Learning by doing führt zu Produktivitätseinbußen

Netzwerkbereich: Technologien werden nicht optimal genutzt

04.09.1992

Die zunehmende Akzeptanz von PCs und Standardanwendungs-Software bei Handel, Banken und Industrie setzt neben der fachlichen Qualifikation zunehmend auch DV-Basis- und Spezialwissen voraus. Veränderungen des Marktes und kurze Produktlebenszyklen machen Schulung dabei unverzichtbar. Nach Meinung von Georg W. Rösch * besteht eine eindeutige Diskrepanz zwischen den verfügbaren Technologien und dem Wissensstand der Menschen in den DV-Abteilungen.

Eine Vielzahl neuer und erklärungsbedürftiger Softwareprodukte macht es den DV-Mitarbeitern heute schwer, auf dem laufenden zu bleiben. Ständig kommen neue leistungsfähige Softwareprodukte auf den Markt. Das betrifft vor allem die Verbindung von PCs untereinander, also die Vernetzung sowie die Verbindung von PCs mit der Mini- beziehungsweise Mainframe-Welt. Der permanente Bedarf an Informations- und Wissensvermittlung macht die 90er Jahre zum Jahrzehnt des Trainings, der Schulung und des Supports.

Die vielen neuen Produkte sind aber nur eine Seite der Medaille. Viele Mitarbeiter sitzen heute ohne eine praktische Ausbildung an ihrem PC. Weder Berufsausbildung noch Studium gewährleisten zur Zeit eine aktuelle DV-Zusatzausbildung. Im Bereich Netzadministration und -support existiert überhaupt keine passende Ausbildung. Mitarbeiter dieser Abteilungen sind zum großen Teil Autodidakten und Quereinsteiger. Es fehlt ein definierter und geprüfter Ausbildungsstandard.

Das Training ist oft unprofessionell

Fast überall existieren inzwischen Schulungsunternehmen, die hier gerne aushelfen möchten. Aber allzu häufig leiden sie aufgrund eines unprofessionellen Trainingsangebotes unter einem schlechten Ruf. Einige Softwarehersteller, wie Microsoft, Lotus und Novell, haben sich deshalb autorisierte Trainingspartner ausgesucht.

Eine Vorreiterrolle im Bereich Training nimmt dabei Novell ein. Frühzeitig erkannte man hier, daß zu den erklärungsbedürftigen Netzprodukten auch eine adäquate Ausbildung gehört. Eine eigene Education-Abteilung beschäftigt sich heute parallel zur Produktentwicklung mit der Ausarbeitung von Trainingskursen. Diese bauen aufeinander auf und werden von fachlich sowie didaktisch geprüften Trainern in autorisierten Schulungszentren durchgeführt. Die erfolgreiche Teilnahme an einer Reihe vorgeschriebener Tests führt zum Titel eines Certified Netware Engineer (CNE).

Mit dem CNE-Programm setzt Novell Maßstäbe durch einen definierten und geprüften Ausbildungsstand auf hohem Niveau. Hat ein CNE seinen Titel mit Erfolg erworben, so ist er auch dazu verpflichtet, seinen Wissensstand ständig zu aktualisieren.

Diese Anforderung liegt nahe, denn gerade der Netzwerkbereich ist durch die Diskrepanz zwischen verfügbaren Technologien und dem Wissensstand der Mitarbeiter besonders stark betroffen. Die vorhandenen Produkte werden immer leistungsfähiger und die wachsenden Installationen immer komplexer. Gab es früher einen Fileserver, der mehrere Workstations mit Programmen und Dateien versorgte, so existieren heute heterogene Systeme, die neben File- und Print-Services auch Communication-, Datenbank-, Fax- und Backup-Services bereitstellen. Dazu kommen heterogene Verkabelungskonzepte, die Verbindung unterschiedlicher Systeme (Unix, OS/2, Macintosh), Mainframe- und AS/400-Anbindungen sowie verschiedene Transportprotokolle.

Learning by doing ist meist sehr mühsam

Ein Netz-Manager muß die Konfigurationen gestalten (Configuration Management), die Leistung optimieren (Performance Management), Ausfallzeiten vermeiden (Fault Management), die Netzwerksicherheit garantieren (Security Management) und Kosten erfassen sowie weiterverrechnen (Accounting Management).

Eine Aus- beziehungsweise Weiterbildung on the Job, ohne Vermittlung von Basisfähigkeiten und Grundlagen, führt über eine flach verlaufende Lernkurve eindeutig zu längeren Ausfallzeiten und zu Produktivitätseinbußen der betroffenen Unternehmen, da notwendige Fähigkeiten erst mühsam erworben und durch Learning by doing entwickelt werden müssen.

Ein oft zu beobachtendes Paradoxon besteht darin, daß DV-Verantwortliche bei einer Investition am ehesten an der Aus- und Weiterbildung sparen, obwohl allgemein bekannt ist, daß ein effizienter Einsatz von DV nur mit geschulten und trainierten Mitarbeitern möglich ist.

Falsch angesetztes Cost Management im Bereich mitarbeiterabhängiger Dienstleistung geht häufig zu Lasten der Arbeitsmotivation und damit zu Lasten der Produktivität eines Unternehmens. Werden Mitarbeiter jedoch auf eine Veränderung gut vorbereitet, sind sie in der Regel auch positiv eingestellt, wissen sie doch, daß ihre Arbeit hoch eingeschätzt und sie durch entsprechende Vorbereitungen wie Schulung und Training gefördert werden.

Neben der Vermittlung von Wissen durch Schulung und der Vermittlung von Fähigkeiten durch Training bieten Netzwerkkurse die Möglichkeit zum Informationsaustausch mit anderen Kollegen.

Für Ausbildungsverantwortliche, die für ihre Mitarbeiter Netzwerkseminaren organisieren wollen, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

- Bauen Sie eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Schulungs- und Trainingspartner auf, der ein breites Spektrum anbietet; sei es durch ein Trainingsangebot, das Ihre betrieblichen Anforderungen erfüllt, oder durch speziell auf Ihre Bedürfnisse abgestimmte (In-house-)Schulungen. Fragen Sie nach einer Betreuung beziehungsweise Unterstützung auch nach der Teilnahme an einem Kurs, zum Beispiel durch Mailbox, Telefon-Support oder regelmäßig erscheinende schriftliche Informationen.

- Achten Sie bei der Auswahl darauf, daß das Schulungsinstitut qualifizierte Trainer einsetzt, die auch über praktische Erfahrungen zum Beispiel als Support-Mitarbeiter, verfügen. Obwohl ein Zertifikat wie das eines Certified Netware Instructors (CNI) keine Gewähr für gutes Training bieten kann, wird das Risiko eines Flops zumindest reduziert. Einige Anbieter gewähren heute eine Zufriedenheitsgarantie (Customer Satisfaction Program). Sie können einen Kurs dann bei einem anderen Trainer wiederholen, wenn Sie mit der Veranstaltung nicht zufrieden waren.

- Wenn die Mitarbeiter Ihres Hauses unzufrieden sind und eine solche Garantie nicht existiert, dann sollten sie den Kurs am ersten Tag abbrechen. Aufgabe von Ihnen ist es dann, sich mit dem Schulungsanbieter über eine Alternative auseinanderzusetzen.

- Nutzen Sie Informationsseminare für Entscheider beziehungsweise spezielle Technologietrainings für System Engineers.

- Nehmen Sie Abstand von der Annahme, daß Netzwerkschulungen teuer sind. Wenn man bedenkt, wieviel Zeit für eigene Erfahrungen investiert werden muß, sind diese Veranstaltungen zum Teil ausgesprochen preiswert.

Die Vorbereitung für den Ausnahmefall

In einem Service- und Support-Kurs lassen sich beispielsweise Ausnahmefälle simulieren und entsprechende Vorgehensweisen einüben. Damit ist eine reibungslose Durchführung von Routinearbeiten und eine souveräne Reaktion im Ausnahmefall möglich. Netzwerkprodukte sind keine Commodity-Produkte, auch wenn der Preis dies nahelegt. Erst durch umfangreiche Schulung der Mitarbeiter kann ein Netzwerk zu seiner vollen Funktionalität geführt werden.

* Dipl.-Kfm. Georg W. Rösch ist Certified Netware Instructor (CNI) und Inhaber des LAN Schulungszentrums Georg W. Rösch in Kaarst bei Düsseldorf.