Keine Lizenzvereinbarung getroffen

Motorola zieht sich aus dem Apple-Clone-Geschäft zurück

19.09.1997

Motorola wird seine "Starmax"-Macintosh-Clones nur noch bis Ende 1997 vertreiben. Allerdings werde man seinen Kunden auch weiterhin Support anbieten. Die unentgeltliche telefonische Hilfestellung leistet Motorola ab sofort ein Jahr lang statt bislang 90 Tage.

Gerüchten zufolge plant Motorola als Reaktion auf Apples hermetische Lizenzierungspolitik, die Entwicklung von Power-PC-Prozessoren einzustellen, die in Apples Rechnern zum Einsatz kommen. Außerdem wurde bekannt, daß die ebenfalls Power-PC-Chips produzierende IBM keine Sublizenzen des Mac-OS mehr an andere Rechnerhersteller vergeben will. In der Vergangenheit hatte etwa Tatung solch ein Lizenzrecht über Big Blue erhalten.

Motorola wird darüber hinaus die Rechnerfamilie "Starmax Pro 6000" gar nicht erst auf den Markt bringen. Ursprünglich sollten die Maschinen in der dritten Septemberwoche vorgestellt werden. Bei diesem Rechnertyp handelt es sich um Apple-Clones, die laut Motorola konform sind zur Common Hardware Reference Platform (CHRP).

Apple zeigte allerdings in der Vergangenheit kein Interesse daran, CHRP-konforme Rechner in die eigene Produktpalette aufzunehmen. Im Zuge der Lizenzierungsdebatten mit Apple-Clone-Herstellern hatte dann Apple-Aufsichtsrat Steve Jobs die Losung ausgegeben, das Macintosh-Betriebssystem, Version 8.0, nicht für CHRP-Systeme zu lizenzieren. Diese Entscheidung bedeutete das Aus für Motorolas Starmax-Pro-Familie. Als Reaktion darauf stellte Motorola auch die Entwicklung eines CHRP-konformen Mac-Notebooks ein.

Zwar hatte Motorola im Juni 1997 mit Apple bereits eine Lizenzierungsvereinbarung getroffen. Aber die neue Lizenzpolitik des Mac-Anbieters lasse dieses Abkommen zur Makulatur werden, sagte Motorolas Europa-Manager Samer Roumieh in einer Telefonkonferenz. Unklar ist, ob Apple durch seine Kehrtwende gegen vertragliche Vereinbarungen verstößt und Motorola über rechtliche Konsequenzen nachdenkt.

Nicht Motorolas Kerngeschäft

Auskünfte, die über das offizielle Kommuniqué hinausgingen, waren nicht zu bekommen. Über die Zahl der bislang von Motorola verkauften Apple-Clones wollte sich Roumieh nicht äußern. Eine andere Quelle teilte der CW allerdings mit, Motorola habe in den ersten zwei Monaten seit der Markteinführung der Starmax-Apple-Clones weltweit rund 56 000 dieser Rechner verkauft. Stimmt diese Zahl, dann kann der Vertrieb von Apple-Clones nicht zu Motorolas Kerngeschäft gezählt haben.

Roumieh machte auch keine Angaben dazu, in welchem Verhältnis die Produktionskosten von Motorola-Clone-Systemen zu Apple-Rechnern stehen. Damit bleibt offen, ob Macintosh-Systeme bei Motorola günstiger zu erwerben waren als bei Apple.

Indes begründet Motorola zu erwartende Gewinneinbußen für das dritte Geschäftsquartal bereits mit der Aufgabe des Mac-Clone-Geschäfts. Die US-Amerikaner hatten vergangene Woche avisiert, der Gewinn werde "erheblich niedriger" sein, als Analysten dies prognostiziert hätten. Daraufhin fiel die Aktie um 8,37 auf 66 Dollar. Seit Juli 1997 haben Motorola-Anteile - ausgehend von einem Hochstand bei 90,5 Dollar - 18 Prozent an Wert verloren. Motorola gab ferner bekannt, im Zuge der Einstellung des Mac-Clone-Geschäfts vorsteuerlich eine Belastung von 95 Millionen Dollar in die Bilanz stellen zu müssen.

Für das schlechte Quartalsergebnis zeichnet aber ebenso das seit 18 Monaten rückläufige Mobilfunk- sowie Halbleitergeschäft verantwortlich. Auch haben sich die Aktivitäten für Pager sowie für drahtlose Telefonie langsamer entwickelt als angenommen. Ferner seien die Kosten für Motorolas versuchten Einstieg in das Geschäft mit Flachbildschirmen stark angestiegen.