Computerhersteller ging auf das Ultimatum nicht ein:

NCR contra AT&T: Nun hat die Übernahmeschlacht begonnen

14.12.1990

DAYTON/AUGSBURG (bk) - Nach NCRs Ablehnung des "freundlichen Übernahmeangebotes" von AT&T hat der amerikanische Telefonkonzern seine Drohung wahr gemacht und mit einem "Unfriendly-take-over"-Versuch begonnen. Nun liegt es an den NCR-Aktionären, ob sie die 90-Dollar-Offerte annehmen (siehe auch Seite 74).

Zumindest in Kreisen der Augsburger NCR GmbH war man vergangene Woche noch optimistisch gewesen, feindlichen Übernahmehandlungen der AT&T entgehen zu können. Schließlich, so hatte Pressesprecher Lutz Leinert erklärt, könne es nicht im Sinne der beiden Unternehmen sein, sich eine ähnliche Übernahmeschlacht zu liefern wie im vergangenen Jahr MAI und Prime.

Doch seit das Ultimatum des gelben Riesen ergebnislos verstrichen ist - bis zum 5. Dezember 1990 hätte NCR das 90-Dollar-Angebot pro Aktie annehmen können -, muß sich der Computerhersteller aus Dayton/Ohio nun doch auf einen längeren Abwehrkampf einstellen. Die AT&T nämlich versucht nun - wie angekündigt -, über die Aktionäre direkt ihr Ziel zu erreichen. Bis zum 4. Januar 1991, 24.00 Uhr New Yorker Zeit, haben die NCR-Anleger die Möglichkeit, auf das Angebot einzugehen. Allerdings kann die Tender-Offerte auch noch verlängert werden. NCR wiederum ist nun bemüht, mit aktienrechtlichen Maßnahmen - sogenannten poison pills - eine feindliche Übernahme zu verhindern.

NCR-Chef Charles E. Exley ließ zudem verlauten, daß er erst wieder zu Verhandlungen bereit sei, wenn AT&T mindestens 125 Dollar pro Aktie biete. Dann aber müßten auch ein Stillhalteabkommen und Vertraulichkeit beschlossen werden. Dies werten Branchen-Insider als taktischen Hinweis Exleys in Richtung NCR-Aktionäre, sich auf den Deal mit AT&T nicht einzulassen. Darüber hinaus drohte der NCR-Chef seinen Rücktritt an, sollte die New Yorker Telefongesellschaft mit der feindlichen Übernahme Erfolg haben.

Daß die Fronten zwischen den Chairmen der beiden Unternehmen verhärtet sind, beweist auch ein Brief Exleys an seinen Kontrahenten Robert E. Allen. Darin drückt der NCR Chef gegenüber dem AT&T-Chairman sein Befremden über die Vorgehensweise der New Yorker aus, die in einer Pressemitteilung ihre Fusionsabsichten an die Öffentlichkeit gebracht hatten. Exley zeigte sich nicht nur erzürnt darüber, daß AT&T über diese Aktion versucht habe, Druck auf NCR auszuüben. Auch seien die Fakten in diesem Press Release falsch dargestellt worden.

So stimme beispielsweise nicht, daß man zwei Wochen über einen Zusammenschluß diskutiert habe. Vielmehr hätten nur zwei kurze Gespräche sowie ein Auftritt seinerseits vor dem AT&T-Board of Directors stattgefunden, dem im Gegenzug der Auftritt von Allen vor dem NCR-Board folgte. Nicht zutreffend sei ferner, daß NCR Ende November signalisiert habe, nun auf weiterführende Gespräche vorbereitet zu sein.

Vielmehr habe er bei seinem Treffen mit dem Board of Directors von AT&T bereits erklärt, daß das Übernahmeangebot nicht erwünscht sei. "Die Geschichte der Fusionen in der Computerindustrie ist eine Geschichte von Desastern", erinnerte Exley den AT&T-Chef an seine Ausführungen. "Der Erwerb NCRs durch AT&T würde die Liste der gescheiterten Zusammenschlüsse nur verlängern."

Exley schloß seinen Brief mit dem Hinweis, NCR halte daran fest, das Angebot von AT&T als nicht angemessen und zu risikoreich abzulehnen. Darüber hinaus sei das Verhalten von AT&T - erst die unaufgeforderte Offerte, dann das Ultimatum und die Taktik, über die Öffentlichkeit Druck auf NCR auszuüben - wohl kaum geeignet, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.

Mit ähnlichen Worten wandte sich Exley danach persönlich an seine Mitarbeiter in den USA. Nach Erklärung des Sachverhaltes appellierte er an die Belegschaft, sie solle sich keine Sorgen machen. In der von AT&T angestrebten Fusion werde NCR von Analysten als der stärkere Partner angesehen, den die New Yorker bei ihren verzweifelten Bemühungen, ihr erfolgloses Computergeschäft zu retten, dringend benötigten.

Zudem erinnerte er daran, daß NCR in der langen Firmengeschichte schon so manche Naturkatastrophe und auch durch menschliches Versagen hervorgerufene Desaster überstanden hätte. Deshalb könne er sich nur auf NCR-Gründer John Patterson berufen, der einmal gesagt habe: Wenn alle physischen Ressourcen des Unternehmens über Nacht zerstört würden - die Mitarbeiter von NCR würden überleben und die Gesellschaft innerhalb weniger Monate zurück ins Geschäft bringen.