Nach vier Jahren kommt das erste offizielle Release

Mozilla 1.0 will dem Internet Explorer einheizen

03.05.2002
MÜNCHEN (wm) - Nach mehr als vier Jahren Arbeit hat das Netscape-Nachfolgeprojekt "Mozilla" nun die Version 1.0 des gleichnamigen Open-Source-Browsers angekündigt. Derzeit steht der Release Candidate für die letzte Testphase zum Download bereit.

Anfang 1998, als der Browser-Krieg noch tobte, hat Netscape seinen Web-Client in ein Open-Source-Projekt mit dem Namen Mozilla.org überführt. Das in finanziellen Schwierigkeiten steckende Unternehmen erhoffte sich durch die Einbindung einer großen Entwicklergemeinde, dass der Browser gegen Microsofts "Internet Explorer" bestehen könne.

Jahrelange VerspätungAllerdings hatten sich die Projektmitglieder im Zeitplan erheblich verschätzt. Das lag nicht zuletzt an den ehrgeizigen Aufgaben und Zielen. Ging man beispielsweise am Anfang davon aus, auf der Codebasis des "Netscape Navigator 4" aufbauen zu können, so wurde später der alte Quelltext weitgehend verworfen. Angesichts der mittlerweile erdrückenden Übermacht von Microsofts Internet Explorer entschlossen sich die Macher außerdem sehr bald dazu, nicht einfach nur einen weiteren Browser herauszubringen, sondern mit Mozilla eine Anwendungsplattform bereitzustellen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Rendering-Engine "Gecko" gelegt. Sie bildet den Kern des Browsers und ist für die Darstellung von HTML-Seiten zuständig. Gecko kann auch in andere Browser ohne die Mozilla-Hülle integriert werden.

Mozilla als AnwendungsplattformEin weiteres wichtiges Projekt unter dem Dach von Mozilla ist XUL (XML User-Interface Language). Es handelt sich dabei um eine XML-basierende Sprache, mit der eigenständige Anwendungen mit einer individuellen Benutzeroberfläche (User Interface) erstellt werden können. Anlaufstelle für Entwickler ist hierbei www.mozdev.org.

Nach Angaben des für die Mozilla-Architektur verantwortlichen Brendan Eich wollte man mit der Version 1.0 keinesfalls einen Einschnitt in Sachen Funktionalität und Ausstattung signalisieren, wie es bei kommerzieller Software üblich ist (http://www.mozilla.org/roadmap/mozilla-1.0.html). Im Prinzip handelt es sich lediglich um einen weiteren Milestone - damit markiert Mozilla seit Beginn des Projekts seine Entwicklungsschritte. Dabei soll vor allem eine einheitliche, solide Basis geschaffen werden, um Firmen, Entwicklern und Buchautoren die Arbeit zu erleichtern.

Was die Marktchancen des Browsers betrifft, gehen die Einschätzungen auseinander. Die von Mozilla.org angepeilte Verbreitung auf alternativen Internet-Zugangsgeräten wie Smartphones, PDAs oder Settop-Boxen dürfte zumindest nicht einfach sein, da in diesen Bereichen bereits eine Reihe von etablierten Produkten inklusive des schlankeren Mitstreiters "Opera" existieren.

Abzuwarten bleibt, ob Netscape-Besitzer und Mozilla-Sponsor AOL tatsächlich - wie vielfach kolportiert - in seiner nächsten Version den Mozilla-Ableger Netscape Navigator integriert. Einen diesbezüglichen Testlauf hat man soeben bei der Tochter Compuserve gestartet. Damit wäre zwar der Marktanteil des Internet Explorer nicht ernsthaft getroffen, aber immerhin wäre das ein deutliches Signal. Nach Ansicht einiger Analysten wäre es für AOL die letzte Chance, doch noch einen Nutzen aus der Übernahme von Netscape zu ziehen.