Mobile Computing/Mehr Sicherheit durch neues Stack-Design Bei drahtloser Kommunikation zeigt TCP/IP seine Schwaechen

06.10.1995

Von Thomas Hertel*

Die drahtlose Datenkommunikation steckt noch immer in den Kinderschuhen. Das TCP/IP-Standardprotokoll ist fuer sie nicht ideal. Ein alternatives Stack-Design verspricht effizientere Datenuebertragung.

Die Nachfrage nach mobiler Datenkommunikation ist da - und sie koennte mit immensen Wachstumsraten steigen. Die Marktforscher von IDC schaetzen, dass bereits heute 32,5 Prozent aller verkauften mobilen PCs vorhandene Desktop-Systeme ersetzen. Im Jahre 1997, so IDC, werden zudem 86 Prozent aller neuen Notebooks mit einem PC- Card-Modem ausgeruestet sein.

Doch ein Problem bleibt bestehen: die Bindung an das bestehende Telefonnetz. Dieses ist zwar flaechendeckend vorhanden, aber leider nicht beliebig zugaenglich. Und selbst dort, wo ein Modemanschluss existiert, ist der Anwender zumindest fuer die Dauer der Verbindung an diesen Standort gebunden.

Drahtlose Netze bieten sich hier natuerlich als Alternative an. Mit Cellular Digital Packet Data (CDPD), Circuit Switched Cellular (CSC) sowie mit dem europaeischen Global System for Mobile Communications (GSM) gibt es bereits eine Reihe von Standards fuer die mobile Datenkommunikation. Doch die loesen nicht die grundlegenden Probleme der mobilen Kommunikation: die im Vergleich zum drahtgebundenen Telefonnetz sehr geringe Zuverlaessigkeit sowie die niedrige Uebertragungsgeschwindigkeit.

Ersteres Manko wird besonders deutlich, wenn der Anwender sich waehrend der Datenuebertragung bewegt. Jeder Besitzer eines Autotelefons kennt das Problem ploetzlich abbrechender Verbindungen oder einer deutlichen Reduzierung der Uebertragungsqualitaet.

Waehrend der Mensch eine abgebrochene Verbindung jederzeit wieder aufbauen und das Gespraech an der Stelle wieder aufnehmen kann, an der es unterbrochen wurde, ist dies bei der Datenkommunikation in der Regel nicht moeglich. Bereits gesendete Daten muessen erneut uebertragen werden, was nicht nur laestig ist, sondern auch die Kosten in die Hoehe treibt.

Die drahtlose Datenuebertragung erfolgt meist ueber TCP/IP, und hier liegt auch die Ursache fuer das Problem. Dieses Standardprotokoll fuer Netzkommunikation wurde urspruenglich fuer lokale und drahtgebundene Netzwerke entwickelt, die ein sehr zuverlaessiges Uebertragungsmedium sind.

Herkoemmliche TCP/IP-Stacks arbeiten deswegen nach einem Schema, das sich allerdings fuer die drahtlose Kommunikation nur sehr bedingt eignet: Zunaechst laeuft die Applikation an, beispielsweise eine File-Transfer-Anwendung. Es folgt die Anwahl der Nummer des Empfaengers und die Ueberpruefung der Verbindung. Erst dann wird der TCP/IP-Stack gestartet und das erste Datenpaket uebertragen.

Waehrend der Uebertragung geht nach jedem zweiten Datenpaket ein Acknowledgement ab, um die Verbindung kontinuierlich zu ueberpruefen. Ist diese ploetzlich nicht mehr vorhanden, so werden zunaechst die File-Transfer-Applikation und anschliessend der TCP/IP-Stack heruntergefahren. Der gesamte Prozess ist erneut zu starten. Dabei gehen alle bereits uebertragenen Datenpakete verloren. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld.

Fuer die drahtlose Datenkommunikation benoetigt man daher ein voellig anderes Stack-Design, das eine Wiederaufnahme der Uebertragung dort ermoeglicht, wo die Verbindung abbrach. Idealerweise isoliert ein solches Design die Anwendung und den Stack selbst vom Waehlvorgang und der eigentlichen Uebertragung von Datenpaketen. Diese Technik hat zum Beispiel Walker Richer & Quinn (WRQ) in Version 5 der Connectivity-Loesung "Reflection Network Series" realisiert.

Bei einem solchen Design startet zunaechst die Anwendung und danach der Stack. Sobald das erste Datenpaket bereit ist, stellt der Stack die Verbindung her und ueberprueft sie. Die Uebertragung findet dann wie bei einem herkoemmlichen Stack statt, wobei ebenfalls staendig getestet wird, ob die Verbindung noch besteht. Bricht sie ab, so baut der Stack sie erneut auf, und der File-Transfer geht an der Stelle weiter, an der es zu der Stoerung kam.

Vorteilhaft ist eine solche Stack-Architektur insbesondere in solchen Anwendungen, in denen relativ grosse Dateien uebertragen werden. Angesichts der geringen Bandbreite drahtloser Netze (meist nur 2400, maximal 14 400 Baud) ist die Wahrscheinlichkeit, auch nur ein 100-KB-File unterbrechungsfrei zu uebertragen, relativ gering, zumal die staendige Ueberpruefung der Verbindung auch noch etwa ein Drittel dieser Bandbreite benoetigt.

Diese knappe Bandbreite ist das zweite grundlegende Problem bei der drahtlosen Datenkommunikation. Zwar gibt es Bestrebungen, drahtlose Netze mit der ISDN-Geschwindigkeit von 64 Kbit/s zu implementieren. Doch sind auch 64 Kbit/s nicht so ueppig, dass man auf eine Optimierung der Uebertragung verzichten koennte.

Ein Ansatzpunkt fuer eine solche Verbesserung ist beispielsweise ein progressives Acknowledgement-Schema. Waehrend traditionelle TCP/IP-Implementierungen die Verfuegbarkeit der Verbindung durch Aussendung von Acknowledgements nach jedem zweiten Datenpaket ueberpruefen, wird bei einem solchen Design die Anzahl dieser Pruefpakete im Laufe der Uebertragung immer weiter eingeschraenkt.

Es beginnt mit einem Acknowledgement nach jedem zweiten Datenpaket, reduziert dies jedoch nach einer bestimmten Anzahl erfolgreich uebertragener Pakete auf ein Pruefpaket nach je drei, vier oder mehr Datenpaketen. So lassen sich der TCP/IP-Overhead und die Kosten je nach Verbindungsqualitaet um 15 bis 30 Prozent verringern.

Zeit und damit Geld koennen mobile Anwender auch durch das Caching von NFS-Directories, -Files und -Daten sparen, das die Verbindungszeiten je nach Anwendung deutlich zu reduzieren vermag. Muss ein mobiler Anwender beispielsweise immer wieder auf die gleichen Directories zugreifen, so koennen diese lokal im dynamischen RAM gehalten werden, statt sie immer wieder ueber serielle Verbindungen zu uebertragen.

Im Bereich des Stack-Designs kann man jedoch einiges tun, um die vorhandenen Netze nahezu optimal auszunutzen.

* Thomas Hertel ist Geschaeftsfuehrer der Prolog Public Relations GmbH in Muenchen.