Mit Initiativbewerbung zum Erfolg

12.03.2002
Von Corinna Klünsch
Je mehr Bewerbungen Jobsuchende verschicken, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Stelle finden. Davon ist Arbeitsberater Walter Bens überzeugt, der mit seiner Methode, der Zielgruppenkurzbewerbung, schon mehr als 700 Menschen erfolgreich vermittelt hat.

Beate Götz-Lange ist eine multiple Persönlichkeit. Beruflich gesehen. Doch genau das machte sie für den Bewerbungsberater Walter Bens zur idealen Kandidatin. Die diplomierte Wirtschaftspädagogin hatte nach dem Studium "nur Absagen bekommen". Da war sie 35 - und hatte bereits fünf Berufe erlernt. Nach der Erstausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin, dem Abitur via Abendgymnasium und einer halbjährigen Fortbildung arbeitete sie zwei Jahre als Pharmareferentin. "Nach dem Vordiplom habe ich im Silicon Valley einen MBA gemacht, vergleichbar der Diplomkauffrau." Im Nebenjob betreute sie als Project Management Assistant unter anderem ein softwarebasierendes Servicekonzept für das Händlernetz von Hewlett-Packard.

Zurück in Deutschland packte sie noch ihren Abschluss in Wirtschaftspädagogik drauf, bewarb sich, aber ohne Erfolg. "Das war ganz schön frustierend", erinnert sich Götz-Lange. Dann startete sie nach der Strategie von Walter Bens mit rund 100 Adressen eine Bewerbungsaktion - und erhielt in Kürze rund zehn positive Rückmeldungen. "Ich bin als Account Manager bei der ehemaligen Thyssen Telekom eingestiegen, einem Dienstleister für die digitale Zentralspeicherung medizinischer Daten." Als ihr Team von einem Medienunternehmen abgeworben wurde, wechselte sie als Projektleiterin in den Bereich Wissens-Management. Später konzipierte sie ein IT-Auftragsabwicklungssystem für den Bayer-Konzern.

Kürzlich hat sie nach einer zweiten Bewerbungsaktion mit Walter Bens ihren Traumjob als Trainingconsultant für Personalentwicklung und Management bei einem weltweiten Trainingsanbieter gefunden: "Da kann ich jetzt ausnahmslos alle meine Erfahrungen einbringen."

Kreatives Querdenken

Walter Bens ist gelernter Berater beim Arbeitsamt und lehrt an der Fachhochschule der Arbeitsämter in Mannheim Strategien der beruflichen Selbstvermarktung für den Beraternachwuchs der Bundesanstalt für Arbeit. Sein Credo heißt: kreatives Querdenken und Eigeninitiative: "Zwei Drittel aller Jobs werden unter der Hand vergeben. An die kommt man nur mit einer Initiativbewerbung heran."

Das Wissen, wie man aktiv auf Unternehmen zugeht, hat sich Bens selbst in langjähriger Recherche bei privaten Personalvermittlern angeeignet. Ergebnis ist die ZKB (Zielgruppen-Kurzbewerbung). Nun schult er seine Kollegen in den Arbeitsämtern und Bildungseinrichtungen in dieser Methode - und hat mehr als 700 Jobsuchende aller Qualifikationen und Berufssparten erfolgreich in den Arbeitsmarkt vermittelt. Z

wei Dinge sind bei der ZKB entscheidend: Erstens die Qualität des Bewerbungsschreibens. "Man muss ein individuelles Kompetenzprofil anbieten. Unternehmen suchen nicht Berufe oder Zeugnisse, sondern Menschen, die bestimmte Funktionen, Kompetenzen und Talente haben." Dazu kommt die Quantität: "Wer seine Bewerbungen sukzessive verschickt und vor der Nächsten erst die Reaktion auf die Letzte abwartet, der wartet auf das erste Vorstellungsgespräch oft Monate lang." Dahinter steht das Gesetz der Wahrscheinlichkeit: "Ein Treffer bei nur fünf Bewerbungen wäre ein Lotteriegewinn. Wenn man aber in Branchenverzeichnissen oder Messekatalogen gezielt zwischen 50 und 500 Adressen auswählt und dann einen Serienbrief verschickt, beträgt die Rücklaufquote in der Regel zwischen drei und zehn Prozent innerhalb von drei Wochen. Da kann man sich dann das beste Angebot aussuchen."

Berufliches Kurzprofil verfassen

Weil die Versendung als Brief teuer ist, empfiehlt Bens die dreisei-tige Zielgruppenkurzbewerbung ZKB: eine Seite für das Anschreiben, eine für das berufliche Kurzprofil und eventuell eine Seite mit Zusatzqualifikationen zum Briefporto von 56 Cent. "Auch bei Jobbörsen im Internet wird nur ein Kurzprofil erfragt. Wenn Unternehmen Interesse haben, fordern sie Zeugnisse später an."

Bei Comet Computer in München finden Interessenten auf der Homepage ein Bewerbungsformular: "Bei uns läuft fast alles über Initiativbewerbungen", sagt Ann Krombholz von Comet. Was macht nun ein individuelles Kompetenzprofil aus? "Zum Beispiel Zusatzqualifkationen oder die Kombination unterschiedlicher Qualifikationen und Branchenerfahrungen. So hat ein Softwareentwickler höhere Chancen, wenn er auch was von Marketing versteht."

Selbstverständlich geht nichts über eine solide Berufsausbildung als Basis, meint Bens. "Aber ein Beruf allein ist oft nicht mehr genug. Man muss sich fragen: Wo bin ich eigentlich gut? Was macht mir Spaß? Wo habe ich Erfahrungen erworben, die für einen Arbeitgeber interessant sind? Habe ich Talente, die nicht jeder hat?" Die Talentanalyse wird in den USA "Profiling" genannt. "Diese kreative Perspektive wird leider weder in der Schule noch im Studium trainiert", bedauert Sylvia Neuhäuser-Metternich, die ein Mentoring-Projekt für Schülerinnen und Studentinnen in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern leitet. Ein Profil gewinnt man nicht nur durch fachliche Qualifikationen, sondern auch durch die richtigen sozialen Fähigkeiten.

"Die meisten Kandidaten versuchen nur, ihr Fachwissen zu verkaufen. Das ist zu wenig", sagt Peter Hoffmann, Geschäftsführer von Intellution in Darmstadt. "Zu einem Produkt gehört heute meist auch Beratung oder Betreuung. Wir bieten Systemlösungen in der Automatisierung und binden den Kunden in die Entwicklung mit ein." "Darum suchen wir nicht nur technisches Know-how, sondern Leute mit Erfahrung in der Projektabwicklung, die mit Kunden am Telefon umgehen und konstruktiv Konfliktgespräche führen können."

Erik Bormann, Industrieelektroniker und Geoinformatiker, hatte sich nach der Bens-Methode bei Intellution beworben - mit Erfolg. "Herr Bormann hat mit seiner Bewerbung den richtigen Zeitpunkt erwischt und mich dann im Gespräch überzeugt", sagt Hoffmann. Wer etwa als Ex-Feuerwehrhauptmann schon ein Team geleitet hat, "der sollte das ruhig in die schriftliche Bewerbung mit reinnehmen". In den Nutzer hineindenken So denkt auch Krombholz: "Es geht ja nie um Technik allein, sondern um die Anwendung von Technik und damit um Menschen."

Bei Comet Computer arbeiten unter anderem ein promovierter Philosoph und eine Chemikerin: "Unsere Mitarbeiter müssen sich in den Nutzer hineinfühlen. Ist ein Handbuch für Vertriebsleute oder für den Netzadministrator gedacht? Kommunizieren, organisieren, gemeinsam Lösungen entwickeln oder sich auf Veränderungen einstellen zu können, das sind Fähigkeiten, die man neben dem Fachlichen rüberbringen sollte."

Der Schwiegervater von Erik Bormann, ehemaliger DV-Leiter eines Möbelhauses, hat mit 48 Jahren via Bens-Methode einen Job als Berater gefunden. "Wer seinen Horizont nicht auf den Computerbildschirm begrenzt und seine Fähigkeiten auch außerhalb der Technik gezielt erweitert", sagt Bens, "der kann als IT-Experte im Grunde nicht lange arbeitslos bleiben."