Mobil bauen

Mobil bauen

09.01.2007
Beim Schweizer Baudienstleister Implenia sind die Baustellen mobil direkt an die SAP-Backendsysteme angeschlossen. Neben Laptops funken die Bauvorarbeiter mit PDAs auf Basis von Windows Mobile ihre Daten in die Zentrale oder rufen sie von dort ab.

Das hätten sich sicher viele der Bauarbeiter wohl auch nicht träumen lassen, als sie vor Jahren in ihrem Beruf anfingen. Dass sie heute wie die feinen Angestellten in ihren Büros mit Computern umgehen. Doch bei der durch eine Fusion der beiden Baufirmen Batigroup und Zschokke zustande gekommenen Implenia (Zürich) ist manches anders als bei anderen. Auch das neue Firmenlogo, eine weiße Margerite, ist für eine Baufirma etwas Besonderes, die ansonsten viel eher mit starken Baggern und großen Kränen wirbt. Doch die Schweizer haben begriffen, dass auf der Baustelle Köpfchen zählt, wenn man im Wettbewerb vorne mitmischen will.

Denn die Komplexität nimmt auch in der Bauindustrie zu: Neue und weiter steigende Anforderungen an Logistik, Baumethoden, Emissionen, Termine und Kosten sowie die Bündelung von Einzelaufträgen in Gesamtleistungspaketen. Dazu kommt die zunehmende Priorität der garantierten Rentabilität. Die Folge ist, dass heute fast nur noch große, industriell denkende und arbeitende Baugruppen finanziell und organisatorisch dazu in der Lage sind, diesen Entwicklungen zu folgen.

Nach der Fusion zur Implenia im März 2006 läuft auf den zentralen Systemen mySAP ERP 2005. Die darauf aufbauende zweite Ebene ist eine selbst entwickelte SAP-Bau-Lösung, die alle Daten eines Projektes „from quote to cash“ abbildet. Durch die Direktanbindung der Baustellen an die Backend-Systeme können alle Beteiligten stets auf dem aktuellen Stand bleiben. Ende August 2006 war der 250. Kleincomputer in Betrieb gegangen, inzwischen sind es 500.

Bei der schweizweit tätigen Firma schreiben die Bauvorarbeiter gleich auf der Baustelle mit ihren Windows-Mobile-PDAs oder mithilfe von Laptops ihre Stundenzettel, verfassen Tätigkeitsberichte und erfassen Ausmaße. Sie bestellen online Material und disponieren Maschinen. Mit ihren mobilen Geräten übertragen die Bauarbeiter ihre Abrechungen in die Zentrale. Alles angebunden an die SAP-Systeme des Konzerns, per GSM, mit EDGE oder UMTS mit dem mobilen Gerät sowie per WAN/LAN aus dem Baustellenbüro.

Früher mussten die in der Schweiz „Kader“ genannten Vorarbeiter ihre Abrechnungen am Feierabend von Hand erledigen, jetzt können sie alles gleich ins Gerät eintippen. Sind die Daten einmal per Mobile Computing im SAP-System eingegeben, ist eine erneute Eingabe für die Überführung in die Monatsstatistik nicht mehr notwendig.

Auf Mobile Computing will bei Implenia deswegen heute niemand mehr verzichten. „Wer es einmal gemacht hat, der will nie wieder mit Papier und Zettel arbeiten“, heißt es. Denn die mobilen Anwendungen vereinfachen nach Aussage der Beteiligte die Arbeitsabläufe von Bauführern und Polieren und reduzieren zeitaufwändige Schreibarbeit. Auch die Datenqualität habe sich durch die zeitnahe Erfassung um ein Vielfaches verbessert.

Die Bauarbeiter können nach einer Schulung problemlos damit umgehen, zumal auf eine praktikable, logische Benutzeroberfläche Wert gelegt wurde, bereichtet das Schweizer Fachblatt „Baukader“. Das Mobile Computing-System wurde von der Baufirma vor dem ersten Einsatz intensiv ausprobiert: 20 Bauführer und Poliere haben das System einen Sommer lang einem umfangreichen Praxistest unterzogen. Auch heute noch werden Verbesserungsvorschläge der Benutzer aufgenommen.

Mit dem Kleincomputer lassen sich vor Ort alle Projektschritte von der Zeit- und Tätigkeitserfassung bis zur Produktion beziehungsweise Projektabwicklung erfassen. Andersherum können auch die Verantwortlichen vor Ort alle für die Baustelle relevanten Daten vom zentralen SAP-Server abrufen, den Fortgang der Arbeiten einschätzen und die die bisher aufgelaufenen Kosten einsehen. Der Verantwortliche erkennt dabei auf einen Blick: Wer ist war wann für welche Aufgabe eingeteilt? Wie liegen wir im Zeitplan? Neben der Zeit- und Tätigkeitserfassung kann mit einer weiteren Applikation gruppenweit auch der Einsatz von Baumaschinen disponiert und fakturiert werden. Der dadurch optimierte Einsatz des Geräteparks reduziert nicht verrechenbare Leerzeiten.

Mit den Mobile Computer lassen sich natürlich auch E-Mails senden und empfangen, SMS und MMS verschicken, man kann damit mobil telefonieren und mobil ins Internet gehen. Mit der eingebauten Digitalkamera können zudem die Arbeiten auf der Baustelle dokumentiert werden.

Ausgedacht hat sich das fortschrittliche Mobile-Computing-System das Team um Implenia-IT-Leiter Johnny Gschwend, zuvor IT-Chef der Batigroup. Auch beim derzeit größten Tunnelbauvorhaben der Welt kommt es zum Einsatz. Dort arbeitet der Schweizer Baudienstleister zusammen mit Partnern gerade am Kernstück des Jahrhundertprojekts für die neue Bahnstrecke, dem knapp 57 Kilometer langen Basistunnel durch das Gotthard-Massiv.