Nach der Decke strecken

10.10.1980

Eine bemerkenswerte Bewußtseinsbildung vollzieht sich derzeit in Österreich. Als kleines Land ohne verläßliche Bindungen an Machtblöcke und ohne eigene Computerproduktion betrachtet man in Österreich die zunehmende Automatisierung nicht ohne Sorge. Wie lange können Wirtschaft und Verwaltung aufrechterhalten werden, wenn Ersatzteilnachschub und Wartungsdienstleistungen behindert oder vielleicht sogar abgeschnitten sind?

Zunächst würde der Ausfall der automatisierten Bürökratie, manifestiert beispielsweise in der eindrucksvollen Dimension des Bundesrechenamtes in Wien, natürlich eitel Freude auslösen. Schlagartig gäbe es keine Steuervorschreibungen mehr, Kontrollen von Einzahlungsterminen und Prüfungen zwischen verschiedenen Steuererklärungen entfielen. Weniger begeistert allerdings wäre eine nicht eben. kleine Gruppe von Bürgern, nämlich die Staatsdiener selbst. Ihre Bezüge werden ebenfalls vom EDV-Dinosaurier zentral angewiesen.

Diese Problem ließe sich vermutlich jedoch für eine begrenzte Frist mit Akontozahlungen lösen. Nicht vertrösten jedoch lassen sich Kranke, wenn die Auslieferung von Medikamenten entfallt. Im Krisenfall könnte das Handelsministerium keine Benzinzuteilung durchführen (vorausgesetzt die hier bestehende Datenschutzproblematik wäre gelöst). Zum simplen Blech degradiert wird ein Luftraumüberwachungssystem, wie es derzeit unter dem Projektnamen "Goldhaube" entwickelt wird.

Natürlich hat jeder Staat seine eigenen, mehr oder weniger verläßlichen Lieferbeziehungen. Aber - der Flugverkehr über den Atlantik könnte im Krisenfall nachhaltig gestört sein. Die Gloire der "Grande Nation" könnte einen Nasenstüber für einen unbotmäßigen Kleinstaat erforderlich erscheinen lassen. Ein streikgeplagtes Großbritannien braucht seine Ersatzteile vielleicht selbst. Und auch die beruhigend nahe BRD erzeugt ihre Computer nicht nur aus eigenen Rohstoffen, sondern kauft kräftig OEM-Geräte zu.

Konsequenterweise fließen derartige Überlegungen in die Beratungen der verschiedenen EDV-Ausschüsse und Komitees ein, die über die Beschaffung von Rechnern für den öffentlichen Bereich beraten. Garantien für Ersatzteilhaltung im Inland werden ebenso diskutiert wie ein Mindestmaß an inländischen Technikern und Wartungsdienstleistungen. Wesentlichste flankierende Maßnahme, um zu einer krisengesicherten Datenverarbeitung zu kommen ist zweifellos eine Abkehr von zentralisierter Gigantomanie, hin zu ersetzbaren Kleinstrukturen.