Mitarbeitergesellschaft nutzt Firmenmantel von Digital-Kienzle Digital-Tochter Ditec soll von Altkunden profitieren

16.12.1994

MUENCHEN (ciw) - Die Mitarbeitergesellschaft (MAG) der Digital Equipment GmbH hat einen Namen. Als Ditec Informationstechnologie GmbH & Co. KG nutzt sie die rechtliche Huelle der Digital-Kienzle GmbH und soll zunaechst aus deren Kundenbasis Kapital schlagen.

Das Stammkapital der Ditec belaeuft sich nicht, wie urspruenglich kolportiert, auf 50 000 Mark, sondern auf 40 Millionen Mark. Ausserdem erhaelt die Gesellschaft von Digital eine Anschubfinanzierung in Hoehe von 148 Millionen Mark, Immobilien in Villingen-Schwenningen und im ersten Jahr Subkontrakte im Wert von rund 60 Millionen Mark. Darueber hinaus wird ihr fuer benutzte Digital-Gebaeude und -Raeume ein Jahr lang Mietfreiheit gewaehrt.

Insgesamt wechseln 1540 Mitarbeiter von Kienzle und Digital in das neue Unternehmen, das sich als Loesungsanbieter fuer die mittelstaendische Fertigungsindustrie, Handel und Dienstleister versteht.

Obwohl der fuer das operative Geschaeft verantwortliche Ditec-Chef Klaus Lutz einraeumt, Digital habe mit dem Aufbau einer Mitarbeitergesellschaft in erster Linie die Kosten senken wollen, gibt er sich zuversichtlich: "Unsere Ausgangsbasis ist wirtschaftlich und finanziell sehr solide."

Als Sacheinlage gehen neben den Grundstuecken in Villingen- Schwenningen die Kienzle-Geschaeftsfelder inklusive PCS sowie die kompletten Learning-Services (etwa 140 Mitarbeiter) von Digital und Kienzle an die Mitarbeitergesellschaft ueber. Die noch an zwei Standorten angesiedelten Schulungszentren sollen "kurzfristig" zusammengelegt werden.

Ausserdem uebernimmt Ditec voraussichtlich 110 Mitarbeiter aus der Consulting- und 53 Beschaeftigte aus der Vertriebsabteilung von Digital, die bisher keinem eigenen Geschaeftsfeld zugeordnet wurden. Lutz hofft, diese Mitarbeiter in die "470 Projekte einbinden zu koennen", die noch im Kienzle-Umfeld laufen. Entscheiden sich die Mitarbeiter gegen die Ditec, muessen sie laut Lutz mit einer Kuendigung rechnen und erhalten eine Abfindung von hoechstens 50 000 Mark.

Ebenfalls der neuen Gesellschaft zugeschlagen werden verschiedene logistische DEC-Einheiten wie die Gebaeudeverwaltung. Hinzu kommen insgesamt 330 Mitarbeiter aus dem Sektor Multi-Customer-Service (MCS), die sich vor allem um die Kienzle-Klientel gekuemmert haben und das auch weiterhin tun sollen.

Durch die Subkontrakte, von denen auch die Learning-Services und die logistischen Einheiten profitieren, sollen bis zum September naechsten Jahres 250 MCS-Mitarbeiter mit Auftraegen ausgelastet sein: "Die 80 Kollegen, die nicht durch Digital-Auftraege gebunden sind, werden wir auf ein eigenes Kundenpotential ansetzen", kuendigt Lutz an. Der bisherige Arbeitsdirektor von Digital rechnet ausserdem fuer ein weiteres Jahr mit Auftraegen der Noch- Muttergesellschaft: "Aber spaetestens Ende 1996 muessen wir fuer den groessten Teil der Kollegen ein eigenes Business generiert haben."

Zwar ist noch nicht endgueltig darueber entschieden, wie viele Geschaeftsfelder der Ditec uebergeben werden, "aber im Prinzip konzentrieren wir uns auf das Loesungsgeschaeft in der mittelstaendischen Fertigungsindustrie, dem Handel und dem Dienstleistungsbereich", erklaert Lutz. Dabei will sich die Ditec zunaechst auf die rund 7000 verbliebenen Kienzle-Kunden stuetzen. "Es geht darum, deren Altanwendungen durch neue Loesungen im Software- und Hardwarebereich zu ersetzen. Da ist ein riesiges Umstellungspotential vorhanden", freut sich der Geschaeftsfuehrer. Fuer Branchenkenner ist allerdings keineswegs ausgemacht, dass die Klientel das Angebot auch wahrnimmt.

Deshalb sieht Lutz der Zukunft nicht ohne Sorge entgegen: "Wir uebernehmen insgesamt 1540 Mitarbeiter. Es wird schwierig genug sein und nur mit vollem Engagement funktionieren, alle Leute in Lohn und Brot zu halten." Ablehnen kann Lutz niemanden. Die Namenslisten sind Bestandteil des notariell beglaubigten Vertrages.

Der Ditec-Chef plant fuer 1995 einen Gesamtumsatz von etwa 250 bis 260 Millionen Mark. Das wuerde bei 1540 Leuten lediglich einen Pro- Kopf-Umsatz von rund 160 000 Mark bedeuten. Das Problem, so schaetzt Lutz die Lage realistisch ein, bestehe darin, "innerhalb der naechsten zwoelf Monate neue Geschaeftsfelder zu identifizieren und erfolgreich zu bearbeiten." Darum soll sich eine noch zu gruendende Ditec-Tochtergesellschaft kuemmern, in der sich Lutz selbst stark engagieren will.

Ausserdem sei die Konzentration auf zwei, hoechstens drei strategische Bereiche wichtig: "Ich will nicht, dass wir als Gemischtwarenladen auftreten." Deshalb haelt es der Ex-Digital-Mann fuer durchaus vorstellbar, dass noch "das eine oder andere Geschaeftsfeld" per Management-Buyout ausgelagert oder an Drittfirmen verkauft wird.

Die Befuerchtung von Branchenbeobachtern, die Gesellschaft werde in spaetestens zwei Jahren nur noch halb so viele Mitarbeiter aufweisen, laesst der Geschaeftsfuehrer nicht gelten: "Es ist Aufgabe des Ditec-Managements, das zu verhindern. Wir haben hier ein Potential, aus dem wir das Beste machen sollten. Wenn wir am Ende 1000 Mitarbeiter beschaeftigen oder weniger, dann kommt es darauf an, intelligente Loesungen zu finden, damit die Leute nicht in die Hoffnungslosigkeit fallen. Das darf auf keinen Fall passieren. Das ist mein Anspruch."

Das Unternehmen soll sehr ziel- und ergebnisorientiert gefuehrt werden. Die gesamte regional ausgerichtete Organisation gliedert sich in verschiedene, Ergebnisverantwortung tragende Profit- Center. Fuer den Fall, dass die "Zahlen nicht stimmen", droht Lutz mit Konsequenzen. Das gelte auch fuer die beiden Geschaeftsfuehrer, die jede Woche einmal zum Rapport bei den Treuhaendern antreten muessen. Die Verwalter agieren noch bis Ende September 1995 als Gesellschafter. Am 1. Oktober naechsten Jahres soll das Unternehmen unentgeltlich in den Besitz der Mitarbeiter uebergehen.

Neben Lutz leitet Geschaeftsfuehrer Dieter Jung, bisher Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats bei Digital, die Bereiche Personal, Recht und Administration. Ebenfalls in die Geschaeftsleitung der Ditec berufen wurde Alfred Keseberg als Vertriebs- und Marketing-Chef. Guenter Mauch, langjaehriger Personalchef bei Kienzle, agiert bei der neuen Gesellschaft in der gleichen Position. Hartmut Methling, den Lutz als "konstruktiven Controller" einstuft, uebernimmt die kaufmaennische Leitung. Harald Moog ist fuer Service zustaendig, Rudolf Roas der Fachmann fuer Rechtsfragen.

Befuerchtungen von Digital-Kienzle-Kunden, der Service und die Zusammenarbeit koennten sich mit der Ditec verschlechtern, haelt Lutz fuer unbegruendet: "Zum einen handelt es sich um die gleichen Leute, die das bisher machen. Zum anderen haben wir keine langen konzerninternen Abstimmungsprozeduren mehr und praesentieren uns wesentlich schlanker und flexibler als so mancher Mitbewerber im Markt."

Die Reaktionen von Kunden, Mitarbeitern und Branchenbeobachtern fallen unterschiedlich aus. Bei den kuenftigen Ditec-Angestellten herrscht Erleichterung, gemischt mit einem Schuss Skepsis: "Die Gesellschaft steht auf gesunden Fuessen. Aber schaffen wir es, innerhalb der kurzen Zeit genuegend Kunden an Land zu ziehen, damit wir in einem Jahr ein tragfaehiges Geschaeft haben?" fragt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will.

Der Ex-Digital-Geschaeftsfuehrer Helmuth Coqui, heute SPD- Abgeordneter im bayerischen Landtag, haelt von der ausgewaehlten Firmenleitung wenig: "Es ist fraglich, ob die vorgesehenen Manager, die schon waehrend ihrer Zeit bei Digital nicht erfolgreich waren, das schaffen." Ausserdem kritisiert Coqui, der ein Ueberleben der Ditec fuer sehr ungewiss haelt, dass die Mitarbeitergesellschaft mit wenig zukunfts- und gewinntraechtigen Geschaeftsfeldern belastet worden sei.

Otto Tietze, Vorstandsvorsitzender des Digital-Anwendervereins Decus, haelt indes allein die Tatsache, "dass eine Loesungsmoeglichkeit da ist", fuer einen Fortschritt: "Ob sich allerdings die Hoffnungen erfuellen, die ueber den Personalabbau bei DEC hinaus an die Gesellschaft geknuepft werden, kann man noch nicht beurteilen. Mich wuerde es sehr freuen. Schliesslich geht es ja auch um Menschen, die da von einer Firma in die andere geschoben werden."