MySQL-Zeichen stehen auf Enterprise

09.11.2006
Von Herrmann Gfaller

Selbstkritik

In dieser Einschätzung ist man bei MySQL selbst etwas vorsichtiger, noch seien hier Jahre an Erfahrung aufzuholen. Dennoch kann Kaj Arnö, Vice President der Open Source Community Relations und Geschäftsführer der MySQL GmbH, darauf verweisen, dass man in diesem Jahr Testläufe gegen IBMs DB2, Microsofts SQL Server sowie gegen 9i und 10g von Oracle gewonnen habe. Dabei handelte es sich allerdings vor allem um Anwendungen aus dem angestammten Web-Umfeld.

Als Zugpferd für unternehmenskritische Anwendungen hat sich die Cluster-Version der Datenbank erwiesen. Damit wird zum Beispiel die Multimedia-Plattform von Seat Pagine Gialle betrieben: Das Branchenverzeichnis umfasst - nach 1900 Kategorien geordnet - mehr als drei Millionen Unternehmen, auf die europaweit rund eine Million Kunden zugreifen. Täglich sind etwa 1,3 Millionen Visits und zwölf Millionen Datenbankabfragen zu bewältigen. Unternehmenskritisch ist auch der Webshop von neckermann.de, wo das MySQL-Cluster auf zehn Servern läuft und die anderen MySQL-Datenbanken (etwa für Produkt- und User-Daten) auf weiteren 22 Servern.

Die Cluster-Technik von MySQL zeichnet sich durch das Shared-Nothing-Konzept aus, das rasche Antwortzeiten bei Lesezugriffen garantiert, weil alle Daten im Hauptspeicher gehalten werden. Dieses Konzept hat allerdings einen Overhead bei Schreibzugriffen zur Folge, insbesondere wenn viele Knotenrechner in einer Server-Farm koordiniert werden müssen. Solche Server-Farmen sind bei MySQL die Regel, da man auf preiswerte Intel- beziehungsweise AMD-Plattformen und damit auf Scale-out-Architekturen setzt. Der Nachteil bei den Schreibzugriffen lässt sich beheben, weil MySQL zulässt, für die verschiedenen Aufgaben unterschiedliche Speicher-Engines einzubinden.

Dennoch vermissen einige Kunden ein Cluster-Konzept à la Oracle, bei dem alle Knoten auf denselben Festplattenspeicher zugreifen. MySQL hat zwar ein in Ansätzen ähnliches Konzept versprochen, doch dies will nicht so recht zur Ausrichtung des Unternehmens auf preiswerte Standardausrüstung (PCs, IP-Verbindungen etc.) und Scale-out-Architekturen passen. Das Shared-Storage-Konzept arbeitet meist mit aufwändigen SAN-Infrastrukturen auf Basis schneller, aber auch teurer Fiber-Channel-Verbindungen.

Schützenhilfe, um das Image der reinen Web-Datenbank loszuwerden, erhält MySQL von ganz anderer Seite. Das Unternehmen gewinnt unter Softwarehäusern immer mehr Kunden, die eine Datenbank für ihre Produkte brauchen. Rund die Hälfte der MySQL-Einnahmen stammt inzwischen von solchen OEM-Kunden. Zu ihnen gehören die von Infor übernommene Baan-Eignerin SSA Global und die Karlsruher Industrial Application Software GmbH (IAS).

Auf der Computermesse Systems in München hat auch der britische ERP-Konzern Sage angekündigt, MySQL nach und nach in seine Produkte zu integrieren. In Deutschland macht die von den Briten aufgekaufte Bäurer-Produktfamilie den Anfang, für die unter der Bezeichnung Bäurer Open Access eine Open- Source-Plattform unter Einschluss von MySQL entwickelt wird.

Bäurer bald auch mit MySQL

Die Verfügbarkeit ist mit dem Bäurer-Release 6.0 für die CeBIT 2007 angekündigt. Bereits im Einsatz sind die MySQL-gestützten Lagersysteme LFS 400 von Erhardt + Partner aus Boppard-Buchholz zum Beispiel beim Logistikdienstleister von Danone Waters Deutschland (Evian, Volvic). Das System verwaltet dort alle Daten des Lagersystems und bewältigt bis zu 700 Transaktionen pro Sekunde.