Geschäftsmodelle bleiben weiter unklar

Musikverkauf im Internet lockt Branchengrößen

13.04.2001
MÜNCHEN (CW) - Immer mehr Unternehmen hoffen, mit dem Musikgeschäft im Internet ihre Kassen klingeln zu lassen. Microsoft, MTV und Yahoo haben entsprechende Angebote angekündigt. Doch während sich verschiedene Koalitionen aus Musikvermarktern und Internet-Companies herauskristallisieren, fehlt es nach wie vor an überzeugenden Geschäftsmodellen.

Sind die Nutzer bereit, Geld für Musikdaten zu bezahlen, die sie bislang kostenlos aus dem Internet herunterladen konnten? Diese Frage, die bislang niemand sicher beantworten kann, dürfte zur Gretchen-Frage für alle Unternehmen werden, die mit Musik Geld im World Wide Web verdienen wollen.

Und das sind nicht wenige. Neben den großen Musikfirmen wie der Bertelsmann-Tochter BMG, Time Warner, EMI sowie Vivendi Universal und Sony Music kommen immer mehr Companies aus der IT-Branche auf den Geschmack. So kündigte beispielsweise Real Networks vor kurzem an, mit "Music Net"eine eigene Tauschbörse auf die Beine zu stellen (siehe CW 14/01, Seite 9). Branchengrößen wie Microsoft und Yahoo zogen mit ähnlichen Ankündigungen nach.

Die Gates-Company plant mit dem Angebot "MSN-Music" ihren Einstieg in das Online-Musikgeschäft. Das Angebot werde sich als Internet-Radio-Portal präsentieren, über das bis zu einer Million Online-Radiosender angesteuert werden könnten, erklärt Produkt-Managerin Sarah Lefko. Downloads von Musikdateien sind dagegen nicht möglich. Nutzer sollen sich mit MSN Music ihr eigenes Radioprogramm zusammenstellen können. Anwender könnten nach bestimmten Stilrichtungen oder Songs suchen. Über MSN Music würden sie dann weitergeleitet zu Seiten, wo die Songs zu hören beziehungsweise zu kaufen seien.

Portale öffnen die Tür zum KundenDas angeschlagene Internet-Portal Yahoo hat angekündigt, mit den Musikkonzernen Sony Music und Vivendi Universal zusammenzuarbeiten, um Musik über das Internet zu verbreiten. Von dieser Allianz hoffen beide Seiten zu profitieren. Yahoo öffnet seinen Verbündeten mit 185 Millionen Nutzern einen neuen weltweiten Absatzmarkt. Die Betreiber des Portals könnten mit den Musikdiensten ihre bestehende Klientel enger an sich binden und neue Kunden dazugewinnen. Die hat der Internet-Pionier auch bitter nötig. Im laufenden Jahr musste Yahoo bereits zwei Gewinnwarnungen abgeben.

Laut den Einzelheiten des Deals zwischen Yahoo und den Musikkonzernen handelt es sich allerdings nicht um eine exklusive Partnerschaft. Yahoo kann demnach auch Titel anderer Musikkonzerne in sein Internet-Angebot aufnehmen, während Sony und Vivendi ihre Songrechte auch an andere Internet-Companies lizenzieren können. In einem ersten Schritt wird Yahoo in seinem Portal auf das Musikangebot "Duet" von Sony und Vivendi hinweisen. Ab Sommer dieses Jahres soll ein direkter Download von Musiktiteln im Yahoo-Portal möglich sein. Über den Umfang des Angebots sowie die Preise gibt es bislang keine Informationen.

Als neutraler Mitspieler versucht auch der Musikkanal MTV, ein Internet-Portal namens "MTVi" für Musik zu entwickeln. Geplant ist ein Web-Radio, das gleichzeitig als Basis für die Downloads dienen soll. Gefällt einem Hörer ein Song, könne er diesen gleich auf seinen Rechner herunterladen, erklärt Nicholas Butterworth, President des MTVi-Bereichs.

Experten bescheinigen dem Projekt, zumindest was das Angebot anbelangt, gute Erfolgsaussichten. Als neutraler Player konnte sich MTVi die Unterstützung aller großen Musikfirmen sichern. Bereits ab Ende April sollen 10000 Titel im Netz zu haben sein. Achillesferse des Dienstes sei jedoch das Preissystem, kritisiert Analystin Danielle Romano von Jupiter Research. MTVi will für jeden Download einzeln abkassieren. Die Preise dürften etwa denen im Einzelhandel entsprechen. Die Nutzer würden dagegen eher einen Abonnementservice mit einem breiteren Angebot favorisieren, vermutet Romano. Außerdem komme der Download die Nutzer damit teurer als der Erwerb einer CD. Beim Online-Kauf fallen zusätzlich die Verbindungsgebühren und die Kosten für den Rohling an.

Nach Ansicht von Branchenkennern wird der Erfolg der verschiedenen Musikplattformen entscheidend davon abhängen, wie breit das Musikangebot ist. Duet kann auf 43 Prozent aller aktuell angebotenen Songs zurückgreifen. Jean-Marie Messier, Vorstandsvorsitzender von Vivendi, hofft, dass sich weitere Musikkonzerne für eine Zusammenarbeit mit Duet entscheiden.

Das umfassende Musikangebot war einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Napster. Alle Zeichen deuten jedoch darauf hin, dass das Schicksal des Tauschbörsenpioniers besiegelt ist. Der Verband der Musikindustrie drängt die Napster-Verantwortlichen, endlich brauchbare Filter einzusetzen, um illegale Musikangebote aus dem Netz zu filtern. Die Bertelsmann E-Commerce Group (BeCG), die angekündigt hatte, mit Napster einen gebührenpflichtigen Tauschdienst einzurichten, tut augenblicklich kaum etwas, um den stark angeschlagenen Verbündeten zu stützen. Dagegen stellt der deutsche Medienkonzern sein Engagement mit Real Networks Music Net in den Vordergrund. Die Beteuerungen, dass davon auch Napster profitieren könnte, klingen halbherzig. Insider argwöhnen, es gehe Bertelsmann nur darum, die Napster-Klientel auf ein anderes kostenpflichtiges Portal abzuwerben. Wenn dies gelungen sei, werde Bertelsmann Napster fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

Während hinter den Kulissen um Allianzen und Verträge gestritten wird, bleibt eine entscheidende Frage ungeklärt: Lässt sich mit einem gebührenpflichtigen Musikangebot im Internet Geld verdienen? Marktforscher bezweifeln, dass die Nutzer, die bislang ihre Musik bei Napster, Gnutella und Konsorten umsonst bekommen haben, von heute auf morgen bereit sein werden, für die Songs zu zahlen - egal ob als Abonnement oder mit einer Abrechnung pro Musiktitel. Sonderangebote oder Zusatzservices, über die sich Kunden anlocken ließen, sind bislang nicht in Sicht.

Abb: Musikmarkt

Die fünf Großen im Musikgeschäft haben den Markt fest im Griff. Quelle: RIAA