Call Center

Nervige Telefonwerber profitieren vom Branchenboom nur wenig

17.02.2009
"Guten Tag. Sie haben gerade eine Reise nach Tunesien gewonnen." Anrufe von Telefonwerbern belästigen Verbraucher manchmal sogar mehrfach täglich.

Angeboten werden Zeitschriftenabos, Mobilfunkanschlüsse oder die Teilnahme an zweifelhaften Gewinnspielen. Angesichts der Wirtschaftskrise hat diese Art von Kundenfang sogar noch zugenommen. Verbraucherschützer warnen indes schon lange vor Vertragsabschlüssen am Telefon. Und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kämpft um bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, die diese oft nervigen Telefonate zu verantworten haben. Mit Themen wie Datenschutz und Verbrauchersicherheit beschäftigt sich bis diesen Donnerstag auch ein europäischer Call Center-Kongress in Berlin, an dem mehr als 1600 Experten der Branche teilnehmen.

"Die Branche boomt: Ständig öffnen neue Standorte, die Beschäftigtenzahlen steigen rasant und die Geschäftsergebnisse sind hervorragend", sagt ver.di-Experte Jürgen Stahl. Von diesem Boom komme bei den Beschäftigten aber so gut wie nichts an. Die Mitarbeiter werden oft nur in Teilzeit oder befristet eingestellt. Tarifliche Regelungen gebe es noch kaum. Viele Unternehmen wie zum Beispiel Quelle hätten ihre Standorte mittlerweile in den Osten nach Cottbus, Magdeburg oder Görlitz verlagert. "Dort sind die Arbeitskosten niedriger und die Leute angesichts hoher Arbeitslosigkeit eher bereit, zu schlechten Bedingungen zu arbeiten", betont Stahl.

Einer ver.di-Umfrage zufolge sind 99 Prozent der Call-Center-Mitarbeiter mit ihrer Bezahlung unzufrieden. Mehr als die Hälfte gibt an, dass sie auf einen Zweitjob angewiesen sind. 23 Prozent der Befragten sagen zudem, sie erhielten neben ihrem Lohn noch zusätzlich staatliche Unterstützung. Laut ver.di wird in der Branche ein Grundlohn von gerade einmal 5,50 bis sieben Euro gezahlt - und das bei Wochenarbeitszeiten von bis zu 42 Stunden. Auch gebe es für die Arbeit am späten Abend oder Wochenende keine Zuschläge.

Mittlerweile arbeiten in Deutschland rund 440.000 Menschen in 5700 Call Centern, gut 1,2 Prozent aller Erwerbstätigen, wie der Branchenverband Call Center Forum CCF angibt. Täglich führen sie bis zu 23 Millionen Kundentelefonate. Die Branche sieht sich selbst als einer der "Jobmotoren in Deutschland". Jährlich setzt die Branche knapp 1,2 Milliarden Euro um.

Die Unternehmen wollen indes selber schärfer gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen vorgehen. So drohe denjenigen Sanktionen, die gegen den 2007 in Kraft getretenen Ehrenkodex verstoßen, kündigte der CCF bereits im vergangenen November an. Diese reichten von Abmahnungen über Geldstrafen bis zum Verbandsausschluss. Abgesehen vom Einhalten gesetzlicher Rahmenbedingungen verpflichtet der Ehrenkodex die Mitgliedsunternehmen auch, Werbeanrufe nach 20.00 Uhr zu unterlassen und Telefongespräche höflich zu führen. Der Branchenverband geht allerdings davon aus, dass gerade einmal ein Prozent der Unternehmen "mit krimineller Energie" vorgeht, indem sie etwa Datenmissbrauch betreiben.

Kopfschmerzen bereitet der Branche aber das von der Bundesregierung geplante Gesetz gegen unlautere Telefonwerbung. So sollen die Verbraucher künftig besser vor Belästigungen durch die Werbeanrufe und den Folgen untergeschobener Verträge geschützt werden. Nach dem Gesetzentwurf droht Firmen bis zu 50.000 Euro Geldbuße. Call Center, die ihre Rufnummer unterdrücken, sollen bis zu 10.000 Euro zahlen. Bei telefonisch abgeschlossenen Abonnements oder Handyverträgen soll der Kunde zudem ein strikteres Recht zum Widerruf bekommen. (dpa/tc)