ERP-Systeme

Modernes ERP - eine Frage der Architektur

23.05.2013
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit dem Ausbau der ERP-Systeme wächst ihre Komplexität. Wer auf Einfachheit Wert legt, muss vor allem an der Architektur arbeiten.
Bausteine für ein modernes ERP.
Bausteine für ein modernes ERP.
Foto: fotolia.com/ArchMen

Häuslebauer und IT-Verantwortliche haben vieles gemeinsam. Beide müssen auf eine solide Architektur achten - das gilt für das Häuschen im Grünen genauso wie für das Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) als tragende IT-Säule in vielen Unternehmen. Architekturen rund um Business-Software sind pflegebedürftig und müssen sorgfältig überwacht werden.

Der Aufbau klassischer ERP-Systeme besteht aus mehreren Schichten. Norbert Gronau vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government an der Universität Potsdam unterscheidet folgende Ebenen:

  1. Die Basis einer ERP-Lösung bildet das Datenbank-Management-System (DBMS), das alle wichtigen Informationen aus den verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Produktion, Vertrieb und Finanzbuchhaltung vorhält. Im Regelfall setzen Anwender an dieser Stelle auf relationale Datenbanken. Systeme wie Oracle, IBMs DB2 und der SQL Server von Microsoft dominieren derzeit den Markt.

  2. Auf der Datenbank setzt die Applikationsschicht auf, die sich wiederum in verschiedene Komponenten untergliedern lässt. Ein datenbankabhängiger Teil regelt den Zugriff auf die Informationen in der Datenbank, ein unabhängiger Teil reicht die Daten an den Applikationskern des ERP-Systems weiter. Diese Trennung dient dazu, Optimierungsroutinen für den Zugriff auf die Datenbank möglichst effizient nutzen zu können. Neben dem eigentlichen Applikationskern, in dem typische ERP-Prozesse wie Finanzbuchhaltung, Produktionsplanung und Materialwirtschaft oder das Personal-Management abgewickelt werden, verfügen die Systeme in der Regel auch über eine eigene Programmierumgebung. Damit sind Anwender in der Lage, die Anwendungen eigenständig zu ergänzen. Middleware-Komponenten in der Applikationsebene sorgen zudem dafür, dass das ERP-System andere Programme ansprechen kann. Das funktioniert beispielsweise über "Remote Procedure Calls" (RPCs) oder über so genannte User Exits.

  3. Eine Adaptionsschicht gestattet es den Anwendern, ihr ERP-System an individuelle Anforderungen anzupassen. Wie tief diese Anpassungen eingreifen und das ERP-System modifizieren, hängt von den einzelnen Lösungen ab. Viele Applikationen bieten den Anwendern eine Reihe vorkonfigurierter Stellschrauben, mit deren Hilfe sich das System parametrisieren lässt. Der Vorteil dieser Parametrisierung liegt darin, dass die hier vorgenommenen Einstellungen am System in aller Regel Release-fähig sind. Wer sein System über diese vom Hersteller vorgegebenen Parameter hinaus verändern möchte, muss auf das Customizing zurückgreifen. Relativ unproblematisch sind Modifikationen über User Exits. Diese vordefinierten Anknüpfungsstellen werden vom Hersteller gepflegt und sind daher ebenfalls Release-fähig. Schwieriger wird es mit Veränderungen direkt im ERP-Code. In diesem Fall muss bei allen weiteren Veränderungen am System oder im Zuge von Updates ständig geprüft werden, ob das individuelle Customizing noch funktioniert.

  4. Das oberste Stockwerk des ERP-Gebäudes bildet die Präsentationsebene, die im Wesentlichen aus der Benutzeroberfläche, dem GUI (Graphical User Interface), besteht. Typischerweise nutzen die meisten aktuellen ERP-Systeme an dieser Stelle standardsierte Web-Clients. Anwender können so via Web-Browser von verschiedenen Endgeräten aus auf die ERP-Anwendungen zugreifen. Eine spezielle Client-Installation mit Anpassungen an das jeweilige Endgerät entfällt mit Browser-basierenden GUIs.

Dieses Schichtenmodell, das auf den ersten Blick eine solide und geordnete ERP-Architektur suggeriert, ist nicht in Stein gemeißelt. In den vergangenen Jahren haben sich in der Business-Software-Liga verschiedene Spezialdisziplinen herausgebildet, die rund um das ERP-System eingebunden werden wollen. Dazu zählen beispielsweise Systeme für Customer-Relationship-Management (CRM), Supply-Chain-Management (SCM) und Business Intelligence (BI). Mit diesen das ERP-System flankierenden Softwaremodulen wuchs auch der Integrationsaufwand.