Neue Einstiegs-VAXen von DEC

Mit Posix will DEC Offenheit und Transaktionen groß schreiben

21.02.1992

MAYNARD/MÜNCHEN (CW) - Mit ihrem nunmehr um drei weitere Modelle im unteren und oberen Leistungsbereich erweiterten MicroVAX3100-Angebot und der jetzt verfügbaren Posix-Schnittstelle rüstet sich die Digital Equipment Corp. für die nächste Runde im Offene-Systeme-Wettstreit, in dem sie auch auf ihre Stärke als Serverlieferant bauen will.

Die MicroVAX-3100-Systeme im besonderen, zum Teil auch die VAX-4000-Maschinen gelten für kleinere Unternehmen als Einstiegsmodelle in die Mehrplatz- und Mehrbenutzer-DV. Zu den MicroVAX-Rechnern, Modelle 10e und 20e, gesellen sich nun die Typen 30, 40 und 80. Alle drei Rechner wurden nicht in den USA, sondern im schottischen Ayr entwickelt und auch dort fabriziert - ein Novum in der Geschichte der DEC-Company.

Außerdem senkte Digital für die erstmals im Oktober 1990 präsentierte, auf fünf Benutzer zugeschnittene Einstiegs-MicroVAX, Modell 310e, den Preis. Die in Deutschland etwa 22 400 Mark teure Maschine wird in Amerika jetzt für umgerechnet 1000 Dollar weniger verkauft. Die ehedem als Einstiegsmodell positionierte MicroVAX 3100, Modell 20, soll hingegen noch dieses Jahr vom Markt genommen werden.

Bei der Schlacht um Marktanteile im Midrange-Sektor, die zunehmend auch von den leistungsstarken PC-Servern von Compaq, Everex, Parallan, Netframe oder Tricord geprägt ist, sollen vor allem Kaufinteressenten mit kommerziellen Anwendungen von DEC geködert werden. Nicht ohne Absicht heben die Marketiers aus Maynard, Massachusetts, bei ihren Leistungsangaben für die drei neuen Systeme besonders auf Transaktionsverarbeitungs-Werte ab: Gemäß TPC-A-Testläufen (Transaction Processing Council) erzielt der Toprechner Modell 80 - 27,9 Transaktionen pro Sekunde (Tps).

Dies kommt einem Preis von rund 10 200 Dollar pro Transaktion gleich, was den für DECs Einstiegs-VAXen verantwortlichen Vice-President Jesse Lipcon zu der Aussage veranlaßte, das neue MicroVAX-Topmodell sei gegenüber Konkurrenzprodukten um mehr als 14 Prozent preisgünstiger.

Für die kleineren Systeme 30 und 40 ermittelte das US-amerikanische Benchmark-Institut jeweils 21,6 Tps, was einen Preis pro Transaktions-Wert von etwa 10 900 Dollar ergibt. Einstiegskonfigurationen kosten etwa 8790 Dollar (Modell 30), 11 500 Dollar (Modell 40) sowie 18 500 Dollar (Modell 80).

Nach Meinung von Branchenanalyst William Sines von der Technology Investment Strategies Corp. (Tisc) aus Framingham, Massachusetts, haben die neuen Rechner aufgrund ihres aggressiven Preises sowie verbesserter I/O-Charakteristika SCSI-Bus mit 4 MB Datendurchsatz - im Midrange-Markt gute Chancen: "Die MicroVAXen dürften auch neben den neuen AS/400-E-Modellen der IBM eine gute Figur machen", so der Tisc-Marktforscher.

Dem Verkaufsargument Interessenten mit Server-Tauglichkeit und Integrationsoptionen für heterogene Rechnersysteme zu ködern, verschließt sich auch Digital nicht: Die MicroVAX-Novizen seien auch als Server einsatzfähig, als Steuerrechner, die über DECs NAS-Umgebung den Schulterschluß sowohl mit DOS- und OS/2-, als auch mit Macintosh- und Unix-Rechnern eingehen.

Wichtig für einen sehr viel größeren Kreis von DEC-Anwendern ist nach Ansicht von Marktbeobachtern die Verfügbarkeit der lange angekündigten Posix-Schnittstelle: Mit "VMS Posix"-Option in der Version 1.0 steht Software-Entwicklern jetzt der Weg offen, Anwendungen zu schreiben, die sowohl auf DECs proprietärer VMS-Umgebung als auch in Unix- und anderen Betriebssystem-Welten mit Posix-Unterstützung ablauffähig sind.

Die im italienischen Varese entwickelte Schnittstelle unterstützt die drei IEEE-Normen 1003.1, 1003.2 und 1003.4 und wird von DEC ab Ende Februar 1992 ausgeliefert. Alle VAX-VMS-Anwender, die mit der VMS-Version 5.5 und höher arbeiten, können nach Unternehmensangaben die Posix-Schnittstelle nutzen. Dessen "Media- und Dokumentations-Kit" kostet zwischen 165 und 340 Dollar.