"Der deutsche Markt wird sich weiter stabilisieren

Mit Kurt Trampedach, Geschäftsführer der Northern Telecom GmbH, sprach CW-Redakteur Peter Gruber

14.02.1992

CW: Der Technologiesprung von analoger digitaler Technik hat zu einem Konzentrationsprozeß bei den Herstellern digitaler Vermittlungstechnik geführt. Als multinationale Anbieter haben sich AT&T, Alcatel, Ericsson, die Japan Inc., Northern Telecom und Siemens durchgesetzt. Glauben Sie, daß im harten internationalen Geschäft weitere Hersteller auf der Strecke bleiben?

Trampedach: Es kommt darauf an, wie man das Spektrum dieser Anbietet definiert. Die Zahl der genannten Unternehmen, die ich als Full Spectrum Supplier bezeichnen würde, wird "ich - das ist die Meinung in Fachkreisen - noch reduzieren, wobei natürlich schwer zu definieren ist, wann ein globaler Anbieter zum Nischenhersteller wird.

Durch den weiteren technologischen Fortschritt Richtung Breitbandkommunikation, wofür ja enorme Forschungs- und Entwicklungskosten aufgebracht werden müssen, wird es auch bei diesen großen sechs Anbietern zu einer Spezialisierung im Produkt- und Angebotsspektrum kommen.

CW: Kann man heute nur noch durch Allianzen und Zukäufe überleben?

Trampedach: Der Prozeß der letzten Jahre, wo spektakuläre Allianzen stattgefunden haben, wird weiter fortschreiten. Er ist ein eindeutiges Indiz für den Trend zur Spezialisierung, auch bei den internationalen Anbietern. Noch sind genügend Unternehmen für strategische Allianzen auf dem Markt- Schwierig wird es erst, wenn sich die Zahl der globalen Anbietet auf drei oder vier eingependelt hat.

CW: Was verstehen Sie unter einem Full Spectrum Supplier?

Trampedach: Anbieter, die die heutigen Hauptmarktsegmente wie Public Switching und Transmission sowie Private Switching und Datenkommunikation plus mobile Datenkommunikation global abdecken.

CW: Kann ein im Vergleich kleines Unternehmen wie Northern Telecom angesichts der hohen Entwicklungskosten für Software und der sich ständig steigernden Innovationsdynamik den Marktanforderungen überhaupt noch Rechnung tragen?

Trampedach: Um langfristig überleben zu können, müssen die Entwicklungskosten in einer gesicherten Relation zum Umsatz stehen. Die Entwicklungseffizienz wird also mehr und mehr zum entscheidenden Kriterium. Im Klartext heißt das: Jede investierte Mark für Forschung muß ungefähr das Zehnfache bringen. Nach dieser Faustregel versucht Northern Telecom, seine Kalkulationen auszurichten und Entwicklungseffizenz zu steigern.

CW: Wie begegnet Northern Telecom dem weltweiten Preisverfall von TK-Produkten?

Trampedach: Bei einer TK-Anlage machen heute die eigentlichen Herstellungskosten nur noch ein geringen Teil der Produktwertschöpfung aus. Der Großteil ist Forschung und Entwicklung, vor allem Software. Northern Telecom produziert von allen Herstellern weltweit seine TK-Anlagen am kostengünstigsten. Außerdem bieten wir im Gegensatz zu den anderen Produzenten nur eine voll vernetzbare Produktfamilie an, weil viele Produkte mehr Pflege und damit Manpower erfordern, also Kapazitäten, die dann bei der Innovation fehlen. Das treibt die Kosten in die Höhe.

CW: Dann bereitet Ihnen der Preisverfall kein Kopfzerbrechen?

Trampedach: Natürlich behauptet Northern Telecom nicht, klotzige Margen zu verdienen. Das Business ist insbesondere im privaten Bereich, von der Produktmarge her gesehen, ein mageres Geschäft. Nur verdient Northern Telecom in diesem Bereich noch, im Gegensatz zu anderen Anbietern.

Außerdem versuchen wir, nicht nur Boxen und standardisierte Plattformen an den Mann zu bringen, sondern wollen dem Preisverfall auch dadurch begegnen, daß wir dem Kunden spezielle Softwarelösungen für von uns installierte private Netze und Telemarketing-Systeme anbieten, also Softwarepakete in unterschiedlicher Form auf den Basic Switch laden. Unsere Strategie ist, im Unterschied zu anderen Herstellern dem Anwender keine zusätzlichen Hardware- und Softwarerucksack zu verkaufen, sondern die Extras durch Aufstockung der Basissoftware abzudecken.

CW: Es wird Northern Telecom oft vorgeworfen, den europäischen Markt vernachlässigt zu haben. Was sagen Sie dazu.

Trampedach: In Europa ist der falsche Eindruck entstanden, Northern Telecom sei nur in Nordamerika stark. Unser Marktanteil ist international relativ hoch, der Produktname Meridian aber nicht in vollem Ausmaß sichtbar, weil einige Distributoren unser Produkt unter einem anderen Namen vertreiben.

Die Tatsache, daß wir seit Anfang der 80er Jahre die Post mit Datex-P-Technik beliefern, beweist unser frühzeitiges Engagement in Europa. Einen weiteren Fortschritt haben wir in Deutschland mit dem Auftrag für das Intelligent Network gemacht.

Ich würde auch den deutschen Markt seit der Umstrukturierung der Post als liberaler bezeichnen. Northern Telecom fühlt sich beim Marktzugang jedenfalls in keiner Weise behindert. Das zeigt auch die Beschaffungspolitik der Telekom an vielen Beispielen. Andererseits kann man nicht leugnen, daß die Hauptlieferanten historisch gesehen deutsche Unternehmen waren. Aber das hat sich in den vergangenen zwei Jahren schon geändert. Jedenfalls wird sich der Markt in Zukunft weiter liberalisieren und darin sehen wir unsere Chance.

CW: Die Berücksichtigung von Northern Telecom beim Pilotprojekt Intelligent Network kann allein aber noch kein Durchbruch für Ihr Unternehmen am deutschen Markt sein.

Trampedach: In einer Lieferanten-/Kunden-Beziehung muß sich erst einmal ein gewisses Vertrauen entwickeln. Von daher hat dieses anspruchsvolle Projekt für uns eine vernünftige Größe und Signalwirkung für eine mögliche weiter Zusammenarbeit mit der Telekom. Für Northern Telecom ist das Intelligent Network eine Qualifikation für eine künftige Netzwerkgeneration und keineswegs eine Eintagsfliege. Und wie gesagt, seit 1980 arbeiten wir im Bereich Datex-P sehr erfolgreich mit der Telekom zusammen. Die Post kennt unsere Technologie im Sektor Datenkommunikation also schon sehr gut.

CW: Sie sollen der Telekom Vorschläge zur Verbesserung der Infrastruktur in Ostdeutschland gemacht haben. Haben Sie aus Bonn eine Antwort erhalten?

Trampedach: Natürlich hätten wir gern am Aufbau des Netzes im Osten mitgewirkt. Wir haben - das ist richtig - abgefragt, ob es für Northern Telecom Möglichkeiten der Beteiligung gibt. In ihrer Antwort hat die Telekom aber argumentiert, daß aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit diese Projekte zur Risikominimierung mit Herstellern durchgeführt werden müßten, die im westdeutschen Netz bereits erprobte Produkte stellen. Gegen dieses Argument ist vorn Prinzip her nichts einzuwenden. Wir haben von diesem Prinzip der Telekom auch schon in einem anderen Bereich profitiert, wo andere Hersteller keine entsprechend ausgereiften Produkte liefern konnten.

CW: Welcher Bereich ist das?

Trampedach: Das ist der Bereich Datex-P.

CW: Aber Sie wollen doch sicher auch im Bereich der Sprachvermittlung Ihr Können einmal unter Beweis stellen?

Trampedach: Natürlich wollen wir das. Ich bin für die Zukunft auch sehr zuversichtlich, weil bei den Ausschreibungen der Telekom in den letzten zwei Jahren nicht immer nur die typischen deutschen Hoflieferanten gewonnen haben. Ich mache mir andererseits aber auch keine Illusionen, weil der deutsche Markt groß ist und von vielen Wettbewerben umkämpft wird.

CW: Der Umsatz in den Märkten außerhalb Nordamerikas soll einer Studie von Arthur D. Little zufolge nur fünf Prozent des gesamten Umsatzes ausmachen?

Trampedach: Durch den Erwerb von STC, der im März 1991 über die Bühne gegangen ist, steigert sich unser Auslandsumsatz im nicht-nordamerikanischen Bereich erheblich. Wir rechnen für 1991 mit einer Größenordnung von 25 Prozent. Die fünf Prozent sind eine Zahl, die auch mit dem Vertriebssystem von Northern Telecom zusammenhängt, weil unsere Produkte in Europa häufig über Lizenznehmer vertrieben werden.

Mit dem Erwerb des Unternehmens STC, das jetzt Northern Telecom Europe heißt, haben wir unsere Präsenz in Europa wesentlich verstärkt, insbesondere in England, wo der Markt am weitesten dereguliert ist. Mit den Forschungs- und Produktionsstätten können wir den europäischen Markt ideal bedienen. Es kommt nicht darauf an, in jedem Dorf einen Hund zu haben, sondern in den Kernmärkten eine Position einzunehmen. In diesen wichtigen Märkten haben wir in Nordamerika Anteile dazu gewonnen, ebenso in Europa und sind in Japan als einziger nicht-japanischer Lieferant der NTT vertreten. Das ist für uns entscheidend.

CW: Als Hersteller von digitalen Nebenstellenanlagen muß Ihnen ISDN doch sehr am Herzen liegen. Wie sieht das Engagement von Northern Telecom aus?

Trampedach: Wir haben bisher ISDN immer vorbehaltlos auf Basis der ETSI-Standards unterstützt und sehr begrüßt, daß der Postminister ein Memorandum of Understanding für die ETSI-Normen unterstützt hat. Wir sind aber auch bereit, bei einem strategisch so großen Markt wie, Deutschland die entsprechenden nationalen ISDN-Protokolle zu implementieren. Bisher waren wir in diesem Punkt zurückhaltend, weil wir die deutschen Standards immer als eine Untermenge der europäischen Implementierung Betrachtet haben. Das ist für uns aber keine Glaubensfrage mehr, wenn der Markt etwas anderes verlangt.

CW: Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Stand von ISDN in Deutschland?

Trampedach: Es ist still geworden.

CW: Stichwort Frame Relay: Wie beurteilen Sie diese Technik?

Trampedach: Schön, daß Sie einen wesentlichen Teil unseres Geschäftes, die Datenkommunikation, ansprechen. Das ist in Europa das dominierende Geschäft. Was Frame Relay betrifft, gehören wir zu den Gründern und arbeiten beispielsweise mit Digital Equipment eng zusammen. Bei der Telekom haben wir seit einigen Monaten die ersten Feldversuche mit Frame Relay, laufen. Der Standard wird sich sicher durchsetzen, weil er von vielen Anbietern unterstützt wird. Die Ansprüche im Markt sind auf jeden Fall erheblich.

CW: Ist die deutsche Infrastruktur der Einführung von Frame Relay hinderlich?

Trampedach: Die Verhältnisse in Deutschland im öffentlichen Bereich unterscheiden sich sicherlich von den amerikanischen Bedingungen. Technisch gesehen könnte Frame Relay schon dieses Jahr ins Diensteangebot der Telekom aufgenommen werden.

CW: Sie beliefern die Post seit 1980 mit Datex-P-Technik. Wie sieht das Anschlußgeschäft im privaten Bereich aus?

Trampedach: Sehr gut. Wir konnten einen Großteil der Aufträge für andere Netzanbieter im vergangenen Jahr für uns verbuchen. So baut Northern Telecom zum Beispiel zur Zeit bei Meganet ein X.25-Netzwerk auf. Außerdem sind wir Lieferant für das interne Netz von Mannesmann Mobilfunk und erhielten vor kurzem den Auftrag für Eurocontrol. Darüber hinaus haben wir in Deutschland mit unserem Partner Dornier verschiedene Installationen bei Banken realisiert. Wir sehen Deutschland als sehr wichtigen Markt, der allerdings sehr schwer zu segmentieren ist. Soweit ich weiß, sind von rund 70000 installierten Datex-P-Anschlüssen 46000 von Northern Telecom.

CW: Welche Dienstleistungen bieten Sie Ihren Kunden im Bereich der Datenkommunikation?

Trampedach: Neben dem integrierten Netz-Management ist die Vielfalt der Protokolle wichtig sowie die Abbildung von SNA-Netzen. Das sind unsere Basisdienstleistungen. Man muß auch heute noch an der blauen Welt orientiert sein, das fordert der Markt.