Mundraub

02.10.1987

Der Copyright-Streit zwischen IBM und Fujitsu ist in einem Schlichtungsverfahren außergerichtlich beigelegt worden (CW Nr. 39 vom 25. September 1987, Seite 7: "Fujitsu und IBM einigen sich unter der Hand"). Danach können die Japaner ab sofort IBM-kompatible Betriebssoftware mit ihren Systemen anbieten. An den Source-Code kommen sie freilich nicht heran.

Dieses Ergebnis laßt verschiedene Interpretationen zu. Um mit den naheliegendsten zu beginnen: Es ist unwahrscheinlich, daß Fujitsu im PCM-Business nunmehr den zweiten Wind bekommt. Bei allen Vorbehalten gegen die Politik der IBM, über die Betriebssystemschiene Umsatz zu generieren, werden sich die Kunden des Marktführers nicht auf Experimente einlassen, obwohl ihnen die gesalzenen Preise nicht schmecken. Bei MVS/XA etwa wird ein Software-Mix seiten möglich sein - dazu ist die maschinennahe Schicht zu empfindlich.

Die andere oft übersehene Variante: Betriebssystem-Kompatibilität besteht immer auch in zwei Richtungen, nämlich von IBM weg und auf Big Blue zu. Das heißt: Die IBM kann an die Ablösung von Fujitsu-Installationen denken. Erstaunlich: Auf dem japanischen Markt dürfte ihr dies zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten eröffnen.

Bleibt der Wettbewerbsaspekt: Was die Schlichter in ihrer Begründung ausführen, bietet ein gutes Rezept, die monopolistischen Geschäftspraktiken der IBM anzuprangern. Für die Mainframe-Konkurrenten des Marktführers, so die Aussage, sei die Lage hoffnungslos, wenn sie nicht über ein vergleichbares Betriebssystem-Angebot verfügen könnten. Zur Erinnerung: Mother Blue hatte immer wieder hervorgehoben, daß sie nicht verpflichtet sei, ihr Betriebssystem-Know-how, geistiges Eigentum sozusagen, zum Abkupfern freizugeben.

Nichts Iieß sich bisher dagegen tun. Desto wichtiger wird es, den Text der IBM-Fujitsu-Vereinbarung genau zu studieren. Die Japaner waren, was die Verletzung von IBM-Copyrights betrifft, voll geständig. Nur beriefen sie sich auf den "Mundraub"-Paragraphen: Die IBM sei nun einmal der Markt - und der Anwendern brauche Alternativen. "Der Schiedsspruch bestätigt indirekt, daß die IBM aus einer Monopolposition heraus handelt

Man sollte die Bedeutung der Vereinbarung nicht überbewerten, schon wahr: Unter vielen heiligen Kühen in der DV-Welt ist die Betriebssystem-Integrität die heiligste. Nein, die IBM-Kunden werden brave MVS-Anwender bleiben. Das Recht auf Marktfreiheit nicht einfach herzuschenken, ist jedoch das Gebot der Stunde. So gesehen könnte der IBM-Fujitsu-Text noch von großem Nutzen sein.