Mittelstand als Zielgruppe vergessen?

Mittelstand als Zielgruppe vergessen? Geschäftskunden geben den neuen Carriern sehr schlechte Zensuren

29.01.1999
MÜNCHEN (hi) - Eine schallende Ohrfeige für die Kundenorientierung der Carrier sind die Ergebnisse einer Münchner Langzeitstudie. 75 Prozent der getesteten TK-Anbieter fielen im Urteil der Geschäftskunden durch.

Die neuen TK-Player wie auch der Ex-Monopolist Deutsche Telekom bieten Geschäftskunden, vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmen, ein Jahr nach der Deregulierung des Telekom-Marktes bei weitem nicht das, was die Anwender verlangen. Das belegt eine Marktstudie der Unternehmensberatung Schell Marketing Service. Die Münchner Analysten prüften 20 Telcos vom November 1997 bis November 1998 auf ihre Kundenorientierung. Dabei traten 22 kleine und mittelständische Unternehmen als Testkunden auf.

Deren Erfahrungen im Umgang mit den Carriern sind niederschmetternd: Die Zielgruppenorientierung erschöpfte sich meist im Versand von Prospektmaterial. Werden individuelle Informationen oder Angebote gewünscht, läßt die Reaktionsbereitschaft der meisten Anbieter rapide nach.

Die Studienergebnisse zeigen, so Alexander Schell, Geschäftsführer der Schell Marketing Service, daß die TK-Gesellschaften in Deutschland mit kleinen bis mittelgroßen Geschäftskunden keinen erfolgreichen Dialog führen wollen oder können. Diese Kommunikationsprobleme stellen seiner Meinung zufolge eine der größten Marktbarrieren der Branche dar. Denn die Carrier identifizierten sich mit dieser potentiellen Kundengruppe so gut wie gar nicht.

Statt sich tatsächlich um individuelle Kundenbedürfnisse zu kümmern, kritisiert Schell die TK-Player, liefern sich die Anbieter juristische Gefechte, Werbeschlachten und einen erbitterten Preiskampf. Aber gerade mittelständische Entscheider seien meist nicht gewillt, nur für die Aussicht auf Einsparungen der Deutschen Telekom den Rücken zu kehren. Sie erwarten andere Vorteile, zum Beispiel Qualität und Verfügbarkeit der Dienste. Zudem fordern die Anwender von den Carriern Servicebereitschaft und individuelles Angebot, das auf die Bedürfnisse ihres Unternehmens zugeschnitten ist.

Diese Forderungen stehen im krassen Gegensatz zu den Praxiserfahrungen der Testkunden. In der Orientierungs- und Informationsphase bekamen die Interessenten durch die reaktionsschwachen Telefongesellschaften nur wenig Unterstützung. Der Dialog brach mit der Aussendung allgemein gehaltenen Werbematerials ab und ließ den Entscheider bei der Wahl eines neuen TK-Anbieters allein.

Entsprechend negativ fiel die Bewertung der Befragten aus. Während die Testkunden für den Firmenauftritt und den mündlichen Erstkontakt noch durchgängig gute und mittlere Noten vergaben, hieß die Durchschnittsnote für die Kundenorientierung nur "ausreichend". Noch schlechter beurteilten die potentiellen Unternehmenskunden die Qualität der erteilten Antworten: Die Durchschnittsnote lag bei 4,7.

Letztlich war der Auftritt der Carrier vom Preis bestimmt. 90 Prozent der getesteten TK-Anbieter argumentierten vor allem finanziell. Die hinter den Tarifen stehenden Leistungsmerkmale und Services konnten die Testkunden in den meisten Fällen nicht erkennen. Zudem fiel es den Anwendern schwer, im Dschungel der vielen Tarife mit unterschiedlichen Zeittakten, Zeitzonen und Spezialbegriffen den Überblick zu behalten.

Für Geschäftsführer Schell ist daher nicht die Telekom mit ihrer Hinhaltetaktik bei Regulierungsfragen am geringen Marktanteil der neuen Carrier schuld. Diesen hätten die Herausforderer aufgrund ihrer mangelnden Kundenorientierung selbst zu verantworten.