Mobilfunk und Festnetz verschmelzen

02.03.2006
Von Dirk Leismann
Nach der Verschmelzung von Sprach- und Datennetzen verspricht die Konvergenz der Telefonwelten neue Möglichkeiten.
Wie eine Dockingstation verbindet IMS die verschiedensten Anwendungen über die Netze mit unterschiedlichen Endgeräten.
Wie eine Dockingstation verbindet IMS die verschiedensten Anwendungen über die Netze mit unterschiedlichen Endgeräten.

Die Grenzen verschwinden zunehmend, über das Internet Protocol (IP) in den Backbones der Netzbetreiber werden die unterschiedlichsten Netze miteinander verbunden. Das Ergebnis: konvergente Dienste für die Teilnehmer. Sie können schon bald von personalisierten und interaktiven Multimedia-Diensten profitieren, und das überall, zu jeder Zeit und nach den Regeln, die sie selbst in ihren Profilen hinterlegen.

Vorteile der konvergenten Welt

Für die Anwender:

• Komfortable, effiziente und einfache Kommunikation an jedem beliebigen Ort, zu jeder beliebigen Zeit, unabhängig vom Netzzugang;

• unbegrenzte Erreichbarkeit - aber zu selbst hinterlegten Regeln, nur wenn der Empfänger dies auch wünscht;

• große Auswahl an Multimedia-Diensten und individuell zugeschnittenen Services;

• mehr Freiheit und Produktivität für mobile Mitarbeiter durch neue Applikationen;

• Unternehmenszentrale, Filialen und dezentral tätige Mitarbeiter arbeiten effizienter zusammen;

• Unternehmen nutzen anstelle einer eigenen Telefonanlage einen netzgestützten Dienst und konzentrieren sich so im Tagesgeschäft besser auf ihre Kernkompetenzen.

Für die Netzbetreiber:

• Eindimensionale Dienste werden um personalisierte Lifestyle-Services erweitert;

• Bedarf der Kunden nach individuellen, komfortablen, einfachen, mobilen und sicheren Diensten wird erfüllt;

• langfristige Umsätze durch kundengerechte Dienste eröffnen die Möglichkeit, die erodierenden Sprachumsätze zu kompensieren;

• enge Kundenbindung;

• Netz kommt mit weniger Netzelementen aus, die Betriebskosten sinken.

Hier lesen Sie …

• wie Mobilfunk und Festnetz zusammenwachsen;

• was hierzu benötigt wird;

• welche Vorteile die konvergente Welt für mobile Mitarbeiter und Unternehmen bringt.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

571678: IMS - Die stille Netzrevolution;

569579: Cisco unterstützt Mobilfunker besser;

566334: Innovation kontra Verdrängung;

551972: KPN holt sich IP-Hilfestellung von Siemens;

549436: Nokia und NEC testen Multimedia-Systeme.

Die Telekommunikationsdienste der Zukunft sind hochwertige und hochintegrierte Servicepakete. Vor allem Unternehmen setzen in den Kommunikationsalltag von morgen hohe Erwartungen. Denn sie brauchen neue Services, die flexibel in allen Situationen des beruflichen Alltags nutzbar sind und den Kommunikationsfaden zwischen Mitarbeiter, Unternehmen und dem Internet nie reißen lassen. Konvergente Dienste bieten die Lösung, denn sie koppeln traditionelles Telefonieren mit Instant Messaging, E-Mail, Internet oder auch Fernsehen. Hinzu kommen Informationen zum Aufenthaltsort und der Verfügbarkeit von Teilnehmern, sofern diese entsprechende Lokations- und Präsenzinformationen freigeben. Hinter all diesem steht ein Ziel: eine effizientere Kommunikation der Mitarbeiter, die nicht mehr durch den jeweiligen Aufenthaltsort und die verfügbaren Netze oder Endgeräte eingeschränkt wird.

Optimiertes Format für unterschiedliche Endgeräte

Konkrete Möglichkeiten zeigt ein Blick in die nahe Zukunft. So können Unternehmen ihre Basis-Sprachdienste mit Video-Mail erweitern und veredeln. Oder Mails werden auf das jeweils verfügbare Endgerät in optimiertem Format gesendet, ohne dass dafür wie heute üblich noch Speziallösungen gebraucht werden. Anhand von Präsenz- und Lokations-Informationen reduziert sich der Zeitaufwand für die Koordination von Aktivitäten, was zu einem besseren Kundenservice beiträgt. Mitarbeiter arbeiten mit Nutzerportalen und werten so die Telefonanlage im Büro mit neuen erweiterten Leistungsmerkmalen wie beispielsweise "Click to Dial" auf. Auch Bürofunktionen wie Konferenzschaltungen werden mit Hilfe der Portale von außerhalb genutzt.

Der Grundstein: Die eigene VoIP-Infrastruktur

Was müssen Unternehmen tun, um sich fit für konvergente Dienste zu machen? Wie werden IP-basierende Dienste Teil des Unternehmensalltags? Voraussetzung ist zunächst eine auf IMS (IP Multimedia Subsystem) aufbauende Infrastruktur des Netzbetreibers. IMS ist eine von der 3GPP (3rd Generation Partnership Project) definierte Serviceplattform für die Integration von verschiedenen mobilen Diensten (UMTS, GSM, Wifi, Wimax), Festnetz-Sprachdiensten und dem Internet. IMS ermöglicht dabei den Zugriff auf ein und denselben Dienst von allen Zugangsnetzen und allen Endgeräten aus. Dafür hat sich der Begriff "konvergenter Dienst" eingebürgert. Integraler Bestandteil der technischen Lösung ist weiterhin ein Application Server, der - in die IMS-Infrastruktur eingebunden - neue Anwendungen und Dienste zur Verfügung stellt. Unternehmen brauchen also nicht selbst in eine IMS-Netzarchitektur zu investieren, sehr wohl jedoch in eine unternehmenseigene VoIP-Infrastruktur.

Dazu gehören etwa IP-Telefone an jedem Arbeitsplatz, die mit dem Firmen-LAN verbunden sind. Alternativ zur Neuanschaffung von IP-Telefonen können herkömmliche Telefonanlagen auch nachgerüstet werden; klassische Nebenstellenanlagen werden dann ebenfalls VoIP-fähig. Hat ein Unternehmen unterschiedliche Standorte, ist der Aufbau von IP Virtual Private Networks (IP VPNs) ratsam. Ferner ist eine VoIP-fähige Firewall am WAN-Router zu installieren; denn das Thema Sicherheit gewinnt zwangsläufig an Bedeutung, wenn das Unternehmensnetz nach außen "geöffnet" wird. Auch aus diesem Grund sind IP VPNs so wichtig: Sie sichern die neuen VoIP-Dienste ab.

Mit Managed Services zur konvergenten Welt

Mit diesen Schritten sind die Grundlagen geschaffen, um nicht nur Dienste wie IP Centrex und IP PBX, sondern auch echte konvergente (also IMS-basierende) Multimedia-Dienste vom Service-Provider zu beziehen. Dieser unterstützt seine Firmenkunden auch bei ihrer Umstellung auf VoIP und bietet etwa sinnvolle Managed Services wie Managed VoIP und Managed Security an. So können Unternehmen innerhalb kürzester Zeit in die neue, konvergente Kommunikationswelt starten.

Welchen konkreten Nutzen ziehen Unternehmen aus dem neuen Trend zur Konvergenz? Einige Beispiele mit direktem Bezug zum Arbeitsalltag zeigen, warum sich das Beschreiten neuer Kommunikationswege lohnt.

Kommunikationsbrücke vermeiden

Gerade bei mobilen Mitarbeitern hängt effizientes Arbeiten davon ab, wie nahtlos und zeitnah sie sich in die Kommunikationsströme des Unternehmens integrieren können. Kommunikationsbrüche kann sich niemand leisten. Wurden beispielsweise durch einen Sturmschaden die Stromleitungen eines Energieversorgers beschädigt, muss schnellstmöglich ein Notfallteam mit Bildmaterial und anderen Informationen zum Schadensfall versorgt und der Einsatz koordiniert werden. Nur so kann das Team - mit der passenden Ausrüstung - den Schaden vor Ort beheben. Haben die Teammitglieder videofähige Endgeräte dabei, erhalten Sie die Video-Mail ihres Einsatzleiters direkt. Und wenn nicht? Dann wäre der Kommunikationsdraht gerissen, und die mobilen Teammitglieder bekämen die Informationen zum Schadensfall unter Umständen viel zu spät. Solche funktionalen Lücken können mit IMS geschlossen werden: Haben die Mitarbeiter etwa nur einfache GSM-Handys dabei, erhalten sie von beispielsweise von Lucents Unified Messaging System "Anypath" eine SMS, die über den Eingang der Video-Mail in ihrer Unified Mailbox informiert. Über den Laptop lässt diese sich dann kurzfristig abrufen.

Ein solcher Push-Dienst kommt beispielsweise auch Versicherungsunternehmen zugute, die vom Außendienst leben. Ihre Mitarbeiter sind häufig unterwegs, nutzen Navigationsdienste, mit dem Netz verbundene Tagesplaner und bei Auslandsreisen Übersetzungsprogramme. Push-Newsletter für PDAs und Laptops bieten einen Mehrwert, wenn sie laufend über Neuerungen bei wichtigen Kunden und Mitbewerbern informieren. Zudem brauchen Versicherungsvertreter jederzeit sicheren Zugriff auf ihr Intranet.

Telefonkonferenz über VoIP

Eine andere Zielgruppe, die auch außerhalb des Büros effizient arbeiten will, sind Teilnehmer internationaler Konferenzen und Kongresse. Angenommen, ein Vertriebsleiter besucht eine mehrtägige Konferenz im europäischen Ausland und erhält per Handy einen Anruf seines größten Kunden. Es besteht sofortiger Handlungsbedarf. Über eine "Buddy-Liste" sieht er, welche Vertriebsmitarbeiter gerade wo verfügbar sind. Diese schaltet er in einer Telefonkonferenz zusammen. Während dieser - über VoIP geführten - Telefonkonferenz laden sich auch mobile Vertriebsmitarbeiter neue Kundeninformationen aus dem Intranet herunter. Mit Hilfe ihrer Terminkalender vereinbart die Gruppe noch ein Meeting in der kommenden Woche.

Möglich macht all dies das "Active Phonebook", eine Erfindung der Bell Labs. Dabei handelt es sich um ein persönliches, netzgestütztes Telefonbuch, das für alle Netze einheitlich ist. Es listet Telefonnummern, E-Mail-Adressen und speichert die Präsenz- und Standortdaten des Teilnehmers und seiner wichtigsten Kontakte. Auf das Active Phonebook lassen sich zahlreiche weitere Anwendungen aufsetzen. Beispielsweise der personalisierte Standortdienst "iLocator". Anhand moderner Standort- und Präsenztechnologie informiert die Anwendung den Nutzer, wenn sich im Telefonbuch verzeichnete Kollegen, Geschäftspartner, Freunde, Familienmitglieder oder interessante Objekte in der Nähe befinden. Beispielsweise kann ein Autoversicherer damit innerhalb kürzester Zeit einen Schadensgutachter ermitteln, der gerade in der Nähe eines Unfallortes ist, und ihn gleich mit dem Gutachten beauftragen.

Aber nicht nur mobilen Mitarbeitern, sondern auch Beschäftigten am Unternehmensstandort eröffnen konvergente, IP-basierende Netze neue Kommunikationswege. Zum Beispiel durch neue Applikationen wie Web-Portale zur Steuerung der Telefonie oder eine hinterlegte Kundendatenbank, aus der per "Click to Dial" ein Gespräch initiiert werden kann. Mobile Mitarbeiter lassen sich ebenso in diese Kommunikationsinfrastruktur einbinden wie solche, die am Heimarbeitsplatz beispielsweise als Call Center Agents tätig sind. Sind diese Applikationen nicht nur in IP, sondern in IMS eingebettet, sind noch komplexere Dienste möglich, die Multimedia-Sessions, Standort- und Präsenzinformationen umfassen.

Nebenstellenanlage aus dem Netz

Hier schließt sich der Kreis zur IMS-Netzinfrastruktur auf Seiten der Netzbetreiber: Denn für Unternehmen kann es sinnvoll sein, nicht nur neue konvergente Dienste, sondern auch IP-basierende, einfachere Telefondienste "aus dem Netz" zu beziehen. "IP-Centrex" ist ein solcher Dienst, eine virtuelle Nebenstellenanlage im Netz, die eine eigene, IP- oder ISDN-basierte Nebenstellenanlage im Unternehmen obsolet macht.

Investieren sowohl Service-Provider in eine IMS- als auch Unternehmenskunden in eine VoIP-Infrastruktur, wird es bald keine Grenzen mehr zwischen den Kommunikationswelten geben. Während heute noch der PC für Instant Messaging, das Handy zum Telefonieren und der Fernsehapparat zum Fernsehen dient, kommunizieren Endkunden dank IMS in Zukunft unabhängig vom Endgerät. Die Szenarien zeigen: Mitarbeiter, die in eine IP-Infrastruktur eingebunden sind, werden über sämtliche genannten Kommunikationsmöglichkeiten verfügen. Und sie sind jederzeit erreichbar - zu den Regeln, die sie selbst hinterlegt haben. Denn wichtig ist auch der Schutz der Privatsphäre. Darum kann der Nutzer auch bei den neuen Services frei bestimmen, wann, wie und für wen er erreichbar sein will und auf welchem Weg Informationen über bestimmte Ereignisse eintreffen sollen. Oder anders formuliert: "Always on - but only if I want to". (hi)