Stehen auch den Nutzern von kostengünstigen Zugängen trafficstarke Webdienste wie Youtube, Flickr oder Bittorrent ohne Aufpreis zu? Mit diesen Fragestellungen beschäftigte sich eine Subkonferenz zum Thema Netzneutralität im Rahmen der Social-Media-Konferenz re:publica 2010.
Der Zürcher Rechtsanwalt und Autor Simon Schlauri, der über das Thema habilitiert hatte, gab in seiner Einführungsrede zu bedenken, dass bereits die bestehenden Exklusiv-Deals zwischen Mobilfunkanbietern und Geräteherstellern wie T-Mobile/Apple und das Video-on-Demand-Angebot der Deutschen Telekom, die bestimmte IPTV-Sender nur den eigenen VDSL-Kunden zur Verfügung stelle, der grundsätzlichen Idee der Netzneutralität zuwider liefen. "Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass die Internetprovider alle Dateien, die sie übertragen, gleich behandeln - ganz egal, wer Sender und wer Empfänger ist. Sie verhalten sich damit insbesondere gegenüber Anbietern von Internetinhalten und -anwendungen neutral", so Schlauri. Neben der mit solchen Exklusiv-Geschäften zunehmenden Monopolisierung von Anwendungsmärkten sieht der Schweizer auch die Gefahr eines diskriminierenden Traffic Shapings, wenn einzelne Datenströme gezielt priorisiert werden. Einerseits mache es Quality-of-Service-Technologie (QoS) möglich, dass IPTV-Anwendungen stabiler liefen, weil andere Webdienste nachrangig behandelt würden, andererseits würden trafficstarke Peer-to-Peer-Tauschbörsen wie Bittorrent aber gezielt ausgebremst (Degrading), wie durch Comcast in den USA geschehen.
Das dritte Problem seien Pläne großer Netzbetreiber wie der Telekom, für die Nutzung ihrer Leitungen den Webdienst-Anbietern Gebühren abzuknüpfen, was kleine Unternehmen ohne entsprechende finanzielle und strukturelle Mittel benachteiligen würde. Zu all dem gesellten sich dann noch die viel diskutierten Sperren von Zugängen zu illegalen Webinhalten oder gleich die Komplett-Abschaltung von Internetzugängen bei Raubkopierern, wie in Frankreich initiiert.
Regulierung nur im Sinne der Wirtschaft?
Schlauris Vortrag schloss sich ein prominent besetztes Panel an, das zu dem Schluss kam, dass Netzneutralität kein technisches, sondern ein politisches Thema sei. Cara Schwarz-Schilling, Vertreterin der Bundesnetzagentur, wies darauf hin, dass es in Deutschland bereits einen Rechtsrahmen gebe, der viele Probleme hierzulande gar nicht erst entstehen ließen. Lediglich die Skype-Blockierung durch einige Mobilfunk-Provider im vergangenen Jahr habe der Behörde einige Arbeit gemacht. Alle Netzbetreiber in ein Boot zu holen, sei nicht immer einfach, letztlich regle sich der Markt jedoch zumeist selbst. In diesem Punkt waren sich sowohl die Diskutanten als auch die Konferenzbesucher untereinander uneinig: Das Bereitstellen von Netzen sei eine öffentliche Aufgabe und keine Aufgabe des Marktes, merkte ein Blogger an. Es werde jedoch nur im Interesse der Konzerne reguliert und ihm sei es unverständlich, dass es bis heute nicht möglich sei, symmetrische Leitungen bereit zu stellen (Uploadgeschwindigkeit = Downloadgeschwindigkeit). Schwarz-Schilling verteidigte die Industrie, die schließlich eine Menge Geld in die Hand nehmen müsse, um den Netzausbau voranzubringen, während die Nachfrage nach schnellen Leitungen noch ziemlich niedrig sei. Sie forderte stattdessen einen von allen Anbietern einzuhaltenden Mindeststandard für Internetanschlüsse, der als Grundversorgung für jeden zugänglich sei. Falk Lüke von der Verbraucherzentrale Bundesverband gab jedoch zu bedenken, dass es sich einem Privatanwender kaum vermitteln lasse, warum er für sein Geld zukünftig nur ganz bestimmte Internet-Dienste bekomme, wo es doch früher jahrelang anders gewesen sei.