Kundenservice in der Digitalisierung

Mit künstlicher Intelligenz zum Omnichannel-Contact-Center

13.01.2017
Von 
Heinrich Welter ist Territory Vice President EMEA Central und General Manager der DACH-Region bei Genesys. Als Experte für Themen rund um Contact Center und Kundenservice kennt er sich mit den neuesten Entwicklungen im Bereich künstliche Intelligenz Cloud und Chatbots aus.
Im Zuge der Digitalisierung wandelt sich das klassische Call Center immer mehr zum Omnichannel-Contact-Center. Und der Kunde erwartet eine Kommunikation ohne Medienbrüche.
Das klassische Call Center gibt es eigentlich nicht mehr, Unternehmen müssen im Support immer mehr Kommunikationskanäle unterstützen.
Das klassische Call Center gibt es eigentlich nicht mehr, Unternehmen müssen im Support immer mehr Kommunikationskanäle unterstützen.
Foto: Rawpixel.com/Shutterstock.com

Die Kommunikations-Probleme großer Unternehmen, durchlebt meine Tochter fast täglich: Wenn sie nicht innerhalb von fünf Minuten in der WhatsApp-Gruppe ihrer Clique antwortet, schießen weitere Nachrichten fast schon im Sekunden-Takt hinterher. Nach einer Viertelstunde erklären ihre Freundinnen sie für vermisst - jedenfalls digital. Ähnlich verhält es sich mit kanalübergreifenden Informationen, "Hast Du meinen Kommentar auf Facebook gesehen?", "Warum hast Du meinem Post auf Instagram kein "Like" gegeben?!" - wer digital am Ball bleiben will, muss auf allen Kommunikationskanälen aktiv sein und schnell reagieren. Diese Erwartungen im Privaten stellen Kunden nämlich auch an Unternehmen. Nur mit dem Unterschied, dass sie bestimmt keine Vermisstenanzeige aufgeben werden, wenn das Unternehmen nicht schnell genug reagiert.

Die Servicewüste hat sich für Konsumenten also grundsätzlich zu einem Kontaktparadies gewandelt: Dem veränderten Kommunikationsverhalten der Menschen folgend öffnen Unternehmen immer neue Kommunikationskanäle. Neben Telefon und E-Mail nutzen Kunden verstärkt auch Webseiten-Chat, Facebook oder WhatsApp, um mit Unternehmen Kontakt auf-zunehmen. Doch mit den neu hinzugekommenen Kanälen, steigen eben auch die Ansprüche. So möchte der Kunde sich nicht wiederholen müssen und erwartet, dass seine Anfragen nicht nur schnell beantwortet werden, sondern der jeweilige Kundenberater auch jederzeit im Bilde ist, was gegebenenfalls an anderer Stelle bereits besprochen wurde.

Kommunikation ohne Medienbrüche

Doch als Premium-Marke muss Vodafone "rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche über alle Kanäle einfach erreichbar sein", so Jörg Knoop, Head of Contact Center and Telesales Capability Vodafone Deutschland. Das Unternehmen führte deshalb alle externen und internen Mitarbeiter und Technologien in einem virtuellen Contact Center zusammen. Allein die Maßnahme, den Servicebetrieb auf eine zentral verwaltete Plattform zu verlagern, verkürzte die Wartezeit um wertvolle 30 Sekunden. Die Konsolidierung der fünf einzelnen IVR-Systeme und das skillbasierte Routing, bei dem Kundenanfragen an den zur Bearbeitung des Anliegens am besten geeigneten Mitarbeiter weitergeleitet werden, verbesserte den Net Promoter Score (NPS) auf plus 10. Die Kunden sind mit dem Service also äußerst zufrieden.

Omnichannel-Präsenz

Der heutige Kunde erwartet im Notfall eine Kommunikation ohne Medienbrüche.
Der heutige Kunde erwartet im Notfall eine Kommunikation ohne Medienbrüche.
Foto: Rawpixel.com/Shutterstock.com

Im nächsten Schritt setzte Vodafone auf die Verzahnung der unterschiedlichen Kanäle, um eine schnelle und präzise Interaktion zu gewährleisten. Mitarbeiter sehen durch ein Tool vorhergehende Aktionen des Kunden kanalunabhängig zusammengefasst. So ist es möglich, ungeklärte Anfragen im automatisierten Web-Chat an einen Berater weiterzuleiten, der eventuelle Kommentare auf anderen Social-Kanälen ebenfalls einsieht. Die Verzahnung von Informationen betrifft auch die Kundendaten, wodurch das Up-Selling begünstigt wird: So könnte der Anruf beim Kundenservice direkt nach Erreichen des maximalen Datenvolumens ein starkes Indiz dafür sein, dass der Kunde neues Datenvolumen hinzubuchen möchte. Spricht der Kundenberater ihn direkt darauf an, verkürzt sich für beide Seiten der Beratungsaufwand. Gleichzeitig kann der Servicemitarbeiter anhand der vergangenen Buchungen sehen, ob eine bessere Tarifoption für den Kunden günstiger wäre.

Es gibt aber auch die Möglichkeit des Self-Service, beispielsweise über eine Kunden-App. Statt erst die Telefonnummer für den Service herauszusuchen, öffnet der Kunde die App, wählt sein neues Datenvolumen und macht binnen Sekunden im Internet da weiter, wo er aufgehört hat. Für weiterführende Fragen gibt es die "Click to Call"-Schaltfläche, die ein Telefonat ins Servicecenter aufbaut. Basierend darauf, bei welchen Inhalten in der App der Kunde den Button tätigt, wird er an den Mitarbeiter mit den entsprechenden Skills weitergeleitet. Dieser Service-Mitarbeiter erhält zudem direkt den gesamten Kontext der Customer Journey (etwa Kundeninformationen). Die Verfügbarkeit des Buttons kann dynamisch angepasst werden: Erwartet das Unternehmen eine hohe Zahl an Anrufern, wird der "Click to Call"-Button nur einer bestimmten Kundengruppe angezeigt. Dadurch leitet Vodafone die Kunden auf angebrachte, verfügbare Kommunikationskanäle, in Abhängigkeit der vorhandenen Kapazitäten.

Meine Tochter kehrt regelmäßig aus der digitalen Versenkung zurück und kommuniziert weiterhin mit viel Freude mit der Clique. Manchmal allerdings wünscht sie sich seufzend einen simplen Autoreply-Modus in WhatsApp, der zurzeit allerdings noch nicht in Aussicht ist. Unternehmen stehen zur Kommunikation deutlich mehr und individuellere Möglichkeiten offen. Die Kundenhistorie, der Kommunikationsverlauf, die Vertragsdaten - alles ist da, die Informationen müssen "nur noch" in einer Omnichannel-Plattform gebündelt und über eine entsprechende Bot-Lösung zum Einsatz gebracht werden. Auch das ist für viele Unternehmen noch Zukunftsmusik, aber - ich kann sie schon hören.