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Nach Handy-Verkauf: Muss Siemens-Krisensparte SBS zittern?

08.06.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach der Trennung vom Handy-Geschäft rücken jetzt die anderen Krisensparten von Siemens in den Blickpunkt. Vor allem beim schwächelnden IT-Dienstleister SBS (Siemens Business Services) könnte Vorstandschef Klaus Kleinfeld zu ähnlich radikalen Maßnahmen greifen wie beim Mobilfunkgeschäft. Auch andere Sparten wie die Gebäude- und die Verkehrstechnik sind weit von den strengen Renditevorgaben des Konzerns entfernt. Sollte dies sich in nächster Zeit nicht ändern, bleiben Kleinfeld wie schon bei den Handys vier Möglichkeiten: Sanieren, kooperieren, verkaufen oder schließen. Bei Arbeitnehmervertretern läuten schon die Alarmglocken. "Das wäre ein Wahnsinn, wenn die Handy-Lösung Modellcharakter hätte", sagt Michael Leppek vom Siemens-Team der IG Metall. "Da steht eine Firmenkultur auf dem Spiel."

Siemens hatte am Dienstag verkündet, dass die verlustreiche Handy-Sparte komplett an den taiwanischen BenQ-Konzern geht. Unter Kleinfelds Ägide könnte sich der Veränderungsdruck im Konzern weiter erhöhen. "Kleinfeld ist bekannt als schneller Entscheider", sagt Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck. "Er schreckt nicht vor radikalen Maßnahmen zurück." In den ersten Jahren seines Vorgängers Heinrich von Pierer sei bei Siemens nur sehr wenig passiert. Erst dann habe sich der heutige Aufsichtsratschef mit seinem berühmten Zehn-Punkte-Programm, das unter anderem die Abspaltung der Halbleitersparte vorsah, zum Handeln entschieden.

Soviel Zeit will sich Kleinfeld nicht lassen. Innerhalb von 18 bis 24 Monaten sollen alle Konzernbereiche die Renditevorgaben erreichen. Kleinfeld verknüpfte auch sein persönliches Schicksal mit diesem Ziel. "Jetzt ist SBS das nächste Thema", glaubt nicht nur Frank Rotauge, Siemens-Experte bei Sal. Oppenheim. Der IT-Dienstleister machte im abgelaufenen Quartal einen Verlust von 129 Millionen Euro. In einem ersten Schritt wurde seither bereits die IT-Wartungsfirma Sinitec mit 1100 Beschäftigten verkauft. Kleinfeld deutete am Dienstag weitere Schritte an, ließ aber offen, wie diese konkret aussehen. Spekuliert wird unter anderem seit längerem über ein Interesse der französischen Firma Atos Origin.

Dass aber Siemens SBS verkauft und dem Übernehmer dafür - wie bei den Handys - sogar noch viel Geld mit auf den Weg gibt, gilt - wie auch bei anderen Konzernteilen - als eher unwahrscheinlich. "Die Handys können kein Modell sein", sagt auch Analyst Rotauge. In der Mobiltelefonsparte sei die Lage katastrophal gewesen. Verantwortlich dafür sei allein ein Versagen des Managements gewesen. Offenbar habe Siemens auch kein Vertrauen gehabt, dass die eigenen Führungskräfte das Geschäft auf den richtigen Weg bringen könnten. Da sei nur noch die kostspielige Trennung geblieben. Bei SBS sehe die Lage etwas besser aus, das Geschäft sei von Wert. "Wenn jemand in den deutschen Markt rein will, kommt er an SBS kaum vorbei." Vielleicht werde sich Siemens aber auch für eine aggressive Vorwärtsstrategie entscheiden und selbst Unternehmen übernehmen, damit SBS in die Margenziele kommt.

Arbeitnehmervertreter warnen indes eindringlich davor, aus kurzfristigen Renditegesichtspunkten ganze Sparten abzustoßen. "Mit dem Verkauf der Handys an BenQ schneidet sich Siemens ins eigene Fleisch. Das ist der Zukunftsmarkt schlechthin", sagt Leppek von der IG Metall. Auch heutige Ertragsperlen wie das Kraftwerksgeschäft oder die Medizintechnik hätten tiefe Täler durchlaufen. Der Konzern würde heute schlechter dastehen, wenn er hier keinen langen Atem bewiesen hätte. "Man kann nicht immer wieder hier und da etwas herausschneiden. Irgendwann sind Herz und Lunge betroffen", sagt Leppek. (dpa/mb)