen. Das "große Announcement" soll frühestens im Herbst erfolgen. Aus der Absichtserklärung muß zwischenzeitlich ein detailliertes Marketing-Konzept werden.

Fest steht: Fujitsu wird den im OEM-Markt überaus erfolgreichen Siemens-Laser-Drucker ND-2 in sein Produktspektrum aufnehmen, und Siemens wird die in IBM-Systemarchitektur den 3032 und 3033 nachgebauten Jumbos Fujitsu M 180 II (etwa 2,1 Millionen Instruktionen pro Sekunde; etwa 1,8 Millionen Dollar) und Fujitsu M 200 (etwa sieben MIPS, fünf Millionen Dollar) unter dem Siemens-Namen vertreiben, um 7.760-Anwendern (1,3 MIPS; 1,1 Millionen Dollar) Aufstiegsmodelle andienen zu können.

Rosarote Bilder

Ob der große Paukenschlag ("neue deutsch-japanische Achse") tatsächlich bereits nach der Sommerpause kommt, erscheint zweifelhaft, denn zuvor sollen Bridge-Programme zwischen IBMs MVS, Fujitsus Großrechner-Betriebssystem OS-IV-F4 und Siemens' BS 2000 geschrieben werden, um Kompatibilität zu gewährleisten. Ganz ohne Umstellungen wird es dennoch nicht gehen, wenngleich sowohl der führende deutsche wie der japanische Mainframer jeweils mit Regierungshilfen sich dem "Nachbau" verschrieben.

Es ist schon vorauszuahnen, was bei geschickter PR-Arbeit das Presse-Echo sein wird: Von einem "neuen Riesen" wird man sprechen, gewiß von einer "Herausforderung der IBM". "Die führenden nationalen Computer-Hersteller" werden sie geheißen werden, "deren heimische Märkte zusammen zwanzig Prozent Anteil am weltweiten DV-Geschäft haben". Erneut wird zu lesen sein, daß IBM's Marktanteil in der Bundesrepublik Deutschland von nahezu siebzig Prozent Anfang der sechziger Jahre auf (nur) 58 Prozent (1977) zurückging; ja man wird vermutlich in nationalem Überschwange Nixdorfs Erwerb der Entrex-Company und das Siemens-Joint Venture mit Advanced Micro Devices zitieren ("das Pendel schwingt zurück") und die deutschjapanische Kooperation zum Anlaß für rosarote Bilder der nationalen EDV-Zukunft wählen. Dann fehlt nur noch der Hinweis, daß die IBM Deutschland GmbH in ihren deutschen Werken mit deutschen Menschen ja deutsche Computer baue, womit sich der "nationale" Marktanteil schlagartig auf 80 Prozent erhöht. Dergleichen Unsinn gab es ja schon öfter zu lesen.

IBM kann's verkraften

Gewiß ist der Siemens-Vertrieb der Japan-Jumbos sinnvoll. Das Arrangement erlaubt den Münchnern, den ganzen Markt abzudecken, ohne - nach leidigen Konstanzer Erfahrungen - alles selber entwickeln zu müssen. Aber ob dem richtigen Konzept Marketing mit Elan und Manpower folgen wird oder nur eine dahinsiechende Stabsstelle für Alibi-Ausschreibungen, ist zunächst noch offen.

Andererseits: Kein Grund zur Freude. Die Notwendigkeit, auf japanische Fabrikate zurückgreifen zu müssen, dokumentiert, daß dieses Land darauf verzichtet hat. "nationale Großcomputer" bauen zu können.

Und schließlich: Vorsicht vor Augenwischerei. Trotz deutsch-japanischer Kooperation (in einem Randgebiet des Gesamtmarktes) müssen die Relationen im Blickfeld bleiben: Der Siemens-Umsatz Im Bereich Datenverarbeitung dürfte 1977 etwa 1,3 Milliarden Mark betragen haben. Der Gewinn der IBM Deutschland GmbH wurde im gleichen Jahr mit 1,01 Milliarden bilanziert (CW Nr. 24 vom 3. Juni 78), wovon 761 Millionen Deutsche Mark als satte Dividende an die US-Mutter überwiesen wurden.