IT in Banken/Banken können sich individuell präsentieren

Mit Portalen flexibel auf neue Kunden und Märkte reagieren

19.01.2001
E-Commerce kennt keinen Schalterschluss und keine geografischen Grenzen, Konditionen können schnell verglichen werden. Günstig für die Kunden, aber eine Herausforderung für die Banken, welche die elektronische Schnittstelle zum Kunden - ihr Portal - wie ein Kundenbindungs-Tool behandeln sollten. Theo Ruland* skizziert den Einsatz dieser Instrumente bei Banken.

Finanzdienstleistungen sind Vorreiter des E-Business. Nicht ohne Grund: Hier wird traditionell mit "virtuellen Größen" gehandelt. Der zunehmende Abstraktionsgrad, der den Geldverkehr seit Jahrhunderten prägt, schuf quasi die Grundlage für die konsequente Verlagerung der Geschäfte vom physikalischen Raum in den Cyberspace.

Einer Studie des Bundesverbands deutscher Banken zufolge haben bereits 31 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet; fast jeder Vierte davon praktiziert auch Online-Banking. Da die 18- bis 29-Jährigen hierbei den Schwerpunkt bilden, ist das weitere Wachstum sozusagen demografisch vorgegeben. Vor allem dann, wenn die Sicherheitsbedenken ausgeräumt werden, die heute noch das wesentliche Hindernis bilden.

Mit der Abwicklung von Bankgeschäften wie Kontostandsabfragen, Überweisungen, Wertpapieraufträgen etc. über das Internet wird fortgesetzt, was mit Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern begann: die zunehmende Automatisierung von Banktransaktionen. Triebfeder ist der Zwang zur Senkung der Kosten pro Transaktion - angesichts ihres rapide ansteigenden Volumens eine dringende Notwendigkeit.

E-Commerce kennt keinen Schalterschluss und keine geografischen Grenzen, Konditionen können schnell und einfach verglichen werden. Höhere Kundenfluktuation ist eines der wesentlichen Merkmale des elektronischen Banking, Kundenbindung eine seiner großen Herausforderungen.

Der Zugang zum Online-Banking wird in immer größerem Maß mobil erfolgen, über Smartphones oder andere Geräte. Protokolle wie WAP und UTMS sowie mobile Applikationen mit integrierter Datenbank und der Möglichkeit zur Datensynchronisation tragen das ihre dazu bei. Der Mobilmarkt wächst bereits doppelt so schnell wie der Desktop-Sektor. Dabei liegen die Banken an der Spitze: 70 Prozent von ihnen werden bis zum Jahr 2003 in Europa mobile Dienstleistungen anbieten. Damit werden die Sicherheitsanforderungen nochmals potenziert.

Noch weitreichender sind die Auswirkungen des E-Business im Firmenkundengeschäft. Die Digitalisierung der Wertschöpfungskette verändert die Organisationsstrukturen gravierend.

Das Internet macht Informationen jedem schnell zugänglich - der Informationsvorsprung der Banken als Intermediär in ihren traditionellen Kompetenzfeldern schmilzt. Immer mehr Unternehmen unterhalten interne Finanzdienstleistungsabteilungen, die sich direkt am internationalen Kapitalmarkt bedienen. Die Nachfrage nach klassischer Fremdfinanzierung nimmt ab.

Gleichzeitig bilden sich ganz neue Wertschöpfungs- und Vertriebsallianzen heraus. Das gilt sowohl für die Kunden als auch die Banken selbst, die beispielsweise mit Telekommunikationsunternehmen strategische Partnerschaften eingehen.

Diese Entwicklungen zwingen Banken dazu, Leistungspalette und Organisationsstruktur neu zu bestimmen. Das Standardgeschäft wie Kontoführung, Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Cash-Management etc. wird weiter automatisiert. Transaktionen, die hohes Volumen, aber geringe Margen mit sich bringen, werden so weit wie möglich ins Internet verlagert.

Immer noch Fragmentierung der IT-LandschaftEinige Banken werden sich ganz auf dieses Geschäft konzentrieren und es anderen als Dienstleistung anbieten. Andere Banken wiederum werden ihr Leistungsspektrum entsprechend ihren jeweiligen Kernkompetenzen definieren. Das Standardgeschäft wird dann als externe Leistung ins Portfolio eingebunden, eventuell kombiniert mit den Services weiterer, auch bankfremder Anbieter.

"Notwendig wird ein kundenorientiertes Angebot von Leistungsbündeln, das sowohl aus Standard- und Kern- als auch Spezialleistungen besteht", skizziert eine aktuelle Studie des Bundesverbandes Deutscher Banken zum Thema E-Commerce die Situation. "Entscheidend ist eine kompetente Schnittstelle zum Kunden, an der es gelingt, kundenorientierte, ganzheitliche Lösungen zu präsentieren und sich dadurch von inländischen und zunehmend ausländischen Wettbewerbern zu differenzieren."

Damit ist die zentrale Herausforderung für Banken exakt beschrieben: An der Kundenschnittstelle müssen unterschiedliche interne und externe Leistungen zusammengeführt werden. Je individueller diese präsentiert werden, desto stärker die Kundenbindung. Das Internet bietet die Chance, das klassische Kundengespräch abzubilden. Dazu gehören persönliche Ansprache, auf den jeweiligen Bedarf zugeschnittene Leistungspakete sowie zunehmend auch Beratung.

Die aktive Vermarktung von Finanzprodukten und Services über das Internet zieht eine neue Vetriebsstruktur nach sich. Banken müssen in der Lage sein, die unterschiedlichen Kanäle parallel zu managen - Filialen, Call-Center, Kiosk-Systeme und Internet. Dies impliziert: Informationen über Aufträge, Kontobewegungen und andere Veränderungen, die in einem Bereich anfallen, müssen den anderen zeitnah und umfassend zur Verfügung stehen. Und die zugehörigen Geschäftsprozesse - sowohl unternehmensintern als auch bei Bedarf die von Partnern und Kunden - müssen integriert werden können.

In der Vergangenheit haben Banken mit Hilfe der Informationstechnologie vorwiegend einzelne Prozesse des Back-Office optimiert. Jetzt kommt es darauf an, das Front-Office so einzubinden, dass - entsprechende Berechtigungen vorausgesetzt - von der Kundenschnittstelle nahtlos auf die unterschiedlichen Systeme durchgegriffen werden kann.

Dem steht jedoch noch in vielen Banken die Fragmentierung der IT-Landschaft entgegen. Informationen, die zu einem Kundenvorgang gehören, liegen vielleicht in Textdateien, elektronischen Nachrichten oder auch Papierdokumenten, in RDBMS auf heterogenen Plattformen und in diversen Anwendungen. Das Gleiche gilt für Geschäftsprozesse: Sie können in Mainframe-Transaktionen abgebildet sein, aber ebenso als Stored Procedures in relationalen Datenbanken oder in komplexen Anwendungen unterschiedlicher Generation. Schon die Integration interner Bereiche ist eine enorme Herausforderung. Jetzt aber gilt es, auch Informationen und Prozesse externer Partner einzubinden.

Enterprise-Portale integrieren Informationen und Prozesse. Diese Integration ist die große Stärke eines Enterprise-Portals. Es kommuniziert mit den verschiedenen Infrastrukturen aller Partner - Content-Management- und Business-Intelligence-Systemen, Data Warehouses, Transaktionsdatenbanken, operativen Applikationen, Internet und anderen externen Informationsquellen - und macht in einem zentralen Repository alle Ressourcen einheitlich zugänglich. Informationen werden zusammengeführt und aggregiert.

Zugleich können die Ergebnisse individuell präsentiert werden. Im Rahmen eines Role-based Computing kann für jeden Nutzer definiert werden, welche Daten und Funktionen für ihn relevant sind, und nur diese persönliche Auswahl wird ihm angeboten.

Auch Geschäftsprozesse lassen sich integrieren und automatisieren. Abläufe werden individuell beschrieben und im Portal hinterlegt. Durch die Einbindung von Ereignissen, die etwa in Applikationen und Datenbanken definiert sind, können dann Prozessketten zu Mitarbeitern, Kunden oder anderen Banken ausgelöst werden. So triggern etwa bestimmte Events die Zustellung von Informationen an einzelne Nutzer über Standard-Messaging-Schnittstellen. Beispielsweise wird ein Wertpapierhändler - unter Umständen auch unmittelbar dessen Kunde - bei relevanten Marktereignissen oder Finanztransaktionen per E-Mail oder SMS-Message direkt informiert, so dass er schnell tätig werden kann.

Enterprise-Portale schaffen so die Voraussetzungen, mit den neuen Anforderungen fertig zu werden, die das E-Business an Banken stellt. Bei Fusionen und Kooperationen - sei es zwischen Kunden oder den Banken selbst - können unterschiedliche IT-Systeme und die auf ihnen basierenden Informationen und Prozesse zusammengeführt werden. Leistungen verschiedener Partner mit unterschiedlichen Kompetenzschwerpunken lassen sich bündeln, einheitlich präsentieren und individuell auf einzelne Kunden zuschneiden.

Durch Einbeziehung von Knowledge-Management-Modulen mit komplexer Logik können auch umfangreiche Prüf- und Entscheidungsprozesse online abgewickelt werden. Damit wird es möglich, beratungsintensive Produkte über das Internet zu verkaufen. Das Management dieses Vertriebswegs gemeinsam mit eher traditionellen Kanälen wird durch die Integration von Informationen und Prozessen in das Enterprise-Portal deutlich einfacher.

Auch intern schafft ein derartiges Tool den Banken neue Potenziale. Beispielsweise wird dank der schnellen Zusammenführung von Informationen das operational Risk reduziert.

Schließlich bieten Portale die Chance, das hochsensible Thema Sicherheit befriedigend zu lösen. An rollenbasierenden Zugängen werden Berechtigungsprofile der einzelnen Benutzer hinterlegt, in denen die zulässigen Kommunikationswege, Informations- und Funktionszugriffe beschrieben sind. Ebenso können für ver-schiedene Kategorien von Informationen und Prozessen unterschiedlich intensive Sicherheitsvorkehrungen festgelegt werden. Verschlüsselung, Authentifizierung durch digitale Signaturen, mehrstufige Verifizierung, etwa über Trust-Center - all diese Optionen werden hier individuell definiert, gemanagt und überwacht. Bankspezifische Standards wie SET oder HBCI, mit denen der elektronische Geschäftsverkehr sicherer gemacht werden soll, können so effizient umgesetzt werden.

Cross-Selling-Potenziale identifizierenHohe technische Anforderungen erfüllen Enterprise-Portale nur dann, wenn ihre technische Plattform entsprechende Leistungsmerkmale aufweist. Die Verlagerung immer höherer Transaktionsvolumina ins Internet bei einer großen Zahl paralleler Nutzer stellt höchste Anforderungen an Performance und Zuverlässigkeit. Eine permanente Verfügbarkeit an sieben Tagen zu 24 Stunden, etwa durch die Unterstützung von Cluster-Systemen, ist ebenso zwingend wie transparentes Client-Failover im Fall von Störungen, damit der technisch unerfahrene Nutzer, der in der Regel ein Bankkunde sein dürfte, sich sicher in der Welt des E-Commerce bewegen kann.

Angesichts der Dynamik, mit der E-Business den Finanzsektor durchdringt, wird die schnelle Implementierung von Portalen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Es bietet sich deshalb an, solche Lösungen nicht monolithisch zu entwickeln, sondern vorgefertigte branchenspezifische Lösungen einzusetzen. Ohnehin sind 80 Prozent der Eigenschaften und Funktionen für alle Anwender gleich. Nur 20 Prozent enthalten die spezifische Geschäftslogik, Funktionalität und Regeln, die den Wettbewerbsvorteil ausmachen - auf diese sollte sich der Finanzdienstleister konzentrieren. Solche Standardlösungen unterstützen von vornherein branchen-spezifische Objekte, Applikationen und Protokolle wie OFX, FIX und SWIFT.

Auch ein Tool für analytisches Customer-Relationship-Management kann integriert werden. So lassen sich die Geschäftsdaten zur Identifikation von CrossSelling-Potenzialen und die Entwicklung gezielter Kundenkampagnen nutzen. Damit wird die Individualisierung nochmals vorangetrieben.

*Theo Ruland ist Geschäftsführer und Director Central Region Europe der Sybase GmbH in Düsseldorf.

Abb.1: Funktion von Enterprise-Portalen

Von der Kundenschnittstelle soll nahtlos auf die unterschiedlichen Systeme durchgegriffen werden können. Quelle: Sybase

Abb.2: Enterprise-Portal in Banken

E-Business entwickelt sich bei Banken erst unter der Voraussetzung eines Enterprise-Portals. Das Management der Vertriebskanäle wird deutlich einfacher. Quelle: Sybase