TK-Trends/Kommentar

Nach dem Sturm ist vor dem Sturm

16.01.2004
Alexander Freimark Redakteur CW

Vertraut man der herrschenden Grundstimmung, haben klassische Carrier und ihre Netzausrüster die schlimmsten Zeiten hinter sich: Schuldenberge wurden abgetragen, Mitarbeiter entlassen oder ausgelagert, der Markt insgesamt bereinigt, die Unternehmen schlank gemacht und wieder herausgeputzt. Nun kann er kommen, der lang ersehnte Aufschwung. Beobachter wollen ihn sogar schon gesehen haben. Doch zur Euphorie besteht kaum Anlass, auch wenn der drastische Verfall inzwischen gestoppt wurde. Die Branche dümpelt in einer Flaute, was in der Regel einem Sturm vorzuziehen ist. Um voranzukommen, sind die Carrier allerdings auf eigene Kräfte angewiesen - rudern statt segeln, lautet die Devise für 2004.

Das Dilemma: Die Anzahl der verfügbaren Riemen ist begrenzt, Innovationen und Geschäftsmodelle werden knapp. In absehbarer Zeit hat jeder Interessierte eine Breitbandverbindung ins Internet, und im Markt für Sprachminuten herrscht bestenfalls Stagnation. Die finanzielle Situation der Telcos mag sich vielleicht stabilisiert haben, doch fehlt ihnen auf Dauer eine Vielzahl plausibler Konzepte.

Eine Hoffnung mögen innovative Sprachportale sein, die den Kunden auch verstehen und ihn in der Leitung halten. Alternativ versuchen Festnetz-Carrier, aus den Erfahrungen der Mobilfunker zu lernen und deren Geschäftsmodelle auf die traditionelle Infrastruktur zu übertragen. So sollen künftig Multimedia-Nachrichten nicht nur über das Handy, sondern auch im traditionellen Telefonsegment für Umsatzwachstum sorgen. Ohne den einst stetig blasenden Rückenwind einer Wachstumsbranche werden sich klassische Festnetzbetreiber indes schwer tun, die wieder gestiegenen Erwartungen zu erfüllen. Sollten sie es nicht schaffen, aus eigener Kraft vom Fleck zu kommen, steht ihnen das nächste Sturmtief schon bevor: Unter dem Einfluss des Handys entwickelt sich das klassische Telefon im Hausflur zu einem Auslaufmodell.