Checkliste für mobiles Denken

Mobile Apps - von Grund auf anders

12.04.2013
Von Jeffrey Hammond und Julie Ask
Vergessen Sie alles, was Sie über App-Entwicklung wissen. Ein paar Objective-C- und Javascript-Experten einzustellen reicht nicht, um für die Zukunft der mobilen Anwendungen gerüstet zu sein.

Sogar der oberflächlichste Beobachter der IT-Szene wird bestätigen: Mobile Applikationen machen mit einiger Sicherheit künftig einen großen Teil der Anwendungsentwicklung und -bereitstellung aus. Mehr als eine Milliarde Smartphones weltweit sprechen für sich.

Ein neues Zeitalter der Entwicklung

Foto: Violetkaipa, Fotolia.com

Die mobile Revolution, der wir uns heute gegenübersehen, wird im Rückblick eine ähnliche Bedeutung haben wie das Aufkommen des Client-Server-Computings in den 1990er Jahren und die Internet-Revolution in der vergangenen Dekade.

Doch die Entwicklung mobiler Apps wird weit mehr sein als nur die Adaption an kleinere Bildschirme, andere Programmiersprachen und neue Betriebssysteme. Sie ist vielmehr Teil einer umfassenden strukturellen Veränderung. Und diese Veränderung umfasst die gesamte Art und Weise, wie wir Anwendungen erstellen. Aufgepasst, meine Damen und Herren: Wir betreten gerade ein neues Zeitalter der Anwendungsentwicklung, das die alte Backend-Welt (Systems of Operations) mit der neuen kundenbezogenen Frontend-Welt (Systems of Engagement) verbinden wird.

Mehr Ideen bringen auch mehr Wert

Wie bemerkte doch Linus Pauling so treffend: "Der beste Weg, um eine gute Idee hervorzubringen, ist der, möglichst viele Ideen hervorzubringen."

Manche Leute sagen: Die gesamte Disziplin der Softwareentwicklung dreht sich darum, Ideen aufzugreifen, sie in Einsen und Nullen zu codieren und dann zu automatisieren. Wenn dem so ist, dann sollte wohl eine Beziehung bestehen zwischen den Kosten der Softwareentwicklung und den Kosten für Business-Innovation. Wird die Softwareentwicklung kostengünstiger, müssten die Unternehmen eigentlich in der Lage sein, mehr Ideen zu produzieren, worunter dann zwangsläufig auch mehr gute Idee wären, die am Ende mehr Wert für die Kunden und mehr Reichtum für die Investoren erzeugten.

Checkliste für mobiles Denken

Schnelligkeit und Flexibilität sind ein Muss. Noch nötiger sind aber die Bereitschaft, zu experimentieren, sowie die Fähigkeit, die schlechten Ideen von den guten zu trennen – und zwar so rasch wie möglich. Was muss ein Unternehmen tun, um für die Zukunft der mobilen Entwicklung gerüstet zu sein?
Über die letzten Jahre haben die besten Software-Engineering-Unternehmen ihre Entwicklungsanstrengungen stets wie ein Forschungsportfolio mit einem Pipeline-Prozess gehandhabt. Deshalb weisen die Entwicklungs-Shops heute eine ganz eigene Organisation und viel agilere Prozesse auf. Anwenderunternehmen, die – im Rahmen der App-Entwicklung – mit modernen Softwareunternehmen konkurrieren wollen, werden sich an dieser Latte messen lassen müssen. Versuchen Sie also, Ihre Bemühungen so effizient zu machen, wie sie es in den besten Entwicklungsunternehmen sind.
Man muss verstehen, wie Instagram, OMGPOP & Co. mit wenigen Leuten und in kurzer Zeit eine so hohe Wertschöpfung und -schätzung erreichen konnten. Um so etwas richtig zu machen, ist eine Kombination aus Architektur, elastischer Infrastruktur und schlanken Entwicklungsprozessen notwendig. Außerdem bedarf es dazu einer Unternehmenskultur, die den Entwicklungsteams Eigenständigkeit und Entscheidungsbefugnisse einräumt. Das ist für die meisten Unternehmen vermutlich der härteste Teil.
Machen Sie von den Möglichkeiten einer elastischen Cloud-Infrastruktur Gebrauch, Es gibt überhaupt keinen Grund, warum diese Umgebung nicht genauso sicher und fehlertolerant sein sollte wie Ihre derzeitige Anwendungsinfrastruktur. Genauso wenig einsehbar ist es, warum Sie sich anderen modernen Strategien verschließen sollten: Self-Provisioning für Entwicklung und Testing oder flexible Lizenzierung mit Open-Source-Software. Jede dieser Komponenten hat ihre Eignung für geschäftskritische Systeme längst nachgewiesen. Es spricht nichts dagegen, sie zu den Schlüsselkomponenten eines Architekturplans der nächsten Generation zu machen.

Software verleibt sich die Welt ein

Genau diese Entwicklung zeichnet sich seit etwa einem Jahrzehnt ab. Die Software verleibt sich im übertragenen Sinne gerade die Welt ein.

Die Veränderungen, die eine moderne Anwendungsentwicklung mit sich bringen wird, sind keineswegs nur struktureller Natur. Vielmehr lassen sich auch substanzielle Veränderung in den Entwicklungsprozessen beobachten, die wiederum eine Entsprechung in den modernen Anwendungsarchitekturen finden. Diese neuen Prozesse beschleunigen zum einen den Entwicklungszyklus, zum anderen verringern sie die Anzahl der involvierten Organisationen, zum Dritten senken sie die Kosten der Wiederverwendung.

Vier grundlegende mobile Trends

Foto: Yuri Zhuravov, Shutterstock.com

Was verändert sich in der unmittelbaren Zukunft für die Anwendungsentwickler? - Die Welle der Innovationen, die sich gerade über uns auftürmt, verstärkt die Notwendigkeit, über die gegenwärtigen Möglichkeiten hinauszudenken. Eine große Zahl der momentanen und künftigen Veränderungen ereignen sich auf der Client-Seite. Allerdings müssen moderne Anwendungsentwickler ihr Augenmerk auch auf die Weiterentwicklung der Infrastrukturen richten.

Neue Prozessvarianten und die voranschreitende Sensortechnik haben Konsequenzen für die Art und Weise, wie Anwender ihre Geräte und Bildschirminhalte kontrollieren. Das, was im mobilen Umfeld möglich ist, verändert sich mit mit wachsender Geschwindigkeit.

Wie aus intensiven Gesprächen mit mehr als einem Dutzend marktführender Device-Produzenten hervorging, sind es vor allem vier Techniktrends, die die Evolution von Kontext und Convenience weiter vorantreiben werden:

  1. Was heute megacool ist und an der Speerspitze der technologischen Entwicklung steht, wird schnell zum Gemeingut. Technische Features, die sich derzeit nur in Highend-Smartphones finden, werden bald auf ganz normalen Handys verfügbar sein, denn die Kosten der Komponenten sinken infolge von Kundennachfrage und Mengenvorteilen.

  2. Neuartige Sensoren werden weit mehr als bisher über die Umgebung der Anwender verraten. Barometer, Mikrobolometer (Strahlungsmesser) und chemische Messinstrumente finden ihren Weg in die Telefone, sobald es Business Cases für diese Art von Informationen gibt.

  3. Bewegung, Stimme und Berührung werden den Begriff Anwenderschnittstelle neu definieren. Eine Kombination von verbesserter Display-Technik und vereinfachten Entwicklungswerkzeugen für Bewegungssensoren verändert die Kontrolle der Mobiltelefone - von der Berührung zur Bewegungs- und Stimmsteuerung.

  4. Pfeilschnelle Multicore-Prozessoren werden die Antwortzeiten stark verkürzen. Noch mächtigere Mikroprozessoren, noch schnellere Grafikbeschleuniger und ständig mehr Arbeitsspeicher werden den Durchsatz der Mobilgeräte immer weiter steigern.

Auf den ersten Blick ist die Entwicklung mobiler Applikationen ziemlich klar umrissen: Bauen Sie Ihre App. Sorgen Sie dafür, dass sie auf einem vier Zoll großen Smartphone-Bildschirm und einem Zehn-Zoll-Tablet gut aussieht. Schicken Sie sie an einen App Store.

Ganz so einfach ist`s dann doch nicht

Doch die Wirklichkeit ist komplexer: Eine breite Palette neuer Client-Formate und die generelle Veränderung des "App"-Charakters fordern von den Entwicklern erhöhte Flexibilität - besonders auf der Client-Seite. Die Geräte entwickeln sich zur Sammelstelle von Kontextdaten über die Kundschaft.

Auch wenn Smartphones und Tablets immer mächtiger werden, geht es doch nicht ganz ohne Server-seitige Verarbeitung: Informationen über das Umfeld des Kunden werden noch wertvoller, wenn man sie mit historischen Daten kombiniert - und dazu die geballte Verarbeitungsmacht tausender Server-Knoten nutzt.

Wie sieht Ihre Vorbereitung auf die mobile Zukunft aus? Beschränken Sie sich darauf, Ihren Entwicklungsladen um ein paar Object-C- oder Javascript-Spezialisten zu erweitern, dann haben Sie übersehen, welche Wasserscheide mobile Telefone und Tablets bilden. Wir bewegen uns in eine Welt multipler Endpunkte sowie hybrid nutzbarer Personal- und Corporate-Devices mit hoher Umschlagsgeschwindigkeit.

Jeder Erfolg wird eine unmittelbare Nachfrage nach neuen Verarbeitungsmöglichkeiten und besserer Infrastruktur nach sich ziehen. Noch gibt es aber kaum allgemeingültige Referenzmuster für das, was Erfolg in diesem Zusammenhang eigentlich bedeutet. (mhr)