Mit neuer Technik zurück zur "guten alten Zeit" des Sparens

02.11.1984

In der "guten alten Zeit" war es üblich, sein Erspartes im Sparstrumpf zu verwahren. Dann kamen die Geldinstitute, boten Sicherheit und Zinsen. Außerdem übernahmen sie lästige Zahlungserledigungen. Sie verwiesen jedoch auch auf Öffnungszeiten und Formulare. Mit dem verstärkten DV-Einsatz im Bankbereich ist jetzt, so Holger M. Stempel von der Bayerischen Hypotheken und Wechsel-Bank, die jederzeitige Verfügungsmacht über das eigene Geld wiederhergestellt. Zu dieser neuen Geschäftspolitik gibt es keineswegs nur positive Stimmen. So attackieren die Gegner der neuen Techniken vor allem die Entpersönlichung im Kundengeschäft, während die von der COMPUTERWOCHE Befragten vor allem darauf verweisen, ihre Wettbewerbsfähigkeit nur durch Innovation erhalten zu können. Daß es zu der vielbeschworenen Zweigstelle ohne Mitarbeiter kommt, glaubt Herbert Daschner von der Volksbank Straubing nicht. Allerdings rechnet er durchaus damit, daß sich die Bankautomatisierung auf die Mitarbeiterstruktur auswirken wird. kul

Holger M. Stempel, Leiter der Abteilung, Marketing/Grundsatzfragen bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank (Hypo-Bank), München

Der DV-Einsatz im Bankbereich ist auf dem besten Wege, von breiten Kundenkreisen als neuer und bedarfsgerechter Service akzeptiert zu werden. Die Hypo-Bank hat vor fünf Jahren ihre ersten Geldausgabeautomaten (GAA) installiert und betreibt heute das größte GAA-Netz in Deutschland. Bei Bildschirmtext konnten wir seit drei Jahres Erfahrungen sammeln. Seit eineinhalb Jahren testen wir mit zwei anderen Instituten und dem Handel in München POS. In diesen Tagen werden die ersten Kontoauszugsdrucker (KAD) für unsere Kunden installiert. Im Firmenkundengeschäft gehört der Datenträgeraustausch seit 1976 zum Service, spezielle DV-Produkte wie "S.W.I.F.T." oder unser Import-Export-lnformationssystem - um nur zwei zu nennen - sind ebenfalls schon Jahre im Angebot.

Ich möchte die Kundenakzeptanz an einigen Beispielen verdeutlichen: Unsere GAA-Statistiken haben uns sehr schnell gezeigt, daß über 50 Prozent der Geschäftsvorfälle außerhalb der Banköffnungszeiten getätigt werden. Von heute auf morgen wird also wie der häufigsten Bankdienstleistungen, die Barauszahlung, für Selbstbediener rund um die Uhr angeboten, und die Kunden nutzen sie plötzlich, wann sie wollen, nämlich überwiegend außerhalb der Banköffnungszeiten, weil es für sie so bequemer ist.

Seien wir doch ehrlich: Andere Branchen haben es uns längst vorgemacht, daß selbstbedienungsfähige Produkte und Dienstleistungen beim Verbraucher gut ankommen. Vom Zigarettenautomat über Selbstbedienungstankstellen, Supermärkte und Fahrscheinautomaten bis hin zum früher angeblich so beratungsintensiven Möbelkauf. Warum das so gut ankommt? Weil der Verbraucher Zeit- und/oder Preisvorteile hat. Meines Erachtens überwiegt für den Verbraucher der Zeitvorteil, den er sich sogar etwas kosten läßt.

Btx kommt es zum einen auf die schnelle, topaktuelle Information an, beispielsweise Börsenkurse aus Übersee, die noch nicht in der Zeitung stehen und einem deshalb bei der Aktienorder am Vormittag einen Informationsvorsprung geben können. Gut, dieses Beispiel gilt bisher nur für eine kleine Zielgruppe. Generell läßt sich jedoch sagen: Unsere Statistiken beweisen, daß nur schnelle Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten interessant sind; von einem schnellen Medium erwartet das der Benutzer. Statische Selbstdarstellung und Werbeversprechen fallen hier nicht ins Gewicht.

In den "guten alten Zeiten" hatte man sein Erspartes unter dem Kopfkissen im Sparstrumpf. Dann kamen die Banken, boten Sicherheit und Zinsen und übernahmen lästige Zahlungserledigungen. Sie verwiesen aber auch auf Öffnungszeiten und Formulare. Daß dies notwendig aber nicht unbedingt kundenfreundlich war, zeigt jetzt die Statistik der neuen Technik, viele Kunden schauen sich Samstag nacht (nach dem TV-Film) ihre Btx-Kontostände an, holen sich - wenn die Banken längst geschlossen haben - um 18.00 Uhr ihr Bargeld am Geldautomaten und den aktuellen Auszug am Kontoauszugsdrucker.

Die guten alten Zeiten der buchstäblich jederzeigen Verfügungsmacht über das eigene Geld kommen wieder.

"Das bringt uns aber Probleme, das Bankgeschäft wird noch unpersönlicher, unser Vertrauensvorsprung schwindet dahin, weil es auf den persönlichen Kontakt basiert", sagen einige Banker, wenn sie auf die neue Technik angesprochen werden.

Das ist zwar grundsätzlich richtig, hält aber die Entwicklung nicht auf. Nicht nur im Ausland, auch bei uns rüsten "Nichtbanken" zum Angriff auf das Geldgeschäft der traditionellen Kreditinstitute. Ohne diesen Vertrauensvorsprung, aber mit bedarfsorientiertem Service und entsprechender Werbung. Und sie haben gute Chancen: Über 90 Prozent der Geschäftsvorfälle bei Kreditinstituten entfallen auf schnelle selbstbedienungsfähige und wenig erklärungsbedürftige Geschäfte. Das können auch andere, wenn sie es ordentlich machen und über Banken-Know-how und entsprechende DV-Mittel verfügen. Aber das ist auch ein weiter und risikoreicher Weg für die neuen Mitbewerber, wenn die Banken ihren unbestrittenen Vertrauensvorsprung einsetzen und neben der zeitgemäßen, kundenorientierten Technik die bewährte, individuelle Beratung anbieten. Und um dafür noch mehr Zeit zu haben, brauchen wir eben die neue Technik.

Herbert Daschner, Leiter Org. DV, Volksbank, Straubing

Die Volksbank Straubing eG ist erst seit 1.1.1983 DV-Eigenanwender. Eingesetzt ist zur Zeit ein Siemens-BS2000-Rechner 7.536 mit Peripherie sowie 23 Bildschirme 9750 sowie 6 Kassenterminals 9770. Bevor wir diesen Schritt unternahmen, waren wir, wie fast alle bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken, der Rechenzentrale Bayerischer Genossenschaftsbanken angeschlossen. Was hat uns also bewogen, diesen für unser Haus entscheidenden Schritt zu wagen?

Vor dem Hintergrund stagnierender Märkte und einem Markt, der in der Bundesrepublik Deutschland eindeutig "overbanked" ist, ist der Zwang zur Rationalisierung eindeutig gegeben. Insbesondere müßten wir feststellen, daß die reine Spartenoriertierung es nicht erlaubte, persönliche Beziehungen zwischen Kunden und Mitarbeitern im gewünschten Maße aufkommen zu lassen. Warteschlangen an Spitzentagen und lange Wege für die Erledigung verschiedenartiger Bankgeschäfte waren negative Auswirkungen, die der Kunde notgedrungen in Kauf nehmen mußte.

Nach eingehender Planung kamen wir zu dem Ergebnis daß nur ein Übergang zur kundenorientierten Bedienung den gewünschten Erfolg, das heißt Sicherung und Ausbau des Marktanteils in der Zukunft, bringen kann. Aus einem Spartenkunden sollte wieder ein Bankkunde werden. Mit der Einführung von Betreuungsgruppen, die, ähnlich unseren Zweigstellen, den Kunden umfassend bedienen glauben wir, dieses Ziel erreicht zu haben. Da diese Arbeitsweise eine Dialogverarbeitung voraussetzt, und wir mit der Siemens-Bankensoftware Kordoba eine geeignete Softwarelösung vorgefunden hatten, war der Entschluß, Eigenanwender zu werden, nur eine logische Schlußfolgerung.

Der Einsatz neuer Techniken verändert zwangsläufig Arbeitsabläufe und Arbeitsinhalte. Beim Schalterverkehr Kreditinstitute rückt die Beratung immer mehr in den Vordergrund der Dienstleistungspalette. Dieser Aufgabe können sich Mitarbeiter nur dann voll widmen, wenn ihnen sämtliche kundenrelevanten Daten direkt am Schalter-Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Im Schaltergeschäft werden bei uns mit dem Kassenterminal 9770 die Bereiche Kassenführung, Sparbuchnachtrag (mit Magnetstreifen), Unbarerfassung und Auskünfte abgewickelt. Über die Terminals lassen sich auch unbare Kundenbelege erfassen. Gibt beispielsweise ein Kunde am Schalter eine Überweisung oder einen

Scheck ab, so erfaßt der Bankangestellte alle relevanten Daten an seinem Kassenterminal. Diese werden realtime im Dialog verarbeitet. Dieses Verfahren ermöglicht brandaktuelle Kontostände. Das Verwenden eines Sparbuchs mit Magnetstreifen hat die Ein- und Auszahlungen beschleunigt. Quasi als "Abfallprodukt" der Umsatzbuchung werden automatisch Nachträge vorgenommen. In der Disposition ist das Führen der Konten erheblich vereinfacht worden. Diese Beispiele lassen oberflächlich betrachtet die Vermutung aufkommen, die veränderte Organisation habe nur Vorteile für die Mitarbeiter der Bank. Doch durch den Einsatz der Dialogverarbeitung wird auch die Serviceleistung unserer Bank verbessert. Ich möchte diese These anhand einiger Beispiele untermauern:

- Der Mitarbeiter erfährt eine Aufwertung seiner Tätigkeit. Ein Kassier kann nun auch qualifizierte Auskünfte erteilen und kurze Beratungsgespräche führen.

- Mehr und aktuelle Daten schaffen die Grundlage für umfassende und individuelle Beratungen.

- Durch den Zugriff auf stets aktuelle Kontendaten und durch die automatischen und umfangreichen Plausibilitätsprüfungen bei der Dateneingabe beispielsweise (Kontoneuanlage) erhält der Mitarbeiter ein großes Gefühl der Sicherheit, und es entstehen Freiräume für die intensive Kundenbetreuung.

Letztendlich darf auch nicht übersehen werden, daß erst der DV-Einsatz Möglichkeiten geschaffen hat, flexibel auf Kundeninteressen einzugehen, das geht vom einfachen Ausdruck von Zahlungsverkehrsvordrucken bis zur Erweiterung der Angebotspalette.

Und schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß erst der Einsatz einer eigenen DV-Anlage die Grundlage schafft, um den eingetretene und absehbaren Strukturwandel und der lnnovation in Bankenorganisation und Technik der Datenverarbeitung Rechnung zu tragen. Aus diesem Grunde sowie zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, im lnteresse der Serviceverbesserung und der langfristigen Sicherung der Mitarbeiterbeschäftigung ist dieser Schritt für eine Bank unserer Größenordnung unumgänglich.

Ich gehe nicht davon aus, daß es im Bankbereich zu der vielbeschworenen Zweigstelle ohne Mitarbeiter kommen wird. Es kann jedoch nicht verschwiegen werden, daß sich die Bankautomatisierung vor allem im Schalterbereich, dem Bereich der Sachbearbeitung und dem großen Bereich des Zahlungsverkehrs verändernd auf die Mitarbeiterstruktur auswirken wird.

Alfons Ehm, Leiter Org/DV, Stadtsparkasse Augsburg

Der DV-Einsatz hat den Kundenservice in unserem Hause stetig verbessert. Ganz besonders augenfällig ist dies seit der Einführung der Online-Abwicklung. Alle unsere Geschäftsstellen sind mit Kassenterminals, Bildschirmen, Kontoauszugsdruckern, teilweise auch mit Geldausgabeautomaten, ausgerüstet. Seit wir Kassenterminals einsetzen, haben sich die Wartezeiten am Schalter verringert. So lassen uni ersten Tag eines Jahres Zehntausende von Kunden ihre Zinsen, im Sparbuch nachtragen, ohne daß lange Wartezeiten entstehen. Eine Auszahlung kann auch an nicht kontoführenden Geschäftsstellen vorgenommen werden. Einzahlungen stehen für weitere Dispositionen an jeder Stelle im Hause sofort zur Verfügung.

Die Verwendung von Bildschirmen erhöht die Beratungskapazität und beschleunigt die Entscheidungsprozesse. Im Einzelfall notwendige Informationen auf herkömmliche Art (Karteien, Kontoblättchen, Anrufe in zentralen oder kontoführenden Stellen) zu beschaffen wäre wesentlich zeitaufwendiger. Auch werden die Beratung und die Entscheidungen qualifizierter, denn es stehen in jedem Einzelfall mehr und aktuellere Informationen zur Verfügung. Durch die Online-Abwicklung lassen sich unmittelbar korrespondierende Informationen berücksichtigen und Plausibilitätsprüfungen vornehmen, so daß manche nachträglich notwendige Korrektur oder Rückfrage sich erübrigt.

Die Aufstellung von SB-Kontoauszugsdruckern ermöglicht es dem Kunden nicht nur bei seiner Geschäftsstelle den Kontoauszug oder den Kontostand abzurufen, sondern er bekommt diese Leistung auch außerhalb der Schalterzeiten von sieben bis 22 Uhr und samstags angeboten. Da der Druck von Kunden angefordert wird, kann er den Zeitpunkt selbst bestimmen. Dieser Auszug ist für den Kunden übersichtlicher, da nicht wie bisher fast bei jedem Umsatz ein Auszugsblatt geschrieben wird. Etwas ähnliches wie für den Kontoauszugsdrucker gilt auch für den Geldausgabeautomaten. Über das ganze Stadtgebiet verteilt stehen von sieben bis 22 Uhr 25 Maschinen zur Verfügung, die einen Abruf des Kontostandes und Abhebungen im Rahmen des Guthabens/Kredit erlauben.

Die Auswirkungen des DV-Einsatzes bekommt der Kunde unmittelbar zu spüren. Auch im internen Ablauf hilft die DV, den Service zu verbessern. Ohne die schnellen DV-Geräte (optischer Belegleser, Drucker, Platten) könnten wir heute unsere Dienstleistungen nicht zum jetzigen Preis zur Verfügung stellen. Auch wäre es unmöglich, am Quartalsultimo mehr als eine halbe Million Buchungsposten zu verarbeiten. Der Datenträgeraustausch mit Band und Postleitungen beschleunigt vor allem den Massenzahlungsverkehr (Miete, Strom und Versicherungen). Trotz dieses großen Aufkommens erhält der Kunde rechtzeitig am nächsten Morgen seinen Auszug.

Der Servicegrad ist auch eine Frage der Kosten. Es gibt Schätzungen, wonach ein Kreditinstitut ohne DV für die Bewältigung des anfallenden Arbeitsvolumens ein Drittel mehr Mitarbeiter einsetzen müßte. Dies hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Konditionen.

Aus der Sicht des Kunden weist die Selbstbedienung praktisch keine negativen Aspekte auf, weil er ja nach wie vor den konventionellen Service - Geld an der Kasse und Kontoauszüge am Schalter - bekommen kann, wenn ihm der persönliche Kontakt zu unseren Mitarbeitern wichtig oder die Bedienung der SB-Geräte unsympathisch ist. Die Frage ist also, welche negativen Auswirkungen für das Kreditinstitut auftreten können und wie sich die Nachteile aufheben oder mildern lassen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten:

- Die SB-Geräte entlasten das Personal von Routinearbeiten. Damit erhöht sich die Beratungskapazität.

- Die SB-Geräte werden während der Schalteröffnungszeit von der Schalterhalle oder Zweigstelle aus bedient und nur vor beziehungsweise nach den Schalteröffnungszeiten vom Windfang aus (die doppelte Nutzung wird beim Geldautomaten durch eine Drehvorrichtung ermöglicht und beim Auszugdrucker durch ein fahrbares Untergestell). Da bei uns etwas mehr als die Hälfte der Geldautomatenabhebungen und etwa drei Viertel der Kontoauszugsabrufe während der Schalteröffnungszeiten über die Bühne gehen, ist in vielen Fällen zumindest ein optischer Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeiter möglich. Mit einer Entfremdung muß in diesen Fällen also wohl kaum gerechnet werden.

Die Selbstbedienung deckt nur Routinegeschäfte ab. Diese sollen nicht nur aus der Sicht der Kreditinstitute, sondern auch der meisten Kunden in erster Linie schnell, zuverlässig und in jeder Geschäftsstelle abzuwickeln sein. Wir betrachten die Selbstbedienung als Ergänzung zum persönlichen Service. Wenn der Kunde die Wahl hat, empfindet er die Selbstbedienung nicht als Einschränkung, sondern als erweiterte Leistungsfähigkeit, von der er gern Gebrauch macht. Bereits 85 Prozent unserer Privatkunden benutzen diesen Service.