CeBIT: Ein schwieriger Prozeß der Strukturierung

Mit Hubert-H. Lange, Vorstandsmitglied, und Michael Beuermann, Projektmanager derDeutschen Messe- und Ausstellungs-AG, Hannover sprach Elmar Elmauer

02.05.1980

CeBIT, dem Weltzentrum für Informationsverarbeitung auf der Hannover-Messe, drängen sich 903 Aussteller, die 149 Unteraussteller vertreten und netto 93 806 Quadratmeter Ausstellungsfläche belegen - und jetzt gibt´s zu allem Überfluß noch eine Sonderschau "Computer am Bau"

-Überfordert dies nicht Aussteller wie Besucher?

Beuermann: Konkret zur Sonderschau "Computer am Bau" glaube ich, daß Ihre Befürchtung nicht zutrifft. Hierbei handelt es sich um ein einmaliges Ereignis, das von den beiden uns seit langem bekannten Veranstaltern, dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, und dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau angeboten worden ist. Wir haben in diesem Jahr die Sonderschau angenommen, und an dieser Sonderschau beteiligen sich von den 903 Ausstellern nur drei in sehr geringem Umfang auf diesem Gemeinschaftsstand, so daß von einer Überforderung der Aussteller sicherlich keine Rede sein kann.

- Welche grundsätzliche Haltung nimmt die Messeleitung zur Frage von Sonderschauen ein? Halten Sie es für notwendig, Spezialgebiete durch Sonderschauen abzudecken? Immerhin besteht ja gerade für kleinere Aussteller die Gefahr, daß sie, selbst wenn sie möchten, auf solchen Sonderschauen nicht repräsentieren können, weil sie nicht genügend Standpersonal haben.

Lange: Die Sonderschauen werden sicherlich nie im Vordergrund einer derartigen Ausstellung, wie es CeBIT ist, stehen. Auf der anderen Seite sehen wir schon, daß Sonderschauen eine durchaus sinnvolle Ergänzung zu dieser Ausstellung sein können, so etwa im vorigen Jahr, als wir die Sonderschau "Arbeitsplatz Büro - Dokumentation des Wandels" in sehr großem Stile abgehandelt haben. Die Resonanz aus der breiten Öffentlichkeit hat gezeigt, daß diese Sonderschauen durchaus ihren Wert haben gerade in der Auseinandersetzung mit Fragen der Wegrationalisierung von Büroarbeitsplätzen und ähnlichen Themen, die in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert werden. Auch gibt es Ansatzpunkte, durch Sonderschauen noch neue Besucherkreise und zusätzliche Besucherkreise für das CeBIT zu erschließen, wie in diesem Jahr mit der Bankensoftware. Wir werden jeweils in einem Jahr durch ein oder zwei Sonderschauen diese CeBIT ergänzen.

- Herr Lange, im CeBITstehen 80 Aussteller draußen vor der Tür, weil einfach kein Platz mehr ist. Ließe sich a la longue mehr Platz dadurch schaffen, daß einfach die Repräsentationspaläste, die zum Teil aufgebaut sind, auf schlichte Boxen mit Firmenemblem reduziert werden?

Lange: Ja, das Problem ist natürlich im Ausstellerbeirat sehr häufig diskutiert worden, und es gibt auch Appelle, auch von Ausstellerseite, die Repräsentation etwas zurückzunehmen. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein großer Vorteil, daß das gesamte Firmenprogramm auf den Ständen gezeigt werden kann, und insofern werden wir á la longue den Platz nicht dadurch schaffen können, daß wir hier durch eine Selbstbeschränkung etwas Platz schaffen. Es steht aber fest, daß wir die Platzprobleme des CeBIT lösen müssen und lösen werden. Denn wir wollen einen kompletten Markt darstellen. Und CeBlT soll die Weltbedeutung behalten, die es jetzt hat.

- Zwischenfrage: Können Sie zum Stand der Platzfrage und der Lösung etwas aus dem Zeitplan sagen?

Lange: Es ist so, daß wir sicherlich über die heutigen Grenzen des Messegeländes nicht mehr hinauswachsen werden, es wird aber eine Integration nach innen durchaus möglich sein. Und ein derart stark wachsender Bereich wie CeBIT wird Platz erhalten. Wir sehen Lösungen für 1982 - spätestens.

- Noch einmal zum Thema Platz - und hier im Sinne der Repräsentation auf der Messe. Wenn man beispielsweise die Messehäuser einiger Konzerne nimmt, vorwiegend solcher mit Stahlinteressen: Ist diese Art der Messe-Darstellung von Unternehmensleistung und Produktpalette noch zeitgemäß? Heute kommt doch der Messebesucher mit ganz anderen Erwartungen nach Hannover? Diskutieren Sie als Messeleitung solche Probleme mit lhren Ausstellern und haben Sie Möglichkeit hier Einfluß zu nehmen?

Lange: Sicherlich sind die großen Messehäuser an der Stahl-Straße historisch gewachsen. Hannover ist unmittelbar nach dem Krieg gestartet, zunächst mal in der Kontra-Stellung zu Leipzig; da war der erste Punkt, daß die deutsche Industrie wieder in den Export hineinkam, und in dieser Zeit stand im Vordergrund die Firmendarstellung und die Produktdarstellung. Das hat sich sicherlich gewandelt. Es ist eine Wandlung vom Verkäufer-Markt zum Käufer-Markt eingetreten, und wir sehen, daß auch die großen Konzerne verstärkt aus den Messehäusern herausgehen und in den einzelnen Fachmärkten der Hannover-Messe ihre Produkte zusätzlich zeigen. Wir diskutieren diese Probleme mit unseren Ausstellern, letztlich muß aber die Entscheidung darüber bei den Ausstellern verbleiben.

- Wie beurteilt die Messeleitung in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß Konzerne gelegentlich Produkte nur im eigenen Messehaus präsentieren, nicht aber innerhalb der Halle, in die das Produkt eigentlich gehört?

Lange: Das ist sicherlich etwas problematisch, wir als Messeleitung sehen es sicher lieber, wenn die Produkte in den betreffenden Fachmärkten ausgestellt werden, zumal es dann für den Besucher leichter ist, eine unmittelbare Gegenüberstellung der Probleme und Lösungsmöglichkeiten zu sehen. Aber wie ich gesagt habe, diese Entscheidung liegt letztlich beim Management eines jeden Ausstellers; der sucht dort den Markt, wo er ihn am besten findet. Und selbstverständlich haben Großkonzerne nach wie vor den Vorteil, daß große Delegationen allein durch den Namen angezogen werden und dann auch von dem betreffenden Produkt besondere Kenntnis nehmen.

- Sie haben jetzt ein Stichwort gegeben, und zwar aus der Gründungszeit, nämlich Leipzig. Ist nicht überhaupt das Gesamtkonzept der Hannover-Messe, die Gesamtdarstellung und ihre Bewertung als nationales politisches Konjunktur-Ereignis, zu lange am Aspekt des Leipzig-Pendants ausgerichtet gewesen?

Lange: Ich glaube, daß sich schon in den frühen fünfziger Jahren doch eine sehr starke Deplazierung zu Leipzig ergeben hat. Wenn in den frühen fünfziger Jahren zunächst von einer Universalmesse gesprochen werden konnte, so hat sich das doch sehr schnell geändert zu einer Mehrbranchenmesse und ich glaube, daß heute die Fachmärkte, die die Hannover-Messe formen, so technologisch miteinander verwoben sind, daß diese Messe ein Unikat ist, völlig anders als die Leipziger in ihrer industriellen Ausrichtung verbundener Technologien.

- Gibt es überhaupt gegenwärtig Kontrapunkte, Messekontrapunkte, zu Hannover?

Lange: Es gibt weltweit keine Kontrapunkte zur Hannover-Messe. Sie ist in dieser Form einmalig.

- Einmalig ist auch die Tatsache, daß die Hannover-Messe die der freundlichen Zimmerfrauen ist. Man ist es nachgerade gewöhnt, zu wenig Hotelkapazität und völlig überfüllte Restaurants während der Messezeit anzutreffen. Überfüllte Restaurants gibt es sicherlich anderswo auch. Aber signalisieren nicht Messependler in den Harz und täglich nach Berlin ausfliegende Messegäste, daß sowohl das Land Niedersachsen wie die Stadt Hannover in der Vergangenheit einfach zu wenig für die Infrastruktur der Messeumgebung getan haben?

Lange: Eines ist sicher richtig, was Sie gesagt haben. Ohne die freundlichen Zimmerfrauen in Hannover wäre eine Messe dieser Dimension überhaupt nicht mehr durchzuführen. Selbstverständlich erfordern diese Dimensionen außergewöhnliche Lösungen. Wir meinen, daß einmal durch die zur Verfügungstellung sehr vieler privater Zimmer - und die hannoversche Bevölkerung hat sich darauf eingestellt - ein großer Schritt zu der Lösung gemacht worden ist. Auf der anderen Seite bemühen wir uns ständig, und zwar in Verbindung mit Stadt und Land, das Serviceangebot zu verbessern. Ich erinnere daran, daß wir heute Hotelschiffe in Hannover liegen haben; wir haben den größten privaten Messe-Bahnhof der Welt; hier rollen tagtäglich mit Sonderzüge an mit Schlafwagen, Möglichkeiten, die Sie in keinem anderen Messeplatz finden. Natürlich müssen wir wegen der großen Zahl der Übernachtungen, und das geht an hundert- bis zweihunderttausend pro Tag, zusätzlich das Umland erschließen: wir versuchen; das ständig zu verbessern durch einen Busservice in den Harz, in die Harzhotels, auch mit günstigen Flugverbindungen nach Berlin und nach Hamburg, auch durch Züge, die direkt bis an das Messegelände rollen. Und eine Zugverbindung heute von Hamburg zum Messegeläde dauert nicht sehr viel langer als zum entgegengelegenen Ende der Stadt.

- Sicherlich kann eine verkürzte Messe nicht Strukturprobleme des Umlandes ausgleichen. Wie weit sind die Gespräche der Messeleitung mit den Ausstellern gediehen, die Messe als solche umzustrukturieren, über die Abkoppelung des ersten Tages hinaus etwa eine Verkürzung der Messe vorzunehmen und desweiteren zum Beispiel für CeBIT ein anderes Umfeld zu schaffen, etwa durch das Thema Bauelemente, um dieses Beispiel einfach mal anzuführen?

Lange: Die Verkürzung der Messe um einen Tag geht auf einen Wunsch großer Teile der Ausstellerschaft zurück. Zeit ist teuer für alle Aussteller, und hier bei der Hannover-Messe wird das wichtigste Vertriebspersonal oder das gesamte Vertriebspersonal der Firmen eingesetzt. Und eine Messebeteiligung ist außerordentlich teuer, und deshalb kam der Wunsch, um einen Tag die Messe zu verkürzen. Ohne Zweifel wird das eine weitere erhöhte Anstrengung an uns stellen, um die Serviceleistungen zu erbringen.

CeBIT selbst ist ein sich verändernder Markt. Wenn wir früher vom CeBIT als Zentrum der Büro- und Informationstechnik gesprochen haben und als Schwerpunkt das Wort Büro im Vordergrund stand, würde ich sagen, geht heute die Wandlung hin zur Kommunikationstechnik; und in der Zukunft sehe ich durchaus weitere Bereiche, die verstärkt in CeBIT stehen werden. Ich denke an die Videotechnik, ich denke an Teile der Nachrichtentechnik- und durchaus auch denkbar sind Teile der elektronischen Bauelemente.

- Das hieße, daß im CeBlT selbst noch mehr aufgeräumt werden muß. Computer unter sich und Kopierer und Zeichengeräte raus?

Lange: Sicherlich ist das ein ganz besonders schwieriger Prozeß der Strukturierung, der auch mit unseren Ausstellergremien sehr intensiv beraten wird. Allerdings wird auch von vielen Ausstellern die Meinung vertreten, daß bei diesem schnell wachsenden Markt durchaus noch nicht klar ist, wo die Programmgestaltung der einzelnen Aussteller hingeht. Es sind Aussteller mit Kopierautomaten, die zusätzlich Computertechnologie in ihre Programmstruktur aufnehmen und umgekehrt, so daß in den nächsten zwei Jahren eine ganz krasse Trennung nicht erfolgen wird. Wir versuchen aber im Interesse der Besucher eine bessere Strukturierung mit Hilfe unserer Aussteller zu erreichen.

- Sicherlich ist ein Ausstellungsplatz im CeBIT ein Platz an der Sonne. Umgekehrt, nirgendwo sind so viele Entscheidungsträger anzutreffen wie im CeBIT. Wie sieht denn die Messe-Leitung kurz vor der Halbzeit das Ergebnis des Jahres 1980, das ja politisch und wirtschaftspolitisch unter etwas schwierigen äußerlichen Bedingungen angetreten wurde?

Lange: Wir können uns nach dem ersten Drittel der Messe noch nicht ein abschließendes Urteil erlauben, aber die ersten Stimmen, besonders aus dem CeBlT-Bereich, zeigen, daß die politischen Schatten noch keine Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit in diesem Bereich jedenfalls geworfen haben. Bereits der erste Tag und auch der zweite Tag haben schon zu beachtlichen Geschäftsabschlüssen geführt, die Zuversicht der Aussteller, daß er noch weiter aufwärts geht, ist ungebrochen, gerade in diesem Bereich.

Man kann heute auch schon zur Gesamtzahl der Besucher sagen, daß es sich etwa auf Vorjahresniveau bewegen wird, und das Vorjahr ist, wie sie wissen, seit 1970 ein Rekordjahr gewesen. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang, daß gegenüber dem Vorjahr der Fachbesucheranteil, der bei knapp 70 Prozent gelegen hat, in diesem Jahr bei 86 Prozent liegt.