Momentan noch Zurueckhaltung Der elektronische Einkaufskorb wird sich langfristig durchsetzen

10.06.1994

MUENCHEN (CW) - Dem Online-Shopping steht eine grosse Zukunft bevor. So gehen die Marktforscher von Forrester Research davon aus, dass das Marktvolumen des elektronischen Einkaufs in den naechsten vier Jahren von 200 Millionen auf 4,8 Milliarden Dollar steigen wird.

Einkaeufer, die ueber ihr Modem Waren bestellen, befinden sich momentan selbst in den USA in der Minderheit. Einer Untersuchung der amerikanischen Forrester Inc. zufolge, nutzen nur zehn Prozent der Anwender von Online-Diensten die Moeglichkeit, elektronisch einzukaufen. Allerdings beobachteten die Anbieter ein steigendes Interesse an ihrem Angebot.

Die meisten sogenannten elektronischen Laeden bestehen aus einer Liste von Produkten und Preisen, Bilder finden sich nur selten und wenn, nur in schlechter Qualitaet. Vor allem dieser unattraktive Aufbau der Online-Shops sei fuer die momentane Zurueckhaltung der Anwender verantwortlich. Zudem werde zur Zeit nur eine eng begrenzte Bevoelkerungsgruppe durch Online-Dienste angesprochen. Laut Forrester sind beispielsweise 91 Prozent der Compuserve- Nutzer Maenner im Alter von etwa vierzig Jahren.

Bis jetzt setzen daher nur wenige Warenhaeuser auf diesen relativ neuen Verkaufskanal. Der Markt der Online-Dienste gilt als Experimentierfeld. Schmerzhaft mussten die Anbieter erfahren, dass sich die Verkaufskriterien der anderen Vetriebskanaele kaum uebertragen lassen. "Wir mussten praktisch bei Null anfangen. Es kommt vor allem darauf an, die moegliche Interaktion auszunutzen", erklaert einer der befragten Anbieter von Online-Shopping.

Fuer die Anbieter liegen die Vorteile der elektronischen Einkaufsdienste auf der Hand. Denn mit einer Investition in Hoehe von 15 000 bis 30 000 Dollar lassen sich bis zu einer Million potentieller Kunden erreichen. Bei dem Verkauf via E-Mail oder CD- ROM muss der Anbieter nur rund ein Prozent des Umsatzes in den Vertrieb investieren, bei Versandhaeusern, die per Katalog werben, liegen diese Kosten um den Faktor 20 hoeher.

Aufgrund dieser Vorteile sagen die amerikanischen Analysten den Online-Einkaufsdiensten hohe Steigerungsraten voraus. Mit ihnen sollen 1998 rund 4,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet werden. Ein Grund fuer dieses Wachstum sei die steigende Anzahl der Online- Kaeufer. Ihre Zahl soll in den naechsten vier Jahren von momentan 4,2 Millionen auf 19,5 Millionen ansteigen. Hinzu komme, dass das erforderliche DV-Equipment immer billiger werde und sich die elektronischen Laeden besser praesentierten. Gute Chancen sieht Forrester fuer CD-ROMs. Sie dienten allerdings weniger als Ersatz fuer Kataloge, sondern als Zusatzmedium fuer Online-Dienste.

Das TV-Shopping scheint auf den ersten Blick einen noch groesseren Absatzmarkt zu bieten als die Online-Dienste. Allerdings zeigen sich US-Firmen, die sich in diesem Bereich engagieren, wenig zufrieden. Die Kunden halten sich zurueck. Forrester nennt als Grund die nicht vorhandene Interaktivitaet des Mediums. Die TV- Konsumenten haetten keine Moeglichkeit, auf das Angebot Einfluss zu nehmen und wuerden deshalb bei den Verkaufsprogrammen zwangslaeufig mit Waren konfrontiert, die sie nicht interessierten. Deshalb prognostizieren die Marktforscher diesem Verkaufsmedium kein oder nur geringes Wachstum.

In Deutschland konnten sich die Online-Dienste noch weniger durchsetzen, hier planen die Anbieter eher mit dem sogenannten Interaktiven Fernsehen. So glaubt beispielsweise das Versandhaus Quelle, dass es ueber dieses Medium bereits im Jahr 2000 einen "erheblichen" Anteil seines Umsatzes erzielen kann. Allerdings sei dieses Vorhaben davon abhaengig, inwieweit sich das Interaktive Fernsehen in Deutschland ueberhaupt durchsetzen lasse.

Forrester prognostiziert dem Interaktiven Fernsehen oder Diensten wie Video-on-demand eine relativ flache Wachstumskurve, da die technischen Voraussetzungen fuer diese Medien in der naeheren Zukunft nicht vorhanden oder zu teuer seien.

Trotz ihres relativen Wachstums spielen diese elektronischen Vertriebskanaele zur Zeit eine verschwindend geringe Rolle. Per Online-Diensten wurden in den Vereinigten Staaten im letzten Jahr Waren in einem Wert von 200 Millionen Dollar verkauft.

Im Vergleich: Der traditionelle Markt ueber Haendler belief sich auf 1,5 Billionen Dollar, ueber Katalogversand wurden 53 Milliarden Dollar erwirtschaftet und ueber TV-Shopping rund 2,5 Milliarden Dollar. Angesichts dieser Groessenverhaeltnisse geht Forrester davon aus, dass sich in den naechsten fuenf Jahren der elektronische Einkauf kaum auswirken wird. Auf laengere Sicht werde sich dies aendern, wobei die Marktforscher den Online-Discountern die besten Chancen geben.