Telefongesellschaft sieht ihre Zukunft im Internet

Mobilcom will die Couch Potatoes ins Web bringen

25.06.1999
HAMBURG (gh) - Die Mobilcom AG, Büdelsdorf, strebt zu neuen Ufern. Das ursprünglich im Mobilfunk und zuletzt auch in der Festnetzkommunikation erfolgreiche Unternehmen gibt sich nun den Anstrich eines Komplettanbieters von Internet-Services. Zum Verkaufsschlager soll vor allem der Vertrieb einer "Surfstation" werden, die technisch unbedarften Anwendern die Web-Nutzung via Fernsehen ermöglicht.

"Die Zukunft der Telefongesellschaften ist das Internet", hieß es in der Einladung zur Pressekonferenz, auf der das Unternehmen vergangene Woche seine breitgefächerte Web-Strategie erläuterte - und Vorstandsvorsitzender Gerhard Schmid blieb kaum etwas schuldig. "Ich glaube, daß der Markt für die Internet-Nutzung via TV in Deutschland über ein größeres Wachstumspotential als der PC-Markt verfügt", lehnte sich der Mobilcom-Chef bezüglich eines von ihm lancierten neuen Geschäftsmodells aus dem Fenster. Als erstes Unternehmen in Deutschland wollen die Schleswig-Holsteiner Ende Juli in großem Stil mit der Vermarktung einer Set-top-Box beginnen. Bei Mobilcom wird diese "Surfstation" für eine monatliche Pauschale von 29 Mark zu mieten sein und - zuzüglich Kommunikationsgebühren von fünf Pfennig pro Minute - den Internet-Zugang ermöglichen.

Besagte Surfstation wurde von der Augsburger Infomatec AG entwickelt und wird von deren Tochter Schneider Cybermind AG, einem Joint-venture mit den Schneider Rundfunkwerken, produziert. Das Gerät wird wie ein Videorekorder mit dem Fernsehgerät sowie der Telefonbuchse (analoger oder ISDN-Anschluß) verbunden und arbeitet mit dem von Infomatec entwickelten Betriebssystem Java Network Technology (JNT). Ohne den Aufbau einer Windows-Oberfläche wird dabei automatisch die Mobilcom-Homepage geladen, im Hintergrund läuft der Netscape-Browser; ein "fester Link" zum Suchdienst Yahoo ist integriert. Mit dieser "Plug-and-play"-Lösung, die über eine abgespeckte PC-Tastatur verfügt, wolle man, so Schmid, "die Vielzahl der unbedarften Anwender von den Möglichkeiten des Internet überzeugen". Die können dann im Web surfen, sich in Chat-Foren tummeln sowie E-Mails empfangen und versenden. Zweifel am Sinn eines solchen Engagements im Consumer-Markt ließ der Mobilcom-Chef nicht aufkommen: "Wir können Handies verkaufen, warum also nicht auch dieses Gerät?" Frühere Versuche von Herstellern wie Grundig, die mit der Vermarktung von Set-top-Boxen kläglich gescheitert waren, hätten ein entscheidendes Defizit gehabt.

Schmid: "Die Geräte müssen einfach zu bedienen sein." Schon bis Ende September will man jedenfalls bei Mobilcom rund 100000 dieser Surfstations an den Mann bringen.

Auch die übrigen Internet-Aktivitäten der am Neuen Markt gelisteten Telefongesellschaft zielen weitgehend auf die breite Masse der privaten Konsumenten ab. So wurde rückwirkend zum 1. Januar 1999 die deutsche Internet-Suchmaschine "Dino-Online" übernommen, die vom Göttinger Unternehmen AIS Axon betrieben sowie vermarktet wird und, wie es in Hamburg hieß, mit täglich mehr als 200000 Zugriffen hierzulande zu den "erfolgreichsten Wegweisern im Web" gehört. Der Mobilcom-Chef bestätigte in diesem Zusammenhang auch die Vermutung von Experten, daß Dino-Online (www.dino-online.de) zu einem Einkaufsportal ausgebaut werden soll. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft will man seinen Angaben zufolge schon ab Oktober ein breitgefächertes E-Commerce-Angebot nach dem Motto "Erst vergleichen, dann kaufen" starten, bei dem die Kunden nach der Eingabe des Artikels sowie der Produktkriterien in den Genuß einer Vorauswahl nach Marke, Bezugsquelle und Preis kommen. Bestellt werden kann dann direkt über Dino-Online, wobei Mobilcom für Anbieter, mit denen vorher entsprechende Verträge abgeschlossen wurden, eine 24stündige Liefer- und 24tägige Rückgabegarantie übernimmt.

Verdienen wollen die Norddeutschen dabei an entsprechenden Provisionen für die Weiterleitung von Aufträgen. Und natürlich an Werbung. Trotzdem unterscheide man sich mit dieser "speziellen E-Commerce-Variante", so Schmid, vom derzeitigen "Durcheinander im Markt". Seitens der Händlerschaft sollen primär Anbieter angesprochen werden, die "gedruckte Qualität im Web" liefern können, beispielsweise Unterhaltungselektronik, CDs, allgemeine Geschenkartikel, PCs und PC-Peripherie. "Der Erlebniskauf im Internet durch Riechen und Schmecken findet nicht statt", zeigte sich der Mobilcom-Chef überzeugt, was an Business im Cyberspace funktioniert und was nicht.

Man habe durch Investitionen die eigenen Kapazitäten rechtzeitig verdoppelt und so die Voraussetzungen für weiteres Wachstum geschaffen, hieß es weiter. Schmid spielte hier auf die ebenfalls erst vor kurzem angekündigte Kooperation mit der auf Web-Basissoftware spezialisierten US-Company Inktomi an, deren Lösungen (die auch in Web-Portalen wie Yahoo zum Einsatz kommen) unter anderem für bessere Antwortzeiten im eigenen Internet-Backbone sorgen sollen. Allein zwischen Januar und Mai habe Mobilcom 480 Millionen Internet-Minuten vermittelt, gab sich der Mobilcom-Chef stolz. Ziel seiner Gesellschaft sei es mittelfristig, die gesamte Wertschöpfungskette im E-Business mit Ausnahme der Produktion von Inhalten abzudecken. Doch auch hier wäre man "im Falle des Falles noch lernfähig". Momentane Säulen des eigenen Internet-Geschäfts seien aber die Segmente Zugangstechnik, der Betrieb von (für die Anwender kostenlosen) Suchmaschinen sowie besagte E-Commerce-Plattform.

VPN-Service für Unternehmenskunden

Abgerundet wird dieses Portfolio durch einen Virtual-Private-Network-(VPN-)Service der Krefelder Tochter Topnet AG, mit der professionelle Unternehmenskunden angesprochen werden sollen. Insgesamt stehe man, so Schmid mit einem Seitenhieb auf die Konkurrenz, längst da, wo "viele unserer Wettbewerber mit dem Einsatz von viel Geld erst hinkommen wollen". Schon in drei Jahren soll mehr als ein Drittel des Umsatzes durch die genannten E-Business-Aktivitäten erzielt werden.