PCMCIA-kompatible Erweiterungskarten fuer mobile Rechner

Mit Kreditkarten-Speichern und I/O-Karten auf die grosse Reise

26.02.1993

Nach einer Prognose von Dataquest wird die Zahl der jaehrlich verkauften mobilen Rechner weltweit von heute fuenf Millionen Stueck auf 25 Millionen bis zum Jahr 1995 wachsen. Dieses Wachstum ist jedoch mit hohen Anforderungen seitens der Anwender verbunden, die nicht auf die aus der Desktop-Welt bekannten Erweiterungsmoeglichkeiten verzichten wollen.

Da in diesem Bereich an eine uebliche Bus-basierte Erweiterungstechnologie nicht zu denken war, schlossen sich 1989 fuehrende DV-Unternehmen zusammen, um einen neuen Schnittstellen- Standard fuer mobile Rechner zu kreieren.

Worauf man beim Notebook-Kauf achten soll

Urspruenglich war der PCMCIA-Standard nur fuer Speicherkarten vorgesehen. In Zusammenarbeit mit der Japan Electronic Industry Development Association (Jeida) kreierten die Unternehmen im Herbst 1990 den PCMCIA-Standard in der Version 1.0. Mit diesem legten sich das Gremium auf bestimmte elektrische, mechanische und funktionale Eigenschaften fuer die PCMCIA-Einschuebe fest: Eine Groesse von 85,6 x 54 x 3,3 Millimeter, 68 Buchsenkontakte und ein 64 MB grosser Adressraum stellten die Eckdaten dar.

Speicherkarten auf Basis des ersten PCMCIA-Standards fanden sich in Industrie-PCs von Siemens, Messgeraeten von Rhode & Schwarz, BDE- Terminals und SPS-Steuergeraeten sowie in den Produkten einiger fortschrittlicher Notebook- und Handheld-Hersteller.

Im September 1991 veroeffentlichte die PCMCIA den Standard 2.0 und trug damit dem Wunsch vieler Anwender nach verbesserten I/O- Moeglichkeiten etwa durch Fax- oder Datenmodems, LAN-Adapter, Emulationskarten und Funkmodems fuer Pen-Computer und Notebooks Rechnung.

Der PCMCIA-Standard 2.0 liegt inzwischen in korrigierter und erweiterter Fassung 2.01 vor und spezifiziert drei PCMCIA- kompatible Kartentypen: als Typ-I-Karte mit einer Dicke von 3,3 Millimeter, als Typ-II-Karte mit einer Dicke von 5 Millimeter und als Typ-III-Karte mit einer Dicke von 10,5 Millimeter.

Das PCMCIA-Fuehrungsgremium hat sich bisher gegen die Entwicklung von Typ-IV-Karten mit einer Dicke zwischen 12,5 und 16 Millimeter entschieden, die sich Hersteller von 1,8-Zoll-Festplatten wie Integral und Ministor wuenschen. Doch auch Typ-IV-Karten sind denkbar, sobald das Komitee einen Markt ausmachen kann.

Der Anwender sollte daher beim Kauf von Pen-Computern und Notebooks mit PCMCIA-Schnittstelle darauf achten, welche Kartentypen unterstuetzt werden. Als Faustregel kann gelten: Je groesser der Schnittstellen-Einschub desto besser. Einige Hersteller mobiler Rechner konzipieren ihre Produkte mit multifunktionalen Typ-III-Slots, in die eine Typ-III-Karte oder zwei Typ-I- Speicherkarten passen.

Das Ergebnis der Aktivitaeten der PCMCIA im vergangenen Jahr ist eine wesentliche Erweiterung des internationalen Kartenstandards. Dieser wurde nicht nur um I/O-Funktionen ergaenzt, sondern ebenso um die Unterstuetzung von 3,3-Volt-Karten. Ausserdem definierte man die Execute-in-Place-Funktionalitaet (XIP) sowie die AT-Attachment- Anbindung (ATA).

Fuer die Personal Digital Assistants (PDA) und pen-basierten Organizer duerfte aufgrund ihrer begrenzten Speichermoeglichkeiten besonders die XIP-Definition eine grosse Bedeutung erlangen. Dank XIP koennen Applikationen direkt von der Speicherkarte gestartet und muessen nicht erst in den Hauptspeicher des Handhelds geladen werden.

PCMCIA ist tonangebend in Sachen Kommunikation

Netzwerkspezialist Novell, der mit dem Betriebssystem "Netware Palm-DOS" im Handheld-Markt Praesenz zeigt, hat bereits entsprechende XIP-Treiber in Palm-DOS intergriert. Laut Ian Cullimore vom Europaeischen Entwicklungszentrum des Netzwerkspezialisten hat Novell "darueber hinaus Utilities entwickelt, um existierende C-Programme neu zu linken und XIP- faehig zu machen". Es ist abzusehen, dass die XIP-Faehigkeit dazu fuehren wird, PCMCIA-Karten in Zukunft verstaerkt als Medium fuer die Softwaredistribution heranzuziehen.

Bisher kamen PCMCIA-Karten vor allem in der Industrie zum Einsatz. Speicherkarten-Distributoren wie die Muenchner Tecsys GmbH machten im vergangenen Jahr rund 50 Prozent ihres Umsatzes mit PCMCIA-kompatiblen Speicherkarten, von denen 90 Prozent in der Industrie abgesetzt wurden. Laut Robert Schweinberg, Marketing- Leiter bei Tecsys, hat "der industrielle Bereich derzeit die Vorreiterrolle inne. Dies duerfte sich mit einem verstaerkten Einsatz von Schnittstellen, die kompatibel zur Norm PCMCIA 2.01 sind, in Notebooks jedoch rasch umkehren".

Der groesste Schritt in Richtung eines umfassenderen Einsatzes von PCMCIA-kompatiblen Karten wurde im vergangenen Jahr durch die Spezifikation der Softwareschnittstellen "Card Services" und "Socket Services" unternommen. Socket Services stellen die unterste Ebene der PCMCIA-Treibersoftware dar. Sie elementare Funktionen zur Identifikation der Anzahl und Konfigurationen vorhandener PCMCIA-Adapter, zum Ein- und Auslesen von Daten und zur Fehlerfindung. Auf der naechsthoeheren Ebene liegen die Card Services, die die Verbindung zwischen den Sokket Services und den hoeheren Ebenen der Softwarehierarchie uebernehmen.

Die Spezifikation erfolgte in Anlehnung an Intels Konzept "Exchangeable Card Architecture" (ExCA). Die Card Services uebernehmen hierbei die Rolle eines Servers. Zu den Clients gehoeren Anwenderprogramme, Geraetetreiber und Programme, die allesamt mit PCMCIA-Karten zusammenarbeiten.

Fuer den Pen-Computer- und Notebook-Anwender entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Anzahl der von den Rechnerherstellern via Treiber unterstuetzten PCMCIA-Karten. Da die von der PCMCIA gewuenschte Interoperabilitaet und beliebige Austauschbarkeit von Speicher- und I/O-Karten derzeit noch nicht realisiert ist, lohnt sich ein Vergleich.

Einen besonderen Platz nehmen Speicherkarten auf Basis von Flash- EPROMs ein. Flash-Karten als Massenspeicher fuer mobile Rechner sind nicht nur schneller, robuster und leichter als Miniaturfestplatten, sie sparen darueber hinaus auch noch kostbare Energie. Im Gegensatz zu DRAMs halten sie die in ihnen gespeicherten Informationen auch bei ausgeschaltetem Rechner, ausserdem lassen sie sich gegenueber konventionellen EPROMs relativ problemlos wiederbeschreiben.

Ihr Einsatz haengt jedoch von der Verfuegbarkeit spezieller Treibersoftware ab, der Flash-Filing-Systeme. Zu den profiliertesten Flash-Filing-Systemen zaehlen die von Microsoft und der kleinen Firma SCM aus Martinsried bei Muenchen.

Waehrend Microsofts Loesung mit Standard-Utilities wie "Norton", "PC-Tools" oder Kompressionsprogrammen nicht vertraeglich ist, erlaubt die SCM-Loesung eine voellig transparente Arbeit auch mit diesen Programmen. Juergen Puchta, Marketing Development Ingenieur bei Intel in Feldkirchen, bekraeftigt allerdings, dass Intel "den Microsoft-Ansatz unterstuetzt und als ideale Ergaenzung zur ExCA-Architektur ansieht". Es duerfte somit nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Intel-Microsoft- Technologie durchsetzt. Intel ist mit einem Marktanteil zwischen 70 und 90 Prozent weltweiter Marktfuehrer bei Flash-Speicher-Chips.

Im Bewusstsein der eigenen Marktmacht verlangt Microsoft deshalb auch von allen Speicherkarten-Herstellern, PCMCIA-Karten zum Test nach Redmond, Washington, zu schicken. Pierre-Yves Santerre, Software Design Ingenieur bei Microsoft in Redmond, liess unlaengst die Kartenhersteller wissen, dass "es ihre Sache sei, zu unseren Treibern kompatibel zu sein und nicht etwa andersherum. Tun sie es nicht, ist es ihr eigenes Risiko."

Auf der Herbst-Comdex 1992 in Las Vegas praesentierten ueber 60 Firmen mehr als 100 PCMCIA-kompatible Produkte. Zu der grossen Anzahl neuer Produkte zaehlen LAN-Adapter fuer Ethernet und Token- Ring-Netze, Emulationskarten (3270, SCSI), Fax-Modems, Infrarotmodule, Miniaturfestplatten, Funkmodems und sogar GPS- Einheiten (Global Positioning Systeme), die alle nicht viel groesser als eine Kreditkarte sind.

Derzeit ist zwar ein Fax-Modem im PCMCIA-Format noch etwa dreimal so teuer wie sein Pendant in PC-Karten-Groesse, doch werden diese Differenzen im Laufe der Zeit verschwinden.

Die Vorteile PCMCIA-kompatibler Karten sind offensichtlich. PCMCIA-Karten koennen bei laufendem Geraet beliebig eingesetzt oder entfernt werden. Das umstaendliche Installieren von Erweiterungskarten im geoeffneten PC, ganz zu schweigen von den Jumper-Einstellungen, entfaellt voellig. Damit besitzen PCMCIA- Schnittstellen durchaus das Potential, sich mittelfristig auch im Desktop-Bereich durchzusetzen. Eine voellige Interoperabilitaet ist zur Zeit allerdings noch nicht gewaehrleistet und wird laut Expertenmeinung auch nicht vor Ende dieses Jahres erreicht sein. Das "PC Card"-Logo der PCMCIA auf den Produkten der Kartenhersteller ist deshalb derzeit nicht viel mehr als ein Indiz dafuer, dass das Unternehmen seine PCMCIA- Mitgliedsgebuehren regelmaessig gezahlt hat. Michael Slaters US- Branchendienst stellte im Dezember 1992 fest, dass "in puncto Kompatibilitaet zwischen Karten und PCMCIA-Systemen heute noch einige Verwirrung herrscht".

Notebook- und Handheld-Interessierte sollten laut Anton Hierhager, Marketing Manager bei Texas Instruments (TI) in Freising, darauf achten, "wie viele Speicher- und I/O-Karten die jeweiligen Hersteller auf der Treiberseite unterstuetzen". Lutz Schoppe, zustaendig fuer das Technische Marketing bei NEC Deutschland, konzedierte, dass "es bei aelteren Karten zu Problemen kommen koennte, da spezielle Karteneigenschaften ungenuegend spezifiziert waren und teilweise noch sind". Die Marktreife des zweiten PCMCIA-Standards mit ExCA wird laut Schoppe "erst Ende 1993 gegeben sein". Das neue Notebook "Ultralite Versa" von NEC, das erstmals auf der CeBIT 93 vorgestellt werden soll, unterstuetzt laut Schoppe die Produkte von 20 Kartenherstellern.

PCMCIA in Zukunft auch in Fax- und Kopiergeraeten

Der europaeische Zweig der PCMCIA wurde am 5. Oktober 1991 in Frankfurt unter der Leitung von Anton Hierhager gegruendet. Unterstuetzt wird der neue Chairman der PCMCIA Europe seither von SCMs Robert Schneider (Technischer Officer) und Altecs Wilhelm Alm (Standards Officer). Die Organisation will eine breite Oeffentlichkeit ueber die Vorteile PCMCIA-kompatibler Karten informieren sowie den Informationsfluss innerhalb Europas und zwischen Europa und den USA koordinieren.

Ein weiteres Ziel ist die Gruendung von PCMCIA-Komitees zur Untersuchung europaeischer Aspekte der Standardisierung, wozu vornehmlich Europaspezifika im Industrie-, Telekommunikations- (ISDN, drahtlose Datenuebertragung) und Normungsbereich gehoeren.

Die SCM GmbH aus Martinsried und die Dr. Neuhaus Mikroelektronik GmbH aus Hamburg gehoerten zu den deutschen PCMCIA-Vorreitern. Bereits im Herbst 1991 brachte SCM die erste europaeische PCMCIA- kompatible Speicherkarte auf den Markt. Inzwischen bieten die Martinsrieder eine reichhaltige Produktpalette von AT-Controller- Boards fuer PCMCIA-Schnittstellen bis hin zu einem Flash-Filing- System an, fuer das Firmen wie ABC, NCR, Sita, Infos und Siemens Lizenzen erworben haben. Dr. Neuhaus hat sich auf Fax-Modem-Karten spezialisiert, die in nahezu einem Dutzend europaeischer Laender zugelassen sind.

Der TI-Manager Hierhager plant erstmals zur CeBIT 93 in Hannover eine PCMCIA-Galerie, in der die PCMCIA-Idee und entprechende Kartenprodukte erstmals einer breiten Oeffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Die Zahl der Notebooks, Handhelds und Pen-Computer, die mit Schnittstellen fuer die Version 2.01 des PCMCIA-Standards versehen sind, duerfte bis zur CeBIT von derzeit einem halben Dutzend um einiges gewachsen sein.

Nicht zuletzt im Hinblick auf den stiftbasierten Newton-PDA forciert Apple die Weiterentwicklung der PCMCIA-Standards in den 32- und 64-Bit-Bereich hinein. Dave Turnbell von Apple leitet das Card-Bus-Subkomitee der PCMCIA, in dem zur Zeit entsprechende Anforderungen zusammengestellt werden.

Einige Rahmendaten gelten bereits als sicher: 32-Bit-Datenbus, 32-Bit-Multiplex-Adressbus, 3,3 Volt Betriebsspannung und eine Datenuebertragungsrate von 65 MB/s.

Neben dem zunehmenden Einsatz in Desktop-Rechnern ist zu erwarten, dass sich die Nutzung von PCMCIA-Karten langfristig gesehen nicht nur auf den DV-Bereich beschraenken wird. So spekulierte Brian Case, Autor in Slaters "Microprocessor-Report", in einem Artikel unlaengst ueber Kopier- und Fax-Geraete mit PCMCIA- Einschueben.

Dokumente, die auf dem Notebook entworfen und auf einer Speicherkarte abgelegt werden, koennten an jeder beliebigen Kopierstelle kopiert oder gefaxt werden.

*Patrick Thomas ist Gruender des Beratungsunternehmens Penplan Consulting, Marion Badalus arbeitet als freie Fachjournalistin in Muenchen.