Mit Zuckerbrot und IMS

08.10.1982

"Pünktlich wie die Maurer" - dieser Spruch läßt sich ohne weiteres auch auf die Plug Compatible Manufacturers (PCM) anwenden. Kaum haben die IBM-Großsystemanwender das Announcement des 3081 D-Nachfolgers, Modell 3081 G, sowie des "quadratischen" Prozessors 3084 verdaut (CW 37 vom 10. September 1982), da wirft National Advanced Systems (NAS) bereits Alternativmodelle auf den Markt (Seite 1). Dies ist PCM-Politik, wie man sie seit dem Amdahl-Debüt im Jahre 1975 kennt. Doch wird man im Falle NAS 9000 fragen dürfen, ob die übliche Hektik angebracht ist.

So stellt die Tochter von National Semiconductor zwar die Einrichtung "Extended Architecture" (XA) für Anfang 1984 in Aussicht, betont aber gleichzeitig, daß zeitliche Verschiebungen der von IBM für das erste Quartal 1983 angekündigten "relevanten Produkte" die Planung von NAS beeinflussen könnten. Die Möglichkeit einer XA-Frühgeburt soll damit gewiß nicht angedeutet werden. Im Gegenteil: National spekuliert offensichtlich darauf, daß der Marktführer Schwierigkeiten mit der XA-Implementierung bekommt. Die Kalamität der PCM-Branche wird deutlich: Was IBM noch nicht hat, zumindest nicht vorzeigt, können die Nachahmer auch nicht haben. Wenn solche Versprechungen (XA für 9000) den NAS-Leuten auch noch so flott von den Lippen gehen: Zweifel bleiben bestehen, ob Taten folgen werden.

Experten glauben allerdings, daß die "Kompatiblen" IBMs MVS-Erweiterungen auf ihren Maschinen unterstützen werden, wenn erst die entsprechenden Dokumentationen(!) vorliegen. Im Umgang mit IBM-Mikrocode, so die Analyse der PCM-Fachleute, hätten NAS & Co. Erfahrung. Einige IBM-Beobachter halten vielmehr das "Information Management System"(IMS) für die Klammer, die IBMs Großsystemwelt zusammenhält. Wer von der Unbeirrbarkeit spricht, mit der IBM-Kunden zu ihrem Lieferanten stehen, der meint immer ja auch Schwerfälligkeit. Die IBM hat, um die DV-Investitionen ihrer Kunden zu schützen, diese zu Patienten gemacht, die das Medikament "Koexistenz" brauchen. Das bedeutet: Ein neuer Softwarekomplex, wie MVS/XA, muß zu sämtlichen Subsystemen seiner Vorgänger "verträglich sein".

Die IBM-Verantwortlichen betonen immer wieder, daß sie sich damit eine Verpflichtung auferlegt hätten, die enorme Beschränkungen mit sich bringe. Kundenschutz gehe jedoch vor, so die Entschuldigung, man könne eben nicht mehr tun, was man eigentlich wolle. Diese Darstellung nehmen die PCMs dem Mainframe-Giganten freilich nicht ab. Ein Kompatibilitätsdogma, das den Kunden unbeweglich mache, schütze in Wahrheit die IBM vor Übergriffen der Großrechnerkonkurrenz.

Wodurch ist nun diese Schwerfälligkeit verursacht? Durch die Systems Network Architecture (SNA) gewiß nicht. IBM-Anwender können mittlerweile unter einer Vielzahl "fremder" SNA-Geräte wählen. Auch MVS stellt kein Hindernis daar. Das Betriebssystem Multiple Virtual Storage unterstützen neben Amdahl und NAS (siehe oben) einige andere Amerikaner sowie die Japaner Fujitsu und Hitachi.

Das Datenbank-Monstrum IMS ist das Eisen, das IBM und die Anwender aneinanderkettet. An die 400 Milliarden Dollar, schätzen IBM-Kenner, haben die Kunden in IMS-Anwendungen im Laufe der Jahre hineingesteckt. An diesem IMS-Gebirge, entstanden durch Ablagerungen, beißen sich die PCMs die Zähne aus. Man frage einmal, welchen Preis ein Anwender zahlt, der IMS hat. Die Antwort kennt nur IBM.