Computer Associates unterbreitet Übernahmeangebot

Mit Pansophic fällt nun eine der letzten 370-Software-Bastionen

13.09.1991

MÜNCHEN (qua) - Der Kreis der unabhängigen Firmen, die Mainframe-Software an IBM-Kunden vermarkten, wird immer kleiner: Jetzt hat Computer Associates (CA) ein Auge auf die Pansophic Systems Inc. geworfen - der "Easytrieve"- und "Telon"-Anbieter ist seit rund 20 Jahren im /370-Geschäft.

Die Verdauungsbeschwerden, die ihm die vor zwei Jahren geschluckte Cullinet Inc. verursachte, hat der Software-Gigant CA offenbar überstanden. Jedenfalls entwickelt er bereits wieder einen beachtlichen Appetit. Kaum hatte die Öffentlichkeit von der geplanten Akquisition der On-Line Software Inc. erfahren, brachte CA-Chairman Charles Wang einem Bericht der IDG-Schwesterpublikation "Computerworld" zufolge bereits die Namen weiterer Übernahmenkandidaten ins Spiel.

In der Rückschau sieht diese Äußerung des CA-Managers allerdings wie ein Ablenkungsmanöver aus: Statt der Systemsoftware- Spezialisten Goal und Legent wird nun voraussichtlich die Pansophic Systems Inc. in das CA-Imperium eingegliedert.

Wer nach den Beweggründen für diese Entscheidung sucht, stößt unter anderem auf zwei Märkte, in denen CA wenig anzubieten hat: Pansophic verfügt zum einen über Fertigungssoftware für den IBM-Bestseller AS/400, zum anderen über ein relativ umfangreiches Anwendungsentwicklungs-System. Die bischerige CASE-Abstinenz haben Analysen CA wiederholt als Manko angekreidet.

Vorausgesetzt, die US-Kartellbehörde FTC macht dem nach eigener Einschätzung "größten unabhängigen Software-Unternehmen der Welt" keinen Strich durch die Rechnung, so gelangt CA demnächst in den Besitz gleich zweier Softwaresysteme für die Computer-unterstützte

Anwendungsentwicklung.

Allerdings repräsentieren nach Ansicht von Fachleuten weder "Ramis" von On-Line-Software noch das Pansophic-System "Telon" allerneueste Technologie.

Das Mainframe-4GL Ramis ist bereits seit 1977 auf dem Markt und wurde seitdem rund 1500 Mal installiert. Wie Dominique Laborde, als Vice-President Research und Development für den technischen Fortschritt des Softwareriesen zuständig, gegenuber der "Computerworld" äußerte, wird CA möglicherweise die Entwicklung einer zweiten Ramis-Generation wiederbeleben, die On-Line offenbar auf Eis gelegt hatte.

Nicht viel jünger als Ramis ist das Anwendungsentwicklungs-System Telon, das in der Labors der Pansophic Systems entstand. Seit der Markteinführung im Jahre 1981 wurde das ebenfalls für große IBM-Rechner ausgelegte Produkt mehr als 500mal verkauft.

Dem Vernehmen nach stand Pansophic im Begriff, Telon auf Workstation-Rechner zu portieren. Darüber, ob CA dieses Projekt weiterführen wird, gibt es bislang keine Absichtserkläreng. Bei Marktbeobachtern und Anwendern steht Computer Associates bekanntlich in dem Ruf, im Zuge von Übernahmen den unmittelbaren Profit in den Vordergrund zu stellen und weniger gewinnträchtige Produkte oder Projekte bald einzustellen.

In diesem Zusammenhang stellt sich eine Frage, die nahezu für jedes größere Anwenderunternehmen von Bedeutung sein dürfte: Wie wird sich CA in bezug auf die miteinander konkurrierenden Bibliotheksverwaltungs-Systeme "Librarian" und "Panvalet" verhalten? Librarian gehörte zur Mitgift der Applied Data Research Inc. (ADR), die CA vor etwa drei Jahren gekauft hat; Panvalet wurde bei dem jüngsten Übernahmekandidaten, Pansophic Systems, entwikkelt. Beide Produkte sind bereits seit 1969 auf dem Markt und jeweils an die 8000 Mal installiert.

Nach Ansicht von Experten sind allerdings beide Systeme veraltet oder, wie es ein Anwender ausdrückte, "Relikte aus der Zeit der Batchverarbeitung". Wer IBMs Betriebssystem-Flaggschiff MVS/ESA und das darin angelegte erweiterte "Data Facility Product" (DFP/E) einsetze, habe für Bibliotheksverwaltungs-Systeme wie Panvalet und Librarian keinen Bedarf mehr.

Nun besitzt allerdings nicht jeder Anwender eine Lizenz für MVS _ geschweige denn für MVS/ESA. Für DOS/VSE aber ist eine adäquate Dateiorganisation, so das VSE-Labor in Böblingen, derzeit nicht geplant. Unter dem "kleinen" Mainframe-Betriebssystem der IBM könnte Librarian und Panvalet also noch ein langes Leben beschieden sein. Das deutsche CA-Management wollte zur Zukunft der beiden Systemsoftware-Produkte bislang keine Stellung beziehen.

Neben Telon und Panvalet fallen dem Unternehmen, das im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,35 Milliarden Dollar verbuchen konnte, unter anderem das 4GL-System "Gener/OL" sowie das Dateiauswertungs- und Anwendungs-Entwicklungssystem "Easytrieve Plus" zu. Während Gener/OL nach Ansicht von Branchenkennern mit einiger Sicherheit dem Profitdenken des neuen Eigentümers geopfert werden dürfte, ließe sich mit den 9000 Easytrieve-Installationen zumindest ein beachtlicher Wartungsumsatz realisieren.

Letzten Informationen zufolge will sich Computer Associates die Übernahme des Software-Unternehmens aus Illinois rund 283 Millionen Dollar oder 16,5 Dollar pro Aktie kosten lassen. Nach Berechnungen der "Computerworld" beträgt der für Pansophic fällige Preis damit genau 50 Millionen Dollar weniger als die Summe, die CA vor zwei Jahren für Cullinet Software auf den Tisch legen mußte.

Die rund 1600 Pansophic-Mitarbeiter haben im Geschäftsjahr 1990/91 rund 230 Millionen Dollar umgesetzt und dabei einen Gewinn von 20,6 Millionen Dollar erwirtschaftet. Nach Einschätzung von Branchenkennern verdankt das Unternehmen einen großen - wenn nicht den größeren - Teil seiner Einnahmen den zahlreichen Wartungsverträgen die eine große Installationsbasis gemeinhin mit sich bringt.

Vor wenigen Wochen erst hatte sich Pansophic seinerseits ein kleineres Software-Unternehmen einverleibt, nämlich die Realia Software mit Sitz in Chicago - neben Micro Focus wohl der bekannteste Anbieter von PC-basierten Cobol-Compilern. Die deutschen Vertriebsrechte für die Realia-Compiler liegen bei der GFU Cyrus + Rölke mbH in Köln. GFU-Geschäftsführer Hagen Cyrus verspricht sich von der Zugehörigkeit der kleinen Softvareschmiede zum Stabilität verheißenden CA-Konzern signifikante Umsatzsteigerungen von denen er nach Möglichkeit auch künftig profitieren möchte.

Weniger begeistert reagierten die Pansophic-Mitarbeiter auf die Übernahme durch CA. Einer Meldung des britischen Branchendienstes "Computergram" zufolge ging bereits wenige Stunden nach der Pansophic-internen Bekanntgabe der geplanten Akquisition bei Personalberatern eine Flut von Bewerbungsunterlagen ein, "von Leuten, die gerne ehemalige Pansophic-Mitarbeiter wären".

Ein Imperium entsteht

1976 Gründung von Computer Associates

1980 Übernahme von CAI, Zürich, Entwickler von "CA-Sort"

1982 Capex Corp., Entwickler von "CA-Optimizer"

1983 Stuart P. Orr & Associates, Entwickler von "CA-Universe"

1984 Johnson Systems Inc., (Operations-Management-Produkte)

1985 CGA Computer, Entwickler der Sicherheitssoftware "Top Secret"

1986 Integrated Software Systems Corp. ("Disspla" und "Tellagraf") sowie Software International Spreadsheet "Masterpiece")

1987 Uccel Corp., Entwickler von "CA-7" und "ACF2"

1988 Applied Data Research Inc., Entwickler von "Datacom/DB"

1989 Cullinet Software Inc. ("IDMS")

Zehn größere Akquisitionen hat Computer Associates bereits erfolgreich abgeschlossen.

1990 legte der Softwaregigant eine Ruhe pause ein; dafür schlägt er heuer voraussichtlich doppelt zu.