Durchschnittszahlen nicht aussagekräftig

Netzverwaltung beeinflußt vor allem die PC-Kosten

23.01.1997

Vor rund einem Jahr warben die Marketiers potentieller NC-Hersteller vollmundig mit den geringen Verwaltungskosten der zukünftigen Einfachrechner. Die Benutzer sollten sich die Applikationen über das Netz auf die abgespeckte Arbeitsstation herunterladen und würden damit dem Betrieb viel Geld sparen: Release-Wechsel kein Problem mehr, einheitlicher Softwarestand gewährleistet, hauseigener User-Support fast überflüssig.

Mittlerweile rückt allerdings selbst Scott McNealy, oberster Chef von Sun Microsystems und NC-Pionier, von dieser Sichtweise ab. Anläßlich des SEMI Industry Strategy Symposiums, das vergangene Woche im kalifornischen Pebble Beach abgehalten wurde, skizzierte McNealy die Zukunft der Javastation, des hauseigenen NCs. Danach werden die Applikationen - wenngleich in anderer Form - doch wieder lokal vorrätig gehalten werden: "Wir werden kleinere, objektbasierte und in Komponenten aufgeteilte Anwendungen haben, die im DRAM der Javastation gespeichert sind."

Damit ergeben sich für NCs in Zukunft die gleichen Probleme, die IT-Manager schon seit langem von PCs her kennen. Wie hoch sind die jährlichen Costs of ownership? Paul Strassmann, vormals CIO des US-Verteidigungsministeriums, beschreibt diese Problematik in der CW-Schwesterpublikation "Computerworld".

Es sei verwirrend, so Strassmann, welche unterschiedlichen Zahlenangaben über die jährlichen Betriebskosten eines PCs durch die Magazine geisterten. Das "Fortune Magazine" beziffert sie auf mehr als 9000 Dollar, "The Economist" auf 6400 Dollar, die "New York Times" auf 13000 Dollar und "Business Week" auf 8000 Dollar. Als Quelle für viele dieser Angaben dienten diverse Untersuchungen der Gartner Group Inc. So reichten die Schätzungen der Auguren selbst von 7138 Dollar bis zu 13 000 Dollar je PC.

Abgesehen von den Anschaffungskosten in Höhe von durchschnittlich 2500 Dollar (PC) beziehungsweise 500 Dollar (NC) ergeben sich beim Einsatz von Netzcomputern für Großunternehmen mit 10000 Rechnern äußerst unterschiedliche Spareffekte, je nachdem, welche PC-Betriebskosten man zugrunde legt. Strassmann geht in dieser Beispielrechnung davon aus, daß ein NC Betriebskosten von 2500 Dollar jährlich verursacht. Legt man für die PCs den höchsten Wert der Gartner Group (13000 Dollar) zugrunde, dann ergäbe sich beim Einsatz von NCs eine Ersparnis von 105 Millionen Dollar mit dem Zahlenmaterial von "Economist" (6400 Dollar) beträgt die Ersparnis nur mehr 39 Millionen Dollar.

Dem stellt Strassmann gegenüber, daß das Unternehmen rund 60 Millionen Dollar für neue Entwicklungen ausgeben müßte, um eine vollständig implementierte Client-Server-Umgebung durch Intranet-basierte Netzrechner zu ersetzen.

Der Autor warnt allerdings davor, Entscheidungen zugunsten von NCs bloß auf Betriebskosten-Kalkulationen zu stützen, da es sich dabei um nicht genau quantifizierbare Größen handele. "Tatsache ist, daß die Höhe der PC-Betriebskosten davon abhängt, wie die Angestellten arbeiten und wie die Verwaltung aussieht. Diese Faktoren lassen den Begriff der durchschnittlichen Costs of ownership zur bedeutungslosen Abstraktion verkommen."

Arbeitsbelastung und Management-Praktiken sind seiner Meinung nach die entscheidenden Einflußfaktoren auf die PC-Betriebskosten, wobei beide bestimmt werden durch drei Größen: die Anwender, die Technik und die Applikationen.

Das Berufsprofil der Benutzer ist entscheidend für den DV-Bedarf. Professionelle Nutzer verschlingen Computerkapazität, während Handarbeiter Rechner kaum verwenden. Auch die Ausstattung mit DV-Geräten ist äußerst unterschiedlich. In Abteilungen mit Ingenieuren oder der Buchhaltung ist sie sehr hoch, bei Technikern oder Verkäufern viel geringer. Mobile Arbeitnehmer benötigen weniger DV als Beschäftigte mit festem Arbeitsplatz. Die Computerbildung spielt ebenso eine wichtige Rolle wie die Personalfluktuation. Ist diese hoch, muß sich der User-Support mit Training, Fehlersuche- und behebung sowie dem Ab- und Aufbau von Equipment befassen.

Die DV-Architektur und die Einhaltung von Standards beeinflussen die Kosten ebenfalls. Die Entscheidung zugunsten einheitlicher Versionen von Anwendungsprogrammen und Betriebssystemen vereinfacht in starkem Maße den Aufwand für Diagnose und Netzwerkwartung. Den freizügigen Zugang zum Internet bezeichnet Strassmann als "Killer", insbesondere für die Netzkapazität. Das Fehlen einer zentralen Kontrolle über die Konfiguration von Hard- und Software verdoppelt die Anzahl der benötigten Personen im Helpdesk. Der wichtigste Punkt aber sei das enorme Kostensenkungspotential, das in der zentralen Verwaltung von Netzwerken liegt. "Die wissenschaftliche Theorie wird immer große Netzwerke gegenüber kleinen favorisieren."

Fehler in der Software sind, so Strassmann, vielleicht der Hauptgrund für die geringe Produktivität und die Unzufriedenheit der Benutzer. Programme seien oft schlecht designt und ausgetestet. Überflüssige und unsinnige Optionen hielten die Benutzer von der Arbeit ab. Strassmann schätzt, daß man durch die strikte Einhaltung von Sicherheitsroutinen und -kontrollen bis zu 1000 Dollar im Jahr pro PC sparen kann.

Obwohl also Benutzerverhalten, Technik und Anwendungssoftware sich zu einigen tausend Dollar Zusatzkosten pro Jahr summieren können, ist sich Strassmann sicher, daß schlechtes System- und Netz-Management hauptverantwortlich für hohe PC-Kosten ist. Man benötige keine NCs, um die Betriebskosten für Arbeitsstationen zu reduzieren, vielmehr seien Benutzer und technisches Personal gefragt, die in ihrer Arbeit einigermaßen kompetent sind.

Aber selbst ausgefeilte Netzwerk-Management-Systeme bedeuten nach Meinung des branchenbekannten IT-Spezialisten wenig, wenn sich niemand Zeit nehme, auch chronisch begriffsstutzige Benutzer einzuweisen. Hilfe sei notwendig, um die Kosten zu verringern, die bloße technische Fehlerbehebung reiche nicht aus. Anwender und DV-Abteilungen sollten für die Kosten rechenschaftspflichtig gemacht werden, um so den richtigen Anreiz für eine Senkung des Aufwands und eine anhaltende Qualitätsverbesserung zu schaffen.

Strassmann hält die Versuche von Analysten, Beratern und Medien, durchschnittliche Kosten für Desktop-Arbeitsplätze zu ermitteln, generell für fragwürdig. Ähnlich wie die Angabe einer durchschnittlichen Reisedauer nichts über aktuelle Verkehrsstaus aussagt, gibt es seiner Ansicht nach kein Instrument, das als Kosten-Benchmark den Aufwand für PCs oder NCs global berechnen würde.

Er selbst hat 30 mögliche Kostenfaktoren gefunden, die jeweils die PC-Ausgaben erhöhen, wenn das Netz-Management ungenügend ist. "Der einzige Weg, die Kosten zu reduzieren, ist, die Hauptfaktoren für schlechte Auswahl, nachlässige Praktiken und falsches Anwenderverhalten herauszufinden..