Nachwuchs für Rechenzentren:Mit vorbeugender Ausbildung gegen Fluktuationsverluste

14.09.1979

Oft genug dauert es Monate, bis die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) oder die Kommunalen Gebietsrechenzentren (KGRZ) - und es geht ihnen hier nicht besser als anderen großen Rechenzentren - frei gewordene oder neu eingerichtete Arbeitsplätze im DV-technischen Bereich besetzen können. Eine Tatsache, die im Zeichen nur langsam zurückgehender Arbeitslosigkeit bei vielen auf Unverständnis stößt. Woran liegt es, daß Rechenzentren, wie sie im Hessischen DV-Verbund repräsentiert sind, Personalbeschaffungsschwierigkeiten haben, obwohl sie doch von ihrem Aufgabenspektrum vielseitig, von der maschinellen Ausstattung interessant und von ihren zahlreichen und unterschiedlichen Funktionsbeschreibungen für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchaus attraktiv sind oder sein müßten?

Die Antwort ist relativ einfach: Besonders in Ballungsräumen stehen sich Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften auf dem Sektor Datenverarbeitung nicht ausgeglichen gegenüber: die Nachfrage überwiegt. Auf die üblichen Stellenanzeigen der öffentlichen Hand wie der 2 Privatwirtschaft - sei es in Tageszeitungen oder Fachzeitschriften - gehen oft genug so wenige Zuschriften ein, daß das Inserieren kaum Erfolg verspricht.

Gute Leute sind kaum zu

bekommen

Sichtet man die Posteingänge hinsichtlich der Eignung der Bewerber werden die Kosten für die Annoncen völlig suspekt. Organisatoren und Analytiker, über Anzeigen in Tageszeitungen anzuwerben, ist - von Ausnahmen abgesehen - ohnehin sinnlos. Hier werden Fachkenntnisse in der öffentlichen Verwaltung gefordert, die - gepaart mit DV-Kenntnissen und DV-Fähigkeiten - in der freien Wirtschaft kaum zu finden sind. Mitarbeiter dieses Anforderungsprofils aus der öffentlichen Verwaltung wechseln aber in der Regel nicht über Stellenanzeigen wieder in die öffentliche Verwaltung. Und das Abwerben bei anderen Rechenzentren der öffentlichen Hand ist schon wegen der dort gleichgelagerten Probleme unbefriedigend.

Ansprechpartner für Werbemaßnahmen sind noch die Fachhochschulen für Informatik und für die öffentliche Verwaltung. Zwar müssen hier in aller Regel Nachschulungen in Datenverarbeitung beziehungsweise in Verwaltungskunde folgen; aber sie können knapper und gezielter durchgeführt werden, als wenn auf die letzte Möglichkeit - die einjährige Vollausbildung von Beamten und Verwaltungsangestellten durch die Rechenzentren - zurückgegriffen werden muß.

Etwas anders sieht es aus bei der Suche nach Programmierern. Hier dominieren die DV-technischen Fähigkeiten eindeutig vor den Verwaltungsfachkenntnissen. Was diesen Personenkreis im allgemeinen zu einem Arbeitsplatzwechsel bewegt, sind Fragen des Einkommens, des Arbeitsortes, der Arbeitszeit, der Aufgabenvielfalt und nicht zuletzt des Betriebsklimas und der Arbeitsplatzsicherheit.

Ein durchaus interessantes

Angebot

Was das Einkommen anbelangt, so kann die öffentliche Hand nicht mit der Privatwirtschaft konkurrieren. Das sollte klar und deutlich ausgesprochen werden. Dagegen kann die öffentliche Verwaltung den Bewerbern eine ganze Reihe von Leistungen anbieten, die die freie Wirtschaft nicht kennt, allem voran die Arbeitsplatzsicherheit, interessant sollten aber auch die "unsichtbaren Einkünfte" sein, die sich zum Beispiel aus der Zusatzversorgung, der Beihilfe und den übrigen "Kann-Leistungen" ergeben. Die gleitende Arbeitszeit bei einigen Rechenzentren könnte geradezu ideal für potentielle Bewerber sein. Das breite Aufgabenspektrum, das den Programmierern und Programmiergruppen im DV-Verbund zugewiesen ist und das Abwechslung verheißt und Monotonie der Arbeit ausschließt, müßte für engagierte Datenverarbeiter ein zusätzlicher Anreiz sein. Umfangreiche, interne Schulungsprogramme sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sichern ein Know-how auf dem "letzten Stand der Kunst".

Außergewöhnlich leistungsfähige Maschinensysteme, Umfang von Mixed-Hard- und Software, komfortable Betriebssysteme und Systemhilfen, Sprachvielfalt, Fernverarbeitungslösungen können für den potentiellen Bewerber ebenso interessante Argumente sein, wie die Möglichkeit, sich des TSO oder einer anderen Programmierhilfe als Arbeitsmittel an ergonomisch ausgestalteten Arbeitsplätzen bedienen zu können.

Die Schwierigkeit, gute Leute für das Operating zu finden, sind eher noch größer als im Bereich der Programmierer, da hier das Berufsbild auch unter Datenverarbeitern am umstrittensten ist; aber auch, weil die interne Automatisierung vor dem Operating nicht haltmachen wird. Schwierigkeiten also auch hier bei der Personalwerbung? Sicher, und noch einige mehr: Schichtbetrieb, Arbeitsbedingungen, Ansehen, Fortkommen, Isolierung.

Dem stehen jedoch auch Vorteile gegenüber. Umschulung und Ausbildung für eine Tätigkeit im Operating können weitgehend bei vollem Gehalt während der praktischen Arbeit erfolgen. Höhere Anforderungen an die Vorbildung brauchen im Deviceoperating nicht gefördert zu werden. Die Steuerung und Überwachung von Großcomputern und Datenfernverarbeitungsnetzen, die Millionenwerte repräsentieren, sind verantwortungsvoll und abwechslungsreich. Randbereiche eröffnen sich auch in der Arbeitsvorbereitung, der Produktionssteuerung und in der Systemtechnik. Die sich rasch ändernde Technologie und immer wieder neue Programme bringen die Möglichkeit, sich mit neuen Anforderungen auseinanderzusetzen. Trotzdem bleibt es auch bei diesem Personenkreis schwierig, qualifizierte Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu finden.

Auf Selbsthilfe angewiesen

Die Möglichkeiten qualifizierte Mitarbeiter über den Arbeitsmarkt zu beschaffen sind damit - von Ausnahmen abgesehen - praktisch gleich Null. So werden die Rechenzentren des Verbundes mehr oder weniger in allen angesprochenen Gruppen auch in Zukunft zur Selbsthilfe durch Nachwuchsschulung greifen müssen. Die Ausbildung der Datenverarbeiter ist allerdings langwierig und teuer, und die Rechenzentren sind hierfür nur unzureichend gerüstet. Zwar verfügt der Verbund über ein ausgezeichnetes und anerkanntes Schulungsangebot mit haupt- und nebenamtlichen Lehrkräften, jedoch nicht über genügend Ausbildungsstellen und entsprechende Finanzmittel.

Die Dauer der Ausbildung beträgt zur Zeit ein Jahr, davon sechs Monate theoretische Ausbildung in Organisation und Programmierung mit praktischen Übungen und sechs Monate praktische Einarbeitung am künftigen Arbeitsplatz. Das bedeutet, daß jede freigewordene Stelle die mit einem Neuling besetzt werden muß, bei der derzeitigen Situation mindestens zwölf Monate lang, bei ungünstigem Kursbeginn noch wesentlich länger, unbesetzt bleibt. Die Auswirkungen auf die Abwicklung der Projekte sind katastrophal.

Eine Lösungsmöglichkeit wäre die Ausbildung auf Vorrat, besonders im Programmierbereich. Beim Ausscheiden eines Mitarbeiters müßte auf einen Ausbildungspool zurückgegriffen werden können, der im Idealfall sofort, ansonsten aber doch relativ rasch eine Nachwuchskraft zur Verfügung stellen kann. Gegenüber der Ist-Situation würde sich der Zeitraum, in dem eine Stelle unbesetzt bleibt, um rund ein Jahr verringern - immer unter der Voraussetzung, daß auf dem Arbeitsmarkt kein ausgebildeter Datenverarbeiter zur Verfügung steht.

Bei der derzeitigen Fluktuationsrate wären für dieses Programm und die besonders stark betroffenen Rechenzentren im Ballungsgebiet Rhein-Main - HZD, Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt - zirka 30 zusätzliche Ausbildungsstellen erforderlich. Die Bereitstellung von Geldmitteln allein reicht hierfür nicht aus.

Die Zielgruppe für dieses Programm sind Beamte und Verwaltungsangestellte. Nur sie bringen die Verwaltungskenntnisse mit, auf die sie bei ihrer späteren Tätigkeit als Programmierer und vor allem als Organisator zurückgreifen müssen. Der Verwaltung kann aber kaum zugemutet werden - und sie ist in der Praxis auch nicht bereit - auf dem Wege der Abordnung etc. zwölf Monate Stellen unbesetzt zu lassen, um die Personalprobleme der Rechenzentren zu lösen. Ohne zusätzliche Ausbildungsstellen geht es also nicht.

Ein hoffnungsvoller Ansatz für dieses Programm befand sich - wenn auch mit anderer Begründung - im HZD-Haushalt 78/79. Hier war zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit die Möglichkeit geschaffen worden, zwanzig Jugendlichen eine Datenverarbeitungsausbildung zu ermöglichen. Dieser Aktion war allerdings aus der Sicht der Rechenzentren nur ein geringer Erfolg beschieden. Einmal war das Interesse besonders wegen der völlig unzureichenden Dotierung gering, zum anderen suchten die Jugendlichen mit Erfolg schon während ihrer Ausbildung - vor allem wegen der fehlenden Einstellungsgarantie - Arbeitsplätze außerhalb des Verbundes.

Es ist wichtig zu erkennen, daß sich bei dem vorgeschlagenen Programm die Personalstärke der Rechenzentren nicht erhöht. Das Personal-Ist wird nur näher an das Personal-Soll herangeführt. Bei voller Dotierung aller vorhandenen Stellen im Verbund wäre noch nicht einmal eine finanzielle Austeilung der Haushalte nötig, zumindest wäre der Aufwand gemessen an dem Projektnutzen relativ gering.

Fluktuationsverluste: 166

Mann-Monate

Bisher stand das Land, das ja den DV-Verbund im wesentlichen finanziert, Vorschlägen in dieser Richtlinie skeptisch gegenüber. Wenn man aber überlegt, daß durch Fluktuation allein in der HZD im Jahre 1978 ohne die in des Regel bei jedem Wechsel erforderliche zwölfmonatige Ausbildung 166 Mann-Monate verlorengingen, müßte dem Problem "Nachwuchs für Rechenzentren" mehr Aufmerksamkeit gesichert werden können.

Personalwerbung und Personalschulung erfolgt nicht nur im Eigeninteresse des hessischen DV-Verbundes. Die HZD und die KGRZ verstehen sich als Dienstleistungs-einrichtung für die gesamte hessische Verwaltung und damit aller Bürger dieses Landes. Diese müssen sicher sein, daß die dem Verbund zugewiesenen Aufgaben schnell und sachgerecht erledigt werden. Bei der gemessen an anderen Bundesländer ohnehin geringen finanziellen Ausstattung des hessischen DV-Verbundes mit einem Personalkostenanteil von zirka 50 Prozent muß sichergestellt werden, daß der Kapazitätsverlust durch den zwangsläufigen Personalwechsel so klein wie möglich bleibt.

Differenzierte Personalwerbung und "vorbeugende Schulung neuer Mitarbeiter über ein zusätzliches Potential an Ausbildungsstellen sind Wege, den Nachwuchs der Rechenzentren zu sichern.

òGünter Horn ist Direktor der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung, Wiesbaden