Kolumne

"Mit Sicherheit weniger Geschäft"

25.01.2002
Wolfgang Sommergut Redakteur CW

Nach der blamablen Bilanz, die Microsoft in puncto Sicherheit für das Jahr 2001 ziehen musste, ernannte Bill Gates dieses Thema nun offenbar zur Chefsache. Vorstöße wie das im Herbst ausgerufene Strategic Technology Protection Program erhielten wohl nicht jene Aufmerksamkeit, die man sich in Redmond erhofft hatte. Vielmehr zogen immer neue Softwarefehler in Windows und anderen Produkten das Interesse von Medien und Anwendern auf sich.

Die kürzlich publizierte E-Mail des Microsoft-Bosses soll Zweifler überzeugen, dass es der Desktop-Monopolist beim Thema Sicherheit nun ernst meint. Nach Bekunden von Bill Gates sei diese Ankündigung genauso wichtig wie die 1995 ausgerufene Internet-Wende.

Zwischen diesen beiden Weichenstellungen besteht indes ein stärkerer inhaltlicher Zusammenhang, als der Microsoft-Chef eingestehen mag. Ende 1995 bestand die Herausforderung für den Internet-Nachzügler vornehmlich darin, bestehende Desktop-Software in Rekordtempo Web-fähig zu machen und das Portfolio um Programme wie Browser, Web-Server oder einschlägige Tools zu erweitern. Dabei kalkulierte der Softwareriese von Anfang an damit, dass er mit Hilfe seines Monopols bei PC-Software die Konkurrenz aushebeln könne. In der Folge erhob Microsoft die enge Integration von Desktop und Internet zu seinem Markenzeichen. Seitdem jagt ein schwer wiegender Softwarefehler den anderen. Aber erst in den letzten zwei Jahren, in denen das Internet wirklich zum Massenmedium und zur unverzichtbaren Business-Plattform wurde, konnten Schadprogramme ihre Wirkung in verheerender Weise entfalten. Sie zeigen nun gnadenlos die Schwachpunkte der Microsoft-Philosophie - denn sie ist die eigentliche Wurzel des Übels. Wer wird denn ernsthaft glauben, dass ausgerechnet in Redmond schlechtere Programmierer arbeiten als anderswo und nur sie die Schuld für die zahllosen Sicherheitsmängel tragen?

Eine grundlegende Neuausrichtung nach den Geboten der Sicherheit dürfte Microsoft allerdings schwerer fallen als die Internet-Wende. Denn damit wäre die Aufgabe einer erfolgreichen Geschäftspraxis verbunden, nämlich die Verquickung von Betriebssystem und Anwendungen. Außerdem passte die Erweiterung bestehender Programme um unausgereifte Internet-Funktionen wunderbar ins Geschäftsmodell von Bill Gates. Sie boten einen Anlass, das Update-Karussell noch schneller zu drehen. Wenn nun - wie angekündigt - neue Funktionen zurückstehen sollen, um die Sicherheit vorhandener Features zu verbessern, dann könnte das Update-Business darunter leiden: Dieses besteht nämlich im Wesentlichen darin, Anwendern den Code, für den sie schon bezahlt haben, nochmals zu verkaufen und ihnen dafür ein paar neue Funktionen draufzulegen.