Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Mitarbeiterin nicht befördert - Diskriminierung

09.02.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Stelle des "Vicepresident" frei geworden

Insoweit hat der Fall einer Arbeitnehmerin des Musikkonzerns Sony eine weitere Klärung gebracht. Diese war dort seit April 2002 als einzige Abteilungsleiterin im Bereich "International Marketing" neben zwei weiteren männlichen Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle "Vicepresident" ihres direkten Vorgesetzten frei, weil dieser im Unternehmen in die nächste höhere Position zum "Senior Vice President" befördert wurde. Die Arbeitnehmerin sollte im Zuge dessen auf die Position "Vicepresident" nachrücken, ihre entsprechende Beförderung wurde zuvor ganz konkret von ihrem Vorgesetzten in Aussicht gestellt.

Allerdings wurde die Arbeitnehmerin dann schwanger und die Position des "Vicepresident" wurde entgegen der vorhergehenden Ankündigung mit einem ihrer männlichen Abteilungsleiterkollegen besetzt. Über diese anderweitige Besetzung der Stelle fand zu einem späteren Zeitpunkt zwischen der Arbeitnehmerin und ihrem ehemaligen Vorgesetzten ein Gespräch statt, in dem die Arbeitnehmerin um eine Erklärung bat, warum sie nicht befördert worden ist. In diesem Gespräch wurden der Arbeitnehmerin jedoch keine sachlichen Gründe für die anderweitige Entscheidung genannt. Stattdessen tätigte der "Senior Vice President" unverblümt die Aussage, "sie solle sich doch auf ihr Kind freuen". Die Arbeitnehmerin gab sich hiermit nicht zufrieden und erhob eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 17.000,- €.

Die Arbeitnehmerin erlebte dann eine fünfjährige Odyssee mehrfach durch die Instanzen. Nachdem das Landgericht Berlin-Brandenburg die Klage erstmals abwies, ging sie in die erste Revision vor dem BAG. Dort wurde das Urteil aufgehoben. In den Urteilsausführungen wiesen die Richter darauf hin, dass gerade in solchen Fallkonstellationen, in denen ein männlicher Bewerber einer schwangeren Bewerberin vorgezogen wird, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts durchaus in Betracht kommen kann. Die betroffene Mitarbeiterin müsse diese Benachteiligung nur glaubhaft machen, was schon dann erfolgt sei, wenn sie vor Gericht Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. Hieran seien aber keine strenge Anforderungen zu stellen (BAG, Urteil vom 24.04.2008, Az.: 8 AZR 257/07).

Das Urteil

Die BAG-Richter verwiesen die Angelegenheit zurück an das LAG Berlin-Brandenburg, und zwar zur erneuten Sachaufklärung. Das LAG wies die Klage der Frau jedoch erneut ab und die Arbeitnehmerin legte hiergegen eine zweite Revision vor dem BAG ein. In dem weiteren Revisionsverfahren wurden die Richter dann noch einen Schritt deutlicher und gaben konkret vor, dass die Arbeitsgerichte bei einer Diskriminierungsklage eine Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen hätten, ob die von dem Anspruchsteller vorgetragenen Hinweise in ihrem Gesamtzusammenhang geeignet sind, eine Diskriminierung zu begründen.

Nach Ansicht der Richter käme es nicht darauf an, dass die Hinweise, also die Indizien, für sich genommen noch nicht ausreichen würden. Es sei auch nicht von Bedeutung, aus welchen Bereichen diese Indizien stammten. Gerade für den vorliegenden Fall wiesen die Richter darauf hin, dass es nicht völlig unüblich sei, dass entsprechende Äußerungen von Vorgesetzten über eine benachteiligende Stellenbesetzung oftmals erst im Anschluss an die Neubesetzung fallen würden (BAG, Urteil vom 27.01.2011, Az.: 8 AZR 483/09).

Erneut mussten die BAG-Richter das vorinstanzliche Urteil des LAG Berlin-Brandenburg aufheben und verwiesen die Angelegenheit wieder zur weiteren Sachaufklärung zurück, diesmal aber an eine andere Kammer des LAG. Nun schloss sich das LAG Berlin-Brandenburg den deutlichen Worten der BAG-Richter an und gab der Klage der Mitarbeiterin schlussendlich statt.