Facebook, Twitter, Pinterst & Co. auswerten

Mit Social Commerce auf Kundenfang

12.02.2014
Von 
Yvonne Göpfert ist als freie Journalistin in München tätig.
Lange Zeit galt im E-Commerce das Credo, den Kunden auf der eigenen Website so schnell wie möglich zum Kaufen zu bewegen. Am besten gelang das per Anzeige direkt auf ein Produkt. Nun experimentieren Online-Shops mit einem neuen Ansatz für mehr Umsatz: Social Commerce.

Social Commerce ist das nächste große Ding im Marketing, sagen Marketiers rund um den Globus. Doch was versteht man darunter genau? Social Commerce hat verschiedene Ebenen: Zum einen empfehlen Kunden anderen Kunden Produkte. Zum anderen tauschen sich Menschen auf Facebook, Twitter oder Blogs über Produkte, Marken und Dinge aus, die sie beschäftigen. Diese Tatsache können Unternehmen zunutze machen , um über Social-Media-Kanäle dem User zuzuhören, Bedürfnisse abzuleiten und für ihr Marketing zu verwerten.

Mit Social Commerce auf Kundenfang
Mit Social Commerce auf Kundenfang
Foto: Creativa - Fotolia.com

Social Commerce bedeutet Inspiration

Wer nun glaubt, Social Commerce bedeute, seinen Shop auf Facebook zu verschieben und dort fleißig Links der Sorte "Kauf mich" zu posten, der irrt. Social Commerce ist die Kunst, Kunden zu inspirieren und auf Entdeckungsreise zu schicken. Das kann via Facebook und Twitter oder über neue Kanäle wie Pinterest, Etsy und Stylefruits geschehen.

Stylefruits
Stylefruits

Pinterest ist als virtuelle Pinnwand für all die Dinge gedacht, die dem Nutzer wichtig sind und die er mit anderen Usern teilen will. Schicke Schuhe oder das frisch erstandene Designerhemd gehören definitiv dazu. Auf Stylefruits kann jeder Besucher Outfits zusammenstellen und freigeben. Andere User, die einen bestimmten Style favorisieren, können sich von den Outfits inspirieren lassen und sie auf Knopfdruck auch kaufen. Etsy wiederum ist eine Community aus Künstlern, Kreativen und Sammlern, die Schmuck, Kleidung und Wohnaccessoires herstellen und vertreiben. Jeder Künstler postet hier seinen persönlichen Stil, User finden neue Looks und schöne, kunstvolle Dinge aus aller Welt, die sie sonst nie entdeckt hätten.

Pinterest
Pinterest

Auf allen drei genannten Seiten finden potenzielle Käufer jede Menge Inspiration, die natürlich nicht jedes Mal in einer Bestellung mündet. Die neuen Sites erinnern somit ein wenig an virtuelle Shopping-Malls, wo Besucher sich umsehen, um neue Ideen zu finden. Das Angebot ist jedoch kein Werbeprospekt - die Ideen wurden von anderen Nutzern gepostet, die sich für die gleichen Produkte oder Marken interessieren. Die Seiten fungieren im Prinzip wie ein Magnet, der potenzielle Kunden anzieht, inspiriert und eines Tages vielleicht zum Kauf animiert.

Anzeigen-Marketing allein reicht nicht

Social Commerce ist damit eine weitere Option im bunten Strauß des Online-Marketings. Wer heute erfolgreich verkaufen will, sollte also die Marketing-Aktivitäten seines Unternehmens weiter in Richtung Social Commerce denken. In der Vergangenheit lockten E-Commerce-Händler ihre Kunden mit Anzeigen direkt auf die Shopping-Seite, wo der Kunde kaufen sollte. Diese Anzeigen funktionieren immer noch - insbesondere wenn es zeitkritische Anzeigen der Marke "Angebot nur für kurze Zeit" oder "Gilt nur bis heute Abend" sind.

Runtastic
Runtastic
Foto: Diego Wyllie

Doch als alleinige Marketing-Strategie reicht diese Art des Marketings heute nicht mehr aus. Effektiver werben können Shop-Besitzer, wenn sie auf Social Commerce setzen oder eigene Communities rund um ihr Angebot etablieren, wie beispielsweise Nike mit seiner Lauf-Community Nike Plus oder die Sports-App Runtastic, die inzwischen einen eigenen Shop integriert hat.

Retargeting ergänzt Social-Commerce-Aktivitäten

Die neuen Kanäle des Social Commerce bieten die Möglichkeit, Kunden zu inspirieren und ihnen Produkte vorzuschlagen, auf die sie von allein vielleicht nie gestoßen wären. Der Kunde ist damit sensibilisiert, Wünsche werden geweckt. In einem nächsten Schritt können dann Anzeigen via Retargeting die vorsensibilisierten Kunden für ihre Werbebotschaft empfänglich machen. Der Trick besteht darin, zu analysieren, welche Produkte sich der Nutzer in seinem Browser bereits angesehen hat - Pinterest und Stylefruits lassen grüßen. Zu diesen Produkten bekommt der User die passende Werbung eingeblendet - sozusagen als Reminder in der Hoffnung, dass er Schuhe oder Jackets, die er sich angesehen hat, doch noch bestellt. Der Unterschied zwischen Social Commerce und Retargeting besteht dabei darin, dass beim Retargeting Maschinen die Vorschläge unterbreiten, Social-Commerce-Seiten dagegen liefern Vorschläge von Menschen aus Fleisch und Blut.

Persönliche Empfehlungen sind gefragt

Und persönliche Empfehlungen sind genau das, was insbesondere junge Nutzer unter 30 Jahren wünschen. "Ein Shopping Guide auf Basis von maschinellen Personalisierungs-Algorithmen trifft oft nicht den Bedarf der jungen Shopper. Sie möchten lieber einen Shopping Guide mit Input von echten Menschen." So lautet eine der Kernaussagen der Studie "Zukunft des Handels", die eBay seit Anfang 2012 betreibt, um den Wandel im Handel zu analysieren.

Social Media für kleine und mittelständische Betriebe

Doch wie können sich kleine und mittelständische Unternehmen Empfehlungs-Communities und Social Media zunutze machen? Glaubt man einer Studie der Universität Liechtenstein und der Wirtschaftsuniversität Wien über die Nutzung von Social Media als Marketing-Instrument, ist Social Media für den Mittelstand bislang meist kein Erfolg. Zwei Drittel der Unternehmen, die an der Studie teilnahmen, setzen soziale Netzwerke wie Facebook, Xing, Linkedin oder Twitter zur Vermarktung ihrer Marke und ihrer Produkte ein. Sie wollen hiermit vor allem bekannter werden und neue Kunden gewinnen.

Die große Mehrheit der befragten Unternehmen ist zudem überzeugt, dass sie neue Produkte über soziale Netze schneller am Markt einführen kann als mit traditionellen Marketing-Maßnahmen. Und doch bleibt der messbare wirtschaftliche Erfolg außen vor. Die Erklärung ist einfach: Mittelständische Unternehmen haben oft einfach nicht die Manpower, um ihre Hausaufgaben im Social Commerce zu machen. Geht es um die konkrete Auswertung und Kontrolle der Nutzung von Social Media, so besteht der Studie zufolge bei der Mehrheit der befragten Unternehmen ein Defizit. Lediglich ein Drittel wertet die Netznutzung quantitativ aus, kontrolliert Klicks, Freundschaftsanfragen oder die Zahl der Nutzerkommentare. Die übrigen zwei Drittel verfügen über keinerlei System zur Erfolgsmessung. Eine inhaltliche Analyse der Nutzeraktivitäten in sozialen Netzwerken findet praktisch überhaupt nicht statt.

Aktivitäten der Nutzer auswerten

Das ist umso sträflicher, als Menschen gern ihr neu gekauftes Abendkleid oder ein tolles Geburtstagsgeschenk twittern oder auf Facebook posten und ihren Freunden erzählen, wie gut (oder schlecht) sie das Produkt finden. "Ein Facebook-Nutzer hat im Schnitt 135 Follower. Wenn Sie es schaffen, ihn für Ihre Produkte oder Ihre Marke zu begeistern, haben Sie viel mehr erreicht als Anzeigen-Marketing jemals vermag. Der Grund: Sie können sich die Glaubwürdigkeit, die in privaten Beziehungen herrscht, zunutze machen, um die Vorzüge ihres Produktes bekannt zu machen", erklärt Mani Pirouz, Senior Director Strategic Accounts EMEA des CRM-aus-der-Cloud-Anbieters Salesforce und Dozent der Social-Media-Akademie.

Und hier wäre die zweite Ebene von Social Commerce zu nennen, die häufig vergessen wird, nämlich, dass Kunden Facebook- und Twitter-Feeds von ihren Lieblingsmarken abonnieren. Warum tun sie das? Sie erwarten heute, dass Unternehmen ihnen zuhören. Stellt sich also die Frage, wie Anbieter Facebook & Co nutzen können, um Leads zu generieren? Die Antwort lautet, indem sie die Unterhaltungen auf Facebook, Twitter oder Instagram auswerten. Wenn sich Nutzer über Makler und Immobilien austauschen, kann das beispielsweise für Umzugsunternehmen interessant sein. Denn wer ein Haus kauft, zieht in der Regel kurz darauf auch ein.

Radiant6
Radiant6
Foto: Salesforce

Unternehmen können Facebook also dazu nutzen, die Bedürfnisse ihrer Kunden viel früher zu erkennen und ihnen passende Angebote zu machen. Ein Tool wie Radian6 hilft bei den Auswertungen. Die Cloud-Software durchforstet rund 650 Quellen wie Blogs, Foren, Twitter, Facebook und Instagram nach bestimmten Suchbegriffen (zum Beispiel Immobilie), um potenzielle Interessenten für ein Angebot herauszufiltern. Im nächsten Schritt können die Nutzer, die sondiert wurden, mit einem Eins-zu-eins-Mailing direkt und persönlich angeschrieben werden. Alternativ kann man die Kundendaten nach und nach auch mit weiteren Informationen anreichern. Zum Beispiel indem man Gewinnspiele veranstaltet oder Broschüren und Datenblätter zum Download anbietet und dadurch weitere Daten sammelt. Doch Achtung: Unternehmen können auf diese Weise sehr viele Daten zu jedem Kunden sammeln. Sie sollten deshalb überlegen, welche Daten wirklich Sinn ergeben, um den Kunden zu einem zufriedenen Käufer zu machen.

Fazit

Social Commerce ist ein vages Versprechen, das zusätzliche Arbeit für das Marketing-Team bedeutet. Wenn eine mittelständische Firma die Social-Commerce-Karte spielen will, sollte es wenigstens einen erfahrenen Social-Media-Manager anstellen, der sich um Kommunikation und Inspiration kümmert und darüber hinaus die Auswertungen vornimmt, die dem Unternehmen für zielgerichtete Kampagnen von Nutzen sind. Außerdem sollte das Unternehmen anfangen, vernetzt zu denken und die Ideen der sozialen Netzwerke auch zu leben. Erst dann klappt es auch mit Social Commerce. (pg)