Buchtipp

Motivation 3.0

06.05.2011
Von Winfried  Kretschmer
Unsere Gesellschaft braucht ein neues Betriebssystem, das Menschen so beschreibt, wie sie arbeiten wollen: eigenmotiviert, selbstbestimmt und miteinander verbunden.

Holzschnittartig skizziert: Das frühe Betriebssystem menschlicher Gesellschaften, David Pink nennt es Motivation 1.0, hieß Überleben. In einem bemerkenswerten kulturellen Entwicklungsprozess haben wir es durch ein neues ersetzt, Motivation 2.0: Belohnen und Bestrafen. Seit den 1960er-Jahren regten sich dann aber Zweifel an diesem System, das implizit davon ausgeht, "dass sich Menschen kaum von Pferden unterscheiden", und sie wie funktionierende Teile einer Maschine behandelt.

Veraltete Annahmen

Es gab ein Upgrade: Motivation 2.1, ein System, das eine sachte Annäherung an intrinsische Motivation sucht und von "Eigenverantwortung" und "Flexibilität" spricht, "mit leiser Stimme". Für Pink ist das nichts anderes als "Kontrolle im Schafspelz". Seine Einschätzung: Zu viele Organisationen agieren noch immer aufgrund von Annahmen über menschliche Motivation und Leistung, die veraltet sind, ungeprüft übernommen werden und "mehr auf Volksempfinden denn auf Wissenschaft basieren".

Die Folge: Das Betriebssystem stürzt ab, häufig und unvorhersehbar. Und die Leistungen von Menschen und den von ihnen geschaffenen Organisationen bleiben weit hinter dem zurück, was möglich wäre. Pink sagt: Es braucht ein umfassendes Upgrade, es braucht Motivation 3.0. Dieses neue Betriebssystem basiert auf der Anerkennung dreier angeborener psychologischer Grundbedürfnisse, nämlich Kompetenz, Selbstbestimmtheit und Verbundenheit: "Menschen besitzen einen angeborenen inneren Trieb, eigenständig, selbstbestimmt und miteinander verbunden zu sein."

Daniel H. Pink: Drive. Was Sie wirklich motiviert, Verlag Ecowin, 240 Seiten, 21,90 Euro.
Daniel H. Pink: Drive. Was Sie wirklich motiviert, Verlag Ecowin, 240 Seiten, 21,90 Euro.
Foto: Ecowin

Der Charakter der Arbeit verändert sich. Standen im 20. Jahrhundert Aufgaben im Vordergrund, die routiniert nach bestimmten Verfahren bearbeitet wurden ("algorithmisch"), geht es heute zunehmend darum, das Verfahren erst zu finden, also mit unterschiedlichen Möglichkeiten zu experimentieren, um neue Lösungen zu entwickeln ("heuristisch"). In der heutigen Wirtschaft werden algorithmische Tätigkeiten entweder automatisiert oder dorthin verlagert, wo sie am billigsten zu erledigen sind. Damit verschiebt sich der Schwerpunkt auf die kreativen, heuristischen Tätigkeiten.

Treiber des Wandels

Es ist interessant, wie klar Daniel Pink die entscheidenden Treiber des Wandels zu einer neuen Wirtschaft herausarbeitet und seine Thesen auf den zentralen Punkt hin zuspitzt: Das alte Betriebssystem, wie er es nennt, passte auf die alte Industriegesellschaft. In die neue Wirtschaftswelt passt es nicht mehr. Arbeit ist zu einem zentralen Feld der Identitätsbildung geworden. Und wer möchte sich seine Identität vorschreiben lassen?

Mehr Motivation

Die ausführliche Buchrezension ist nachzulesen beim CW-Kooperationspartner changeX einer Online-Plattform, die der Diskussion von Zukunftsideen gewidmet ist.