Networking: Firmen fürchten Kontrollverlust

04.07.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Von beruflichen Netzwerken profitieren Mitarbeiter und Firmen gleichermaßen. Doch Unternehmen gewöhnen sich nur schwer an den Gedanken, ihre Angestellten bei der Kontaktpflege zu unterstützen.

Hier lesen Sie ...

  • warum Mitarbeiter und Unternehmen Networking brauchen;

  • welche Rolle das Internet spielt;

  • wieso Chefs vor kontaktfreudigen Mitarbeitern Angst haben.

  • wie deutsche und amerikanische Firmen mit Weblogs umgehen.

Der eine hat sie, der andere sucht sie. Ohne Kontakte kann ein Startup sein Geschäftsmodell nicht umsetzen, ohne weit gefächerte Beziehungen verkaufen Unternehmen ihre Produkte nicht. Unverzichtbar ist Vitamin B für den beruflichen Ein- und Aufstieg: "Bei Neueinstellungen", sagt Michael Louis, Geschäftsführer der Mindjet International GmbH in Alzenau, "achten wir immer mehr darauf, wie sehr sich Bewerber in Netzwerken engagieren." Diese Kontakte nutzt das Unternehmen, um mit potenziellen Kunden ins Gespräch zu kommen.

Welche Bedeutung die karriereorientierte Kontaktpflege für Berufseinsteiger hat, zeigen auch Umfragen. Danach findet jeder Dritte durch Beziehungen seinen Arbeitsplatz, ermittelte etwa die Jobbörse Stellenanzeigen.de. "Sich bei der Jobsuche auf Anzeigen oder die Arbeitsagentur zu verlassen", heißt es flankierend in einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), "ist nicht zu empfehlen." Für das in Hannover ansässige Hochschul-Informations-System (HIS) hat die staatliche Arbeitsvermittlung schlicht ihren Auftrag verfehlt: Lediglich einem Prozent der von HIS befragten 8000 Hochschulabsolventen verhalf sie zum Karrierestart.

Auch wer die erste Stelle schon gefunden hat, kann durch seine kommunikative Stärken berufliches Fortkommen fördern: Wer ungezwungen Kollegen anspricht und beim Smalltalk locker bleibt, steigert seine Beliebtheit und verdichtet so sein Netzwerk. Doch mit solchen Pfunden können nur wenige wuchern. "In Deutschland scheuen Menschen davor zurück, auf andere zuzugehen", sagt Miriam Keul. Die einstige Sprecherin des Verbands der Softwareindustrie (VSI) berät Unternehmen auf dem Gebiet der Kontaktpflege. Sie beobachtet, dass kommunikative Naturtalente auf beruflichem Parkett eher die Ausnahme sind. Tonangebend sind vielmehr Einzelkämpfer, die sich auf einige wenige Gefolgsleute stützen. "Jeder möchte derjenige sein, der angesprochen wird. Das hat schon fast Audienzcharakter."

Anders als etwa in den Vereinigten Staaten oder Frankreich werde ungezwungenes Auftreten in deutschen Firmen noch immer mit der "Anbiederung von Versicherungsvertretern" identifiziert, bedauert Keul. Strikte Abteilungsgrenzen ständen einem produktiven Austausch ebenfalls im Weg. Mitarbeiter seien oft nicht in der Lage, solche Denkblockaden zu überwinden, moniert die Beraterin. Hilfreich wäre es auch, wenn Mitarbeiter seitens der Führungskräfte ermutigt würden, quer durchs Unternehmen ihre Netze zu pflegen. Daran fehlt es oft.

"Die Wertschätzung von sozialen Kompetenzen", ärgert sich beispielsweise Stefan Blank, Senior HR-Manager der Microsoft GmbH in Unterschleißheim, "fällt noch immer viel zu niedrig aus." Dass Entscheidungsträger kaum Zeit und Energie in Networking investieren, hat mehrere Gründe. Stephan Grabmeier, Mitglied von Open BC zufolge wird es vom Management oft als zeitverschwendendes "Kaffeekränzchen" diskreditiert. Blank hält dieses Argument für vorgeschoben. In Wirklichkeit hätten die Manager Angst: "Sie befürchten, dass in informellen Kreisen Ideen entstehen könnten, über die sie die Kontrolle verlieren."