Elektronikhersteller

Mit welchen Methoden Samsung die Welt erobert

20.05.2013

Die Kontrollsucht ist ungebrochen

Auch wenn Samsung inzwischen über einen Beteiligungsfonds junge Firmen mit innovativen Technologien fördert, bleibt Konzernkenner Anthony Michell in Seoul skeptisch: "In der DNA von Samsung ist ein Bürokratismus angelegt, der sich nur schwer überwinden lässt." So verlassen Ausländer Samsung meist irgendwann einmal, weil sie nicht sehr weit aufsteigen können. Wichtige Positionen bleiben Koreanern vorbehalten. Wie weit Samsung von den Erfordernissen der iPhone-Ära entfernt ist, zeigt eine Anekdote: Vor drei Jahren schickte der Konzern seine Manager zu Hunderten ins Kino, um beim 3-D-Science-Fiction-Film "Avatar" die Fantasie für neue Produkte anzuregen.

Derlei Aktionen sowie die Lockerungen in "Samsung Digital City" werden Fantasie und Kreativität der Elektroniksparte so lange nicht sprießen lassen, wie der alte Geist auf anderen Ebenen weiterwabert. Denn obwohl die Familie Lee nur fünf Prozent der Aktien von Samsung Electronics hält, sitzen im Verwaltungsrat des direkten Apple-Konkurrenten nur Samsung-Manager und Lee-Verbündete, die Teile des clan-typischen Nordkorea-Stils weiter pflegen.

So ist die Kontrollsucht bei Samsung ungebrochen. Laut einem Bericht des öffentlich-rechtlichen koreanischen Fernsehsenders MBC überwacht eine Sonderabteilung im Konzern bis heute unliebsame Mitarbeiter. Alle Beschäftigten dürfen das GPS-Signal in ihrem Handy nicht abschalten, damit sich ihre Bewegungen ständig überwachen lassen. Jederzeit darf das Unternehmen die persönliche Habe der Mitarbeiter im Betrieb durchsuchen lassen. Bis heute gibt es bei Samsung Electronics keine unabhängige Gewerkschaft. Wirksame Mitspracherechte werden ausgehebelt, indem sich nur loyale Mitarbeiter als Arbeitnehmervertreter wählen lassen dürfen.

Angreifer aus China

Wer laut über die Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft nachdenkt, wird eingeschüchtert, isoliert und gefeuert, so wie Kim Sung-hwan, der danach von außen eine Samsung-Gewerkschaft gründete. Mitarbeiter, die den Ex- Kollegen treffen, würden verfolgt und verhört, erzählt er in einem schäbigen Büro bei Seoul.

Beim Arbeitsschutz wiederum ist Samsung ins Visier von Menschenrechtsgruppen geraten. In einem Krankenhaus in Chuncheon nördlich von Seoul sitzt die 35-jährige Han Hi-kyoung im Rollstuhl. Ihre Arme zucken, ihr Gesicht verzerrt sich. "Ich könnte Samsung töten", stößt sie mühsam hervor. Seit der Entfernung eines Hirntumors kann die junge Frau nicht mehr laufen und kaum sprechen.

Sechs Jahre lang hatte Han 16 Stunden täglich in einer Samsung-Fabrik Displaymodule zusammengebaut. Dabei kam sie ständig mit einer Bleicreme in Berührung und atmete ihre Dämpfe ein. 56 ehemalige Arbeiter in der Halbleiterproduktion von Samsung sind der Aktivistengruppe Sharps zufolge frühzeitig verstorben, die meisten an Krebs. Samsung leugnet jeden Zusammenhang, weigert sich aber, die eingesetzten Chemikalien preiszugeben. Zugleich bietet der Konzern Kranken und Angehörigen Geld, das mit einer Schweigeauflage verbunden ist.

Angriff auf Samsung

Noch kann Samsung im Chipgeschäft den Vorsprung halten. Die Erfolge mit Smartphones, Tablets und Fernseher auf der einen nähren die Produktion von Komponenten auf der anderen Seite. "Wachsende Marktanteile bei Smartphones und der Verkauf mobiler Komponenten stärken sich gegenseitig", sagt Chung Chang-won, Analyst beim Brokerhaus Nomura.

Unbegrenzt funktioniert das aber nicht. Bei den Endgeräten greifen chinesische Nachahmer die Koreaner mit ihren eigenen Methoden an: Huawei und ZTE bei Handys und Smartphones, Haier bei Fernsehern und Haushaltsgeräten sowie Lenovo bei Computern. Das drückt die Margen der Samsung-Geräte. Schon heute ist der koreanische Riese lange nicht so profitabel wie Apple. Von der anderen Seite nähern sich Softwareriesen wie Google, die sich eigene Hardwarefirmen zulegen.

"In China, für China"

Samsung setzt eine zweigleisige Strategie dagegen. Zum einen flüchtet der Konzern aus dem teuren Produktionsstandort Korea. Neue Chip- und LCD-Fabriken entstehen entweder in Billigländern wie Vietnam oder im neuen Zielmarkt China. Unter dem Schlagwort "In China, für China" will Samsung dort mehr für den Binnenmarkt produzieren. "Samsung sieht China, nicht Apple als die eigentliche Gefahr, deshalb will man die Chinesen in China bekämpfen", meint Experte Michell.

Zum anderen investiert Samsung, wo sich das bewährte Geschäftsmodell mit guten Aussichten wiederholen lässt - in Logikchips, OLED-Fernseher, LED-Lampen, Drucker, Solarzellen, Lithium-Ionen-Akkus und Medizintechnik. Michell ist zuversichtlich: "Samsung kontrolliert alle Wege in die digitale Zukunft und lernt sehr schnell aus Fehlern."

Wäre da nicht die Nachfolge: Was der neue Samsung-Electronics-Chef Lee Jae-yong kann, weiß niemand, obwohl er seit 21 Jahren für die Gruppe arbeitet. Seine einzigen Gehversuche als Unternehmer - Ende der Neunzigerjahre im Internet - scheiterten. Samsung musste seine Firmen retten. Vater Lee hat die operative Führung des Konzerns bisher international ausgebildeten Landsleuten überlassen. "Samsung hat das beste Management aller koreanischen Konzerne", lobt Ökonom Kim.

Sollte sich sein 44-jährige Sohn Lee Jae-yong künftig mehr ins alltägliche Geschäft einmischen, wüchse das Risiko folgenreicher Fehler, da im Ja-Sager-Biotop Samsung niemand dem Filius des bisherigen Herrschers widersprechen würde, meint Samsung-Ex-Chefjurist Kim Yong-cheol. Genau darin liegt nach Meinung des britischen Korea-Kenners und PR-Beraters Michael Breen in Seoul langfristig die Gefahr für den Konzern.

"Ohne Fokus auf einen Lee", behauptet Breen, "kollabiert die ganze Gruppe."

(Quelle: Wirtschaftswoche)