Deutsche Start-ups

"Move your mind - your ass will follow"

25.09.1998

Was treibt sie, diese Unternehmensgründer? Gilt für sie der Spruch "Lieber kleiner Herr als großer Knecht"? Sind sie von Stolz, Geltungssucht, Ehrgeiz gepackt, und ist ihr wichtigster Antrieb ein archaisches Unabhängigkeitsstreben? 547 Unternehmer waren bereit, einen umfangreichen Fragebogen auszufüllen und ihre Einsichten mitzuteilen.

Nur knapp sechs Prozent der Antworten kamen von Firmengründern in der DV- und Kommunikationsbranche. Im folgenden sind daher nur verallgemeinerbare Erkenntnisse erwähnt. Spezielle Eindrücke der Starter in der IT-Branchesind im Text hervorgehoben.

Die Beteiligten können wertvolle Tips für die Phase nach der Gründung geben. Immerhin hatten 75 Prozent schon mehr als ein Jahr hinter sich, gut ein Viertel mehr als zwei Jahre. Und sie sind keine Grünschnäbel: Zu gut 50 Prozent besitzen sie mehr als fünf Jahre Berufserfahrung in der eigenen Branche. Mit 31 Prozent war die Altersklasse der 31- bis 35jährigen am stärksten vertreten.

Das Bild des eigenbrötlerischen Erfinders und Bastlers muß revidiert werden: Mehr als ein Drittel der Befragten wagten den Schritt in die Selbständigkeit mit Partnern. Bemerkenswert, daß 85 Prozent dies als richtige Entscheidung vertreten und wieder gemeinsam handeln würden.

Ob die Gründer ihrem Ruf als Hoffnungsträger der Nation gerecht werden, wird meist allein an der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze gemessen. Und da können sich die Entrepreneure sehen lassen. Im dritten Jahr hatten nahezu 15 Prozent mehr als zehn Mitarbeiter auf der Gehaltsliste. Der Prozentanteil der Einzelkämpfer sank von gut 30 Prozent im ersten auf knapp 17 Prozent im dritten Jahr.

Für den Gründer ist neben der Quantität der Arbeitsplätze besonders die Qualität der Mitarbeiter entscheidend. Ingo Johannsen, Geschäftsführer der Innotech Beteiligungs-GmbH in Karlsruhe, hält ein hochwertiges Management-Team an der Spitze für besonders wichtig: "Neben dem Ideenträger braucht eine Start-up-Company einen Geschäftsführer für Finanzen, Controlling und Steuerung sowie einen vertriebsorientierten Marketier."

Thomas Krempl, Geschäftsführer der Hyperwave GmbH in München, rät: "Stellen Sie dem Produktvisionär einen Vertriebs- und Marketing-Profi sowie einen Org.- und Finanz-Manager zur Seite." Die Experten sind sich einig: Selten sind die genannten Fähigkeiten in einer Gründerperson vereinigt. Ihre Teamqualität ist entsprechend ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor.

Die Gründer sind von Finanz- und Kapitalfragen, von Problemen mit Kundenakquise und Aufträgen, von Zahlen über Umsatz, Gewinn und Kosten - sowie schlicht von Existenzängsten geplagt. Immerhin 17 Prozent geben ihre Unsicherheit zu.

Jung, dynamisch und voller Ängste

In der Reihenfolge der Sorgen kommt die Bürokratie mit 16 Prozent der Nennungen erst an sechster Stelle. Auf Platz eins bis drei kommen die Fragen: Wie finanziere ich mein Unternehmen? Wird mein Angebot akzeptiert und gelingt mir die Markteinführung? Habe ich den Markt richtig eingeschätzt, und stimmt mein Konzept?

Für nur fünf Prozent der Gründer haben sich die Hoffnungen, die sie in die Selbständigkeit setzten, nicht erfüllt. Der Rest sieht sich diesbezüglich "nicht enttäuscht", aber massiv überrascht. Gut 80 Prozent erlebten Herausforderungen, die ihren Erwartungen widersprachen.

Die größten Überraschungen brachten der Markt und der Faktor Zeit. Es wurde den Gründern klar, daß ein Produkt erst dann spannend ist, wenn es "marktfähig" ist, das heißt, wenn es nicht nur für die Fan-Gemeinde konzipiert wurde, sondern auch die "early adopters" erreicht. Die zweite wichtige Lehre: Der beim Start unbändige Elan muß sich in Geduld verwandeln. Lange Anlaufphasen, beispielsweise für die Mittelbereitstellung, und unproduktive Zeiten zerren arg an den Nerven der Gründer.

Die Unternehmer hoben rückblickend drei Wünsche hervor: Sie hätten erstens Berater gebraucht, die sie durch die gesamte Anfangsphase und in verschiedenen Aspekten der Gründung begleiten. Zweitens, so ihre Meinung, könne ein "Führerschein für Unternehmensgründer" manches erleichtern.

An dritter Stelle steht ein umfassendes Informationspaket für die jeweilige Branche, mit allen Informationen von der Finanzierung über den Vertrieb bis zur Konkurrenz- und Marktanalyse. Dieser Wunsch trägt eine Aussage: Es gibt zwar eine Fülle von Informationen, diese sind aber selten gebündelt oder in geeigneter Aufbereitung verfügbar.

Genau hier könnte ein Modell ansetzen, das mit "Führerschein" überschrieben ist. Dem potentiellen Gründer sollte schon sehr früh bewußt werden, daß ohne Sicherheiten kaum Fördergelder fließen. Dann sollte er sich und seine Idee präsentieren können. Die Analyse des Business-Plans eines erfolgreichen Unternehmens könnte folgen. Anschließend sollte der künftige Unternehmer ein computergestütztes Planspiel - durchaus auch mit einer Konkursschleife - durchlaufen.

So vorbereitet, kann er qualifiziert an einem der vielen Business-Plan-Wettbewerbe teilnehmen und den hoffentlich hochdotierten Siegerpreis für die Gründung seiner GmbH nutzen. Coaching - durch erfolgreiche Unternehmer und nicht durch selbsternannte Berater - könnte diesen Prozeß begleiten.

Inhaltlich wünschen sich die Entrepreneure qualifizierte Unterstützung in den folgenden Bereichen: Vertrieb/Verkauf/Marketing mit über 20 Prozent der Nennungen, Steuern mit gut 17 Prozent, Finanzen und Liquidität mit knapp 17, Personal mit gut 16 sowie Organisation und DV mit 15 Prozent. Die Zahlen belegen, daß kundenorientierte Prozesse höchste Priorität haben und Partner mit Steuer- und Finanz-Know-how einen hohen Stellenwert genießen.

Thomas Krempl von Hyperwave drückt es so aus: "Wesentliches Erfolgskriterium ist die professionelle Kommunikation der Produkte und Dienstleistungen und deren Umsetzung in Verkaufserfolge." Er rät zur konsequenten Verfolgung und Einhaltung des Business-Plans, insbesondere im kurzfristigen Bereich von zwölf bis 15 Monaten. "Viele ergehen sich im Kristallkugellesen und wissen genau, was sie in fünf Jahren umsetzen, ihre Jahresaktionspläne sind aber unscharf."

Da kann ihm Venture-Capital-Spezialist Johannsen nur zustimmen: "Viele Business-Pläne sind voller Excel-Tabellen mit Hochrechnungen zu Umsatz, Gewinn und Liquidität für drei bis fünf Jahre im voraus. Die wichtigen Aktionspläne für ein Jahr im Detail fehlen meistens."

Bei den Finanzquellen führt kein Weg an der Hausbank vorbei. Sie hat in der Regel den Durchblick im Förderdschungel und ist für die Vergabe der DtA- und LfA-Kredite zuständig. Alle weiteren Informationen zur Finanzierung sind nur im konkreten Einzelfall sinnvoll und sollen hier nicht weiter vertieft werden.

In einer offenen Frage hatten die Neugründer die Möglichkeit, ihre drängendsten Probleme in der Nachgründungsphase zu benennen. Und da gibt es doch einige:

- Finanzen, insbesondere Außenstände;

- Markt, hoher Wettbewerbsdruck;

- Kunden, speziell Akquise und mangelnde Aufträge;

- Personal, Führung und Gewinnen qualifizierter Mitarbeiter;

- organisatorische, strukturelle Probleme, insbesondere Büroorganisation und Koordination von Aufgaben;

- Staat, Behörden, Banken (vor allem werden Bürokratie und Restriktionen beklagt);

- Persönliche Probleme, wie Zeitmangel für Privatleben, Urlaub, Freizeit sowie

- Lieferanten, Partner: Unzuverläßigkeit und mangelnde Qualität.

Aber Unternehmer resignieren nicht so leicht. Auf die Frage, ob sie wieder eine Neugründung ins Auge fassen würden, antworteten gut 60 Prozent mit Ja. Knapp 30 Prozent meinten "ja, wahrscheinlich" und nur sechs Prozent "eher nicht". Vier Prozent würden den Schritt "auf keinen Fall" mehr wagen.

In der Liste der zentralen Erfolgsfaktoren führen mit großem Abstand gesicherte Finanzierung, systematische Vorbereitung und tragfähiges Gründungskonzept sowie hoher persönlicher Einsatz und Engagement. Daß die Gründer ihre Lektionen gelernt haben, zeigt sich dadurch, daß die Nennung des Statements "reifes, marktgängiges Produkt" erst an zwölfter Stelle erfolgt. Eine gute Idee allein ist noch keine Basis für ein erfolgreiches Unternehmen.

Und hier baut sich in den persönlichen Gesprächen mit Gründern auch schnell das Frustpotential auf. Weist man auf die unumgängliche Voraussetzung von finanziellen Sicherheiten und den akribisch zu durchlaufenden Vorbereitungsprozeß hin, sind viele Gründer erst mal eingeschnappt.

Ein Hauptgrund für das Scheitern ist die Verliebtheit in die eigene Produkt- oder Dienstleistungsidee. Daß die eigenen Überlegungen schon zigmal existieren, daß es etablierte Wettbewerber gibt, will man einfach nicht sehen. Natürlich kann man vieles besser machen als bestehende Unternehmen, aber dazu braucht es ein ausgefeiltes Geschäftsmodell.

Die Befragten haben folgende drei Hauptpunkte für das Scheitern von Gründungen genannt: an erster Stellung Finanzierungsprobleme, also zu geringe Kapitalausstattung und ein schlechtes Finanzierungskonzept. Auf Platz zwei folgen Planungs- und Konzeptfehler: Die Planung ging am Markt vorbei; es gab keine Marktanalyse und/oder keine Marketing-Strategie. Das drittwichtigste Problem ist ungenügende persönliche Qualifikation: Es mangelt an kaufmännischem Wissen und an Branchenerfahrung.

Doch das seien keine Gründe, vorzeitig aufzugeben, meinten Teilnehmer der Befragung: "Getragen durch Begeisterung und Intuition war vieles möglich" und "Die Menschen müssen umdenken, indem sie selbst mehr Verantwortung übernehmen und nicht nur kritisieren". Oder mit Konfuzius: "Es ist besser ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.

*Paul Maisberger ist Gründer der Maisberger & Partner Gesellschaft für strategische Unternehmenskommunikation mbH in München. Die diesem Beitrag zugrundeliegende Studie ist als Buch im Bertelsmann Verlag erschienen und kostet 49 Mark. Es ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 3-7639-0102-7) oder direkt bei Maisberger & Partner.

Abb: Mangelhafte Kenntnisse über mehr als das eigene Fach vermissen viele Unternehmensgründer. Quelle: Maisberger-Studie